Kampagne in Frankreich | Page 8

Johann Wolfgang von Goethe
auch dieses Unheil im einzelnen zu betrachten; wir konnten die Menschen erkennen, die sich oben auf den Mauern dem Brand Einhalt zu tun eifrig bem��hten, wir konnten die frei stehenden, zusammenst��rzenden Gesparre bemerken und unterscheiden. Dieses alles geschah in Gesellschaft von Bekannten und Unbekannten, wobei es uns?gliche, oft widersprechende Bemerkungen gab und gar verschiedene Gesinnungen ge?u?ert wurden. Ich war in eine Batterie getreten, die eben gewaltsam arbeitete, allein der f��rchterlich dr?hnende Klang abgefeuerter Haubitzen fiel meinem friedlichen Ohr unertr?glich: ich musste mich bald entfernen. Da traf ich auf den F��rsten Reu? den XI., der mir immer ein freundlicher, gn?diger Herr gewesen. Wir gingen hinter Weinbergsmauern hin und her, durch sie gesch��tzt vor den Kugeln, welche heraus zu senden die Belagerten nicht faul waren. Nach mancherlei politischen Gespr?chen, die uns denn freilich nur in ein Labyrinth von Hoffnungen und Sorgen verwickelten, fragte mich der F��rst, womit ich mich gegenw?rtig besch?ftige, und war sehr verwundert, als ich, anstatt von Trag?dien und Romanen zu vermelden, aufgeregt durch die heutige Refraktionserscheinung, von der Farbenlehre mit gro?er Lebhaftigkeit zu sprechen begann. Denn es ging mir mit diesen Entwickelungen nat��rlicher Ph?nomene wie mit Gedichten: ich machte sie nicht, sondern sie machten mich. Das einmal erregte Interesse behauptete sein Recht, die Produktion ging ihren Gang, ohne sich durch Kanonenkugeln und Feuerballen im mindesten st?ren zu lassen. Der F��rst verlangte, dass ich ihm fasslich machen sollte, wie ich in dieses Feld geraten? Hier gereichte mir nun der heutige Fall zu besonderem Nutzen und Frommen.
Bei einem solchen Mann bedurft' es nicht vieler Worte, um ihn zu ��berzeugen, dass ein Naturfreund, der sein Leben gew?hnlich im Freien, es sei nun im Garten, auf der Jagd, reisend oder durch Feldz��ge durchf��hrt, Gelegenheit und Mu?e genug finde, die Natur im gro?en zu betrachten und sich mit den Ph?nomenen aller Art bekannt zu machen. Nun bieten aber atmosph?rische Luft, D��nste, Regen, Wasser und Erde uns immerfort abwechselnde Farberscheinungen, und zwar unter so verschiedenen Bedingungen und Umst?nden, dass man w��nschen m��sse, solche bestimmter kennen zu lernen, sie zu sondern, unter gewisse Rubriken zu bringen, ihre n?here und fernere Verwandtschaft auszuforschen. Hierdurch gewinne man nun in jedem Fach neue Ansichten, unterschieden von der Lehre der Schule und von gedruckten ��berlieferungen. Unsere Altv?ter h?tten, begabt mit gro?er Sinnlichkeit, vortrefflich gesehen, jedoch ihre Beobachtungen nicht fort- und durchgesetzt; am wenigsten sei ihnen gelungen, die Ph?nomene wohl zu ordnen und unter die rechten Rubriken zu bringen.
Dergleichen war abgehandelt, als wir den feuchten Rasen hin und her gingen; ich setze, aufgeregt durch Fragen und Einreden, meine Lehre fort, als die K?lte des einbrechenden Morgens uns an ein Biwak der ?sterreicher trieb, welches, die ganze Nacht unterhalten, einen ungeheueren wohlt?tigen Kohlenkreis darbot. Eingenommen von meiner Sache, mit der ich mich erst seit zwei Jahren besch?ftigte und die also noch in einer frischen, unreifen G?rung begriffen war, h?tte ich kaum wissen k?nnen, ob der F��rst mir auch zugeh?rt, wenn er nicht einsichtige Worte dazwischen gesprochen und zum Schluss meinen Vortrag wieder aufgenommen und beif?llige Aufmunterung geg?nnt h?tte.
Wie ich denn immer bemerkt habe, dass mit Gesch?fts- und Weltleuten, die sich gar vielerlei aus dem Stegreif m��ssen vortragen lassen und deshalb immer auf ihrer Hut sind, um nicht hintergangen zu werden, viel besser auch in wissenschaftlichen Dingen zu handeln ist, weil sie den Geist frei halten und dem Referenten aufpassen, ohne weiteres Interesse als eigene Aufkl?rungen; da Gelehrte hingegen gew?hnlich nichts h?ren, als was sie gelernt und gelehrt haben und wor��ber sie mit ihresgleichen ��bereingekommen sind. In die Stelle des Gegenstandes setzt sich ein Wort-Kredo, bei welchem denn so gut zu verharren ist als bei irgendeinem andern.
Der Morgen war frisch, aber trocken; wir gingen, teils gebraten, teils erstarrt, wieder auf und ab und shaen an den Weinbergsmauern sich auf einmal etwas regen. Es war ein Pikett J?ger, das die Nacht da zugebracht hatte, nun aber B��chse und Tornister wieder aufnahm, hinab in die niedergebrannten Vorst?dte zog, um von da aus die W?lle zu beunruhigen. Einem wahrscheinlichen Tod entgegengehend, sangen sie sehr libertine Lieder, in dieser Lage vielleicht verzeihbar.
Kaum verlie?en sie die St?tte, als ich auf der Mauer, an der sie geruht, ein sehr auffallendes geologisches Ph?nomen zu bemerken glaubte: ich sah auf dem von Kalkstein errichteten wei?en M?uerchen ein Gesims von hellgr��nen Steinen v?llig von der Farbe des Jaspis und war h?chlich betroffen, wie mitten in diesen Kalkfl?zen eine so merkw��rdige Steinart in solcher Menge sich sollte gefunden haben. Auf die eigenste Weise ward ich jedoch entzaubert, als ich, auf das Gespenst losgehend, sogleich bemerkte, dass es das Innere von verschimmeltem Brot sei, das, den J?gern ungenie?bar, mit gutem Humor ausgeschnitten und zu Verzierung der Mauer ausgebreitet worden.
Hier gab es nun sogleich Gelegenheit, von der, seitdem wir in Feindesland eingetreten, immer wieder zur Sprache kommenden Vergiftung zu reden; welche freilich ein kriegendes Heer mit panischem Schrecken erf��llt, indem nicht allein jede vom Wirt
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 71
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.