Katharina von Bora - Geschichtliches Lebensbild | Page 3

D. Albrecht Thoma
des
Reformators Ehegattin, stammte, ist nicht mehr gewiß auszumachen.
Mehr als sieben Orte, wie bei dem Vater der griechischen Dichtung,
Homer, streiten sich um die Ehre, ihre Geburtsstätte zu sein: das ist
fast jeder Ort, wo früher oder später Bora gewohnt und gewaltet
haben. Aber man kann eher noch beweisen, daß sie aus acht dieser
Orte nicht stammt, als daß sie am neunten Ort wirklich geboren
sei[8].
Vielleicht ist Katharinas Geburtsort beim alten Stammsitz des
Geschlechts: zu Hirschfeld, einem sehr fruchtbaren Hofgut in der
dörferreichen Hochebene, wo man nördlich nach dem nahen
Deutsch-Bora und dem etwas ferneren Wendisch-Bora schaut, gen
Westen aber, in einer Entfernung von einer Stunde, die burggekrönte
Bergnase von Nossen erblickt.
Wahrscheinlicher aber wurde Käthe zu Lippendorf geboren.
Westwärts nämlich von Borna an der Pleiße zieht sich als
meißnisches Gebiet ein weites Blachfeld, dessen Einförmigkeit nur
durch dunkle Gehölze unterbrochen wird. Nur ein paar hundert
Schritte von dem Kirchdorf Medewitzsch erhebt sich das Häuflein
Häuser des kleinen Dörfchens Lippendorf und etwas abseits

gelegen ein größeres Gut, mit einem Teiche dahinter. Das war zwar
kein rittermäßiger Hofsitz, aber doch ein stattliches Lehngut, das
heutzutage seinen Besitzer zu einem wohlhabenden Bauern macht. Um
1482 saß dort ein Hans von Bora mit seiner Gemahlin Katharina; um
1505 ist's ein Jan von Bora mit seiner Gattin Margarete, einer
geborenen von Ende. Wahrscheinlich ist Hans und Jan nicht Vater und
Sohn, sondern dieselbe Person und Margarete nur seine zweite Ehefrau.
Hier wäre nun Katharina an dem Ende des fünfzehnten
Jahrhunderts, 15-1/4 Jahre nach Martin Luther, auf die Welt gekommen.
In diesem bauernhofähnlichen Anwesen wäre sie — vielleicht
unter einer Stiefmutter — herangewachsen. An diesem Teich hätte
sie als Kind gespielt und hinübergeschaut nach dem nahen Rittersitz
Kieritzsch mit seinem Schloßpark und kleinen Kirchlein, und
weiterhin über die Wiesen und Gehölze der Mark Nixdorf nach der
„Wüstung Zollsdorf“ — wo sie später als ehrsame Hausfrau
und Doktorin vom fernen Wittenberg herkommend hausen und
wirtschaften sollte, wie sie's zu Lippendorf in Hof und Stall, Küche
und Keller von der fleißigen Mutter gelernt.[9]
Aber sicher ist diese Annahme nicht. Es kann auch ein anderer Ort
Katharinas Geburtsstätte sein.
Ja, sicher weiß man nicht einmal den Namen von Vater und Mutter.
Hans konnte der Vater wohl geheißen haben, so hieß damals jeder
dritte Mann, auch im Bora'schen Geschlecht. Und nach einer andern,
nicht unglaubwürdigen Nachricht wäre die Mutter eine geborene
von Haubitz gewesen und hätte nach der Tradition den ebenfalls zu
jener Zeit sehr beliebten Namen Anna getragen. Dann wäre freilich
Lippendorf nicht Käthes Heimat gewesen. Unzweifelhaft gewiß ist
nur ihr Geburtstag, der 29. Januar 1499; denn dieser Tag ist auf einer
Schaumünze eingegraben, die heute noch vorhanden ist[10].
Auch ihre nächsten Verwandten sind bekannt.
Katharina hatte wenigstens noch drei Brüder. Der eine, dessen Name
nicht genannt ist, verheiratete sich mit einer gewissen Christina und
starb ziemlich frühzeitig, vielleicht schon um 1540. Denn sein Sohn
Florian, der etwa gleichaltrig mit Luthers Aeltestem d.h. damals
vierzehn Jahre alt war, wurde um diese Zeit ins Haus genommen und
wollte 1546 die Rechte studieren; damals war „Christina von Bora
Witfraw“[11].

Der andere Bruder Katharinas ist Hans von Bora. Er war 1531 in
Diensten des Herzogs Albrecht von Preußen, kehrte aber etwa 1534
von dort zurück, um für sich und seine Brüder das Gütlein
Zulsdorf als „Erbdächlein“ zu übernehmen. Er bekam in
seinen Mannesjahren von seinem Schwager Luther und von Justus
Jonas das Lob eines „aufrichtigen, feinen und treuen Menschen“.
„Treu und brav ist er, das weiß ich, dazu auch geschickt und
fleißig“, bezeugt ihm Luther[12].
Weniger Löbliches ist von dem dritten Bruder Klemens bekannt. Er
kam mit Bruder Hans nach Königsberg, geriet aber nach dessen
Rückkehr in die Gesellschaft eines adligen Raufboldes, der in seiner
Gegenwart einen Zimmergesellen im Rausch erstach, was ihm selbst
übeln Ruf zuzog und ihn in Ungnaden bei dem Herzog brachte[13].
Außer den Brüdern Katharinas ist auch eine Muhme (Base) Lene
bekannt, welche später in Luthers Haus lebte. Es wird dies niemand
anders sein als die Magdalena von Bora, des Vaters Schwester[14],
welche freilich zur Zeit von Katharinas Geburt schon lange im Kloster
Nimbschen lebte.
Wenn es wahr ist, daß um 1525 eine Maria von Bora auf Zulsdorf
sich nach Wittenberg verheiratete[15], so müssen auf diesem
Vorwerk in den zwanziger Jahren noch nahe Verwandte gelebt haben.
Reich konnten diese aber nicht sein, denn das ganze Gut war nur 600 fl.
wert und nährte seinen Mann nicht, wie später Bruder Hans selbst
erfuhr. Ein weiterer Verwandter Katharinas war Paul von Rachwitz,
welcher zu Bitterfeld wohnte in dessen Nähe auch in Zweig der Bora
hauste[16].
Die Familie Katharinas muß recht arm gewesen sein: es heißt
sogar: sie war in die äußerste Bedrängnis geraten. Florian, der
Sohn des ältesten Bruders, war jedenfalls nach seines Vaters Tod,
obwohl dieser wahrscheinlich das Erbgut besaß, doch auf Stipendien
angewiesen für seine Studien. Bruder
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