Morgen, lieber Vater.
Miller (warm). Brav, meine Luise--Freut mich, daß du so fleißig an
deinen Schöpfer denkst. Bleib immer so, und sein Arm wird dich
halten.
Luise. O! ich bin eine schwere Sünderin, Vater--War er da, Mutter?
Frau. Wer, mein Kind?
Luise. Ah! ich vergaß, daß es noch außer ihm Menschen gibt--Mein
Kopf ist so wüste--Er war nicht da? Walter?
Miller (traurig und ernsthaft). Ich dachte, meine Luise hätte den Namen
in der Kirche gelassen?
Luise (nachdem sie ihn eine Zeitlang starr angesehen). Ich versteh' ihn,
Vater--fühle das Messer, das Er in mein Gewissen stößt; aber es kommt
zu spät.--Ich hab' keine Andacht mehr, Vater--der Himmel und
Ferdinand reißen an meiner blutenden Seele, und ich fürchte--ich
fürchte--(Nach einer Pause.) Doch nein, guter Vater. Wenn wir ihn über
dem Gemälde vernachlässigen, findet sich ja der Künstler am feinsten
gelobt.--Wenn meine Freude über sein Meisterstück mich ihn selbst
übersehen macht, Vater, muß das Gott nicht ergötzen?
Miller (wirft sich unmuthig in den Stuhl). Da haben wir's! Das ist die
Frucht von dem gottlosen Lesen.
Luise (tritt unruhig an ein Fenster). Wo er wohl jetzt ist?--Die
vornehmen Fräulein, die ihn sehen--ihn hören--ich bin ein schlechtes,
vergessenes Mädchen. (Erschrickt an dem Wort und stürzt ihrem Vater
zu.) Doch nein, nein! verzeih' Er mir. Ich beweine mein Schicksal nicht.
Ich will ja nur wenig--an ihn denken--das kostet ja nichts. Dies Bischen
Leben--dürft' ich es hinhauchen in ein leises, schmeichelndes Lüftchen,
sein Gesicht abzukühlen;--dies Blümchen Jugend--wär' es ein Veilchen,
und er träte drauf, und es dürfte bescheiden unter ihm sterben!--Damit
genügte mir, Vater! Wenn die Mücke in ihren Strahlen sich sonnt--kann
sie das strafen, die stolze majestätische Sonne?
Miller (beugt sich gerührt an die Lehne des Stuhls und bedeckt das
Gesicht). Höre, Luise--das Bissel Bodensatz meiner Jahre, ich gäb' es
hin, hättest du den Major nie gesehen.
Luise (erschrocken). Was sagt Er da? was?--Nein, er meint es anders,
der gute Vater. Er wird nicht wissen, daß Ferdinand mein ist, mir
geschaffen, mir zur Freude vom Vater der Liebenden. (Sie steht
nachdenkend.) Als ich ihn das Erstemal sah--(rascher) und mir das Blut
in die Wangen stieg, froher jagten alle Pulse, jede Wallung sprach,
jeder Athem lispelte: er ist's!--und mein Herz den Immermangelnden
erkannte, bekräftigte: er ist's! und wie das wiederklang durch die ganze
mitfreuende Welt! Damals--o damals ging in meiner Seele der erste
Morgen auf. Tausend junge Gefühle schossen aus meinem Herzen, wie
die Blumen aus dem Erdreich, wenn's Frühling wird. Ich sah keine
Welt mehr, und doch besinn' ich mich, daß sie niemals so schön war.
Ich wußte von keinem Gott mehr, und doch hatt' ich ihn nie so geliebt.
Miller (tritt auf sie zu, drückt sie wider seine Brust).
Luise--theures--herrliches Kind--nimm meinen alten mürben
Kopf--nimm Alles--Alles!--den Major--Gott ist mein Zeuge--ich kann
dir ihn nimmer geben. (Er geht ab.)
Luise. Auch will ich ihn ja jetzt nicht, mein Vater! Dieser karge
Thautropfen Zeit--schon ein Traum von Ferdinand trinkt ihn wollüstig
auf. Ich entsag' ihm für dieses Leben. Dann, Mutter--dann wenn die
Schranken des Unterschieds einstürzen--wenn von uns abspringen all
die verhaßten Hülsen des Standes--Menschen nur Menschen sind--Ich
bringe nichts mit mir, als meine Unschuld; aber der Vater hat ja so oft
gesagt, daß der Schmuck und die prächtigen Titel wohlfeil werden,
wenn Gott kommt, und die Herzen im Preise steigen. Ich werde dann
reich sein. Dort rechnet man Thränen für Triumphe und schöne
Gedanken für Ahnen an. Ich werde dann vornehm sein, Mutter--Was
hätte er dann noch vor seinem Mädchen voraus?
Frau (fährt in die Höhe). Luise! der Major! Er springt über die Planke.
Wo verberg' ich mich doch?
Luise (fängt an zu zittern). Bleib Sie doch, Mutter!
Frau. Mein Gott! Wie seh' ich aus; ich muß mich ja schämen. Ich darf
mich nicht vor seiner Gnaden so sehen lassen. (Ab.)
Vierte Scene.
Ferdinand von Walter. Luise.
(Er fliegt auf sie zu--sie sinkt entfärbt und matt auf einen Sessel--er
bleibt vor ihr stehn--sie sehen sich eine Zeitlang stillschweigend an.
Pause.)
Ferdinand. Du bist blaß, Luise?
Luise (steht auf und fällt ihm um den Hals). Es ist nichts! nichts! Du
bist ja da. Es ist vorüber.
Ferdinand (ihr Hand nehmend und zum Munde führend). Und liebt
mich meine Luise noch? Mein Herz ist das gestrige, ist's auch das deine
noch? Ich fliege nur her, will sehen, ob du heiter bist, und gehn und es
auch sein--Du bist's nicht.
Luise. Doch, doch, mein Geliebter.
Ferdinand. Rede mir Wahrheit. Du bist's nicht. Ich schau durch deine
Seele, wie durch das klare Wasser dieses Brillanten. (Zeigt auf seinen
Ring.) Hier wirft sich kein Bläschen auf, das ich nicht merkte--kein
Gedanke tritt in dies Angesicht, der mir entwischte. Was hast du?
Geschwind! Weiß ich nur diesen Spiegel helle, so läuft keine Wolke
über die Welt. Was bekümmert dich?
Luise (sieht ihn eine Weile stumm und bedeutend an, dann mit
Wehmuth). Ferdinand! Ferdinand! Daß
Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.