Sohn!" -
Liese konnte vor Erstaunen gar nicht zu sich selbst kommen, ein Mal
über das andere rief sie: "Aber, lieber Herr Pfarrer - lieber Herr Pfarrer,
ist denn das wirklich Ihr Ernst, daß Sie die kleine Ungestalt zu sich
nehmen und erziehen und mich von der Not befreien wollen, die ich
mit dem Wechselbalg habe?" - Doch, je mehr die Frau die abscheuliche
Häßlichkeit ihres Alräunchens dem Pfarrer vorhielt, desto eifriger
behauptete dieser, daß sie in ihrer tollen Verblendung gar nicht
verdiene, vom Himmel mit dem herrlichen Geschenk eines solchen
Wunderknaben gesegnet zu sein, bis er zuletzt ganz zornig mit Klein
Zaches auf dem Arm hineinlief in das Haus und die Türe von innen
verriegelte.
Da stand nun Frau Liese wie versteinert vor des Pfarrers Haustüre und
wußte gar nicht, was sie von dem allem denken sollte. "Was um aller
Welt willen," sprach sie zu sich selbst, "ist denn mit unserm würdigen
Herrn Pfarrer geschehen, daß er in meinen Klein Zaches so ganz und
gar vernarrt ist und den einfältigen Knirps für einen hübschen,
verständigen Knaben hält? - Nun! helfe Gott dem lieben Herrn, er hat
mir die Last von den Schultern genommen und sie sich selbst
aufgeladen, mag er nun zusehen, wie er sie trägt! - Hei! wie leicht
geworden ist nun der Holzkorb, da Klein Zaches nicht mehr darauf sitzt
und mit ihm die schwerste Sorge!" -
Damit schritt Frau Liese, den Holzkorb auf dem Rücken, lustig und
guter Dinge fort ihres Weges! - -
Wollte ich auch zurzeit noch gänzlich darüber schweigen, du würdest,
günstiger Leser, dennoch wohl ahnen, daß es mit dem Stiftsfräulein von
Rosenschön, oder wie sie sich sonst nannte, Rosengrünschön, eine ganz
besondere Bewandtnis haben müsse. Denn nichts anders war es wohl,
als die geheimnisvolle Wirkung ihres Kopfstreichelns und
Haarausglättens, daß Klein Zaches von dem gutmütigen Pfarrer für ein
schönes und kluges Kind angesehn und gleich wie sein eignes
aufgenommen wurde. Du könntest, lieber Leser, aber doch, trotz deines
vortrefflichen Scharfsinns, in falsche Vermutungen geraten oder gar
zum großen Nachteil der Geschichte viele Blätter überschlagen, um nur
gleich mehr von dem mystischen Stiftsfräulein zu erfahren; besser ist es
daher wohl, ich erzähle dir gleich alles, was ich selbst von der
würdigen Dame weiß.
Fräulein von Rosenschön war von großer Gestalt, edlem majestätischen
Wuchs und etwas stolzem, gebietendem Wesen. Ihr Gesicht, mußte
man es gleich vollendet schön nennen, machte, zumal wenn sie wie
gewöhnlich in starrem Ernst vor sich hinschaute, einen seltsamen,
beinahe unheimlichen Eindruck, was vorzüglich einem ganz besondern
fremden Zuge zwischen den Augenbrauen zuzuschreiben, von dem
man durchaus nicht recht wußte, ob ein Stiftsfräulein dergleichen
wirklich auf der Stirne tragen könne. Dabei lag aber auch oft,
vorzüglich zur Rosenzeit bei heiterm schönen Wetter, so viel Huld und
Anmut in ihrem Blick, daß jeder sich von süßem unwiderstehlichen
Zauber befangen fühlte. Als ich die Gnädige zum ersten- und
letztenmal zu schauen das Vergnügen hatte, war sie dem Ansehen nach
eine Frau in der höchsten, vollendetsten Blüte ihrer Jahre, auf der
höchsten Spitze des Wendepunktes, und ich meinte, daß mir großes
Glück beschieden, die Dame noch eben auf dieser Spitze zu erblicken
und über ihre wunderbare Schönheit gewissermaßen zu erschrecken,
welches sich dann sehr bald nicht mehr würde zutragen können. Ich
war im Irrtum. Die ältesten Leute im Dorf versicherten, daß sie das
gnädige Fräulein gekannt hätten schon so lange als sie dächten, und daß
die Dame niemals anders ausgesehen habe, nicht älter, nicht jünger,
nicht häßlicher, nicht hübscher als eben jetzt. Die Zeit schien also keine
Macht zu haben über sie, und schon dieses konnte manchem
verwunderlich vorkommen. Aber noch manches andere trat hinzu,
worüber sich jeder, überlegte er es recht ernstlich, ebensosehr wundern,
ja zuletzt aus der Verwunderung, in die er verstrickt, gar nicht
herauskommen mußte. Fürs erste offenbarte sich ganz deutlich bei dem
Fräulein die Verwandtschaft mit den Blumen, deren Namen sie trug.
Denn nicht allein, daß kein Mensch auf Erden solche herrliche
tausendblättrige Rosen zu ziehen vermochte, als sie, so sprießten auch
aus dem schlechtesten dürresten Dorn, den sie in die Erde steckte, jene
Blumen in der höchsten Fülle und Pracht hervor. Dann war es gewiß,
daß sie auf einsamen Spaziergängen im Walde laute Gespräche führte
mit wunderbaren Stimmen, die aus den Bäumen, aus den Büschen, aus
den Quellen und Bächen zu tönen schienen. Ja, ein junger Jägersmann
hatte sie belauscht, wie sie einmal mitten im dicksten Gehölz stand und
seltsame Vögel mit buntem glänzenden Gefieder, die gar nicht im
Lande heimisch, sie umflatterten und liebkosten und in lustigem Singen
und Zwitschern ihr allerlei fröhliche Dinge zu erzählen schienen,
worüber sie lachte und sich freute. Daher kam es denn auch, daß
Fräulein von Rosenschön zu jener Zeit, als sie in das Stift gekommen,
bald die Aufmerksamkeit aller Leute in der Gegend anregte. Ihre
Aufnahme in das Fräuleinstift hatte der Fürst befohlen; der
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