Kabale und Liebe | Page 2

Friedrich von Schiller
erst so weit im Reinen, daß die Gemüther topp machen,
wutsch! nehmen die Körper ein Exempel; das Gesind macht's der
Herrschaft nach, und der silberne Mond ist am End nur der Kuppler
gewesen.
Frau. Sieh doch nur erst die prächtigen Bücher an, die der Herr Major
ins Haus geschafft haben. Deine Tochter betet auch immer draus.
Miller (pfeift). Hui da! Betet! Du hast den Witz davon. Die rohen
Kraftbrühen der Natur sind Ihro Gnaden zartem Makronenmagen noch
zu hart.--Er muß sie erst in der höllischen Pestilenzküche der
Belletristen künstlich aufkochen lassen. Ins Feuer mit dem Quark. Da
saugt mir das Mädel--weiß Gott, was als für?--überhimmlische
Alfanzereien ein, das läuft dann wie spanische Mucken ins Blut und
wirft mir die Handvoll Christenthum noch gar auseinander, die der
Vater mit knapper Noth soso noch zusammenhielt. Ins Feuer, sag' ich.
Das Mädel setzt sich alles Teufelsgezeug in den Kopf; über all dem
Herumschwänzen in der Schlaraffenwelt findet's zuletzt seine Heimath
nicht mehr, vergißt, schämt sich, daß sein Vater Miller der Geiger ist,
und verschlägt mir am End einen wackern ehrbaren Schwiegersohn, der
sich so warm in meine Kundschaft hineingesetzt hätte--Nein! Gott
verdamm mich! (Er springt auf, hitzig.) Gleich muß die Pastete auf den
Herd, und dem Major--ja ja, dem Major will ich weisen, wo Meister
Zimmermann das Loch gemacht hat. (Er will fort.)
Frau. Sei artig, Miller. Wie manchen schönen Groschen haben uns nur
die Präsenter-Miller (kommt zurück und bleibt vor ihr stehen). Das
Blutgeld meiner Tochter?--Schier dich zum Satan, infame Kupplerin!

--Eh will ich mit meiner Geig' auf den Bettel herumziehen und das
Concert um was Warmes geben--eh will ich mein Violoncello
zerschlagen und Mist im Sonanzboden führen, eh ich mir's schmecken
lass' von dem Geld, das mein einziges Kind mit Seel' und Seligkeit
abverdient. --Stell den vermaledeiten Kaffee ein und das
Tobackschnupfen, so brauchst du deiner Tochter Gesicht nicht zu
Markt zu treiben. Ich hab mich satt gefressen und immer ein gutes
Hemd auf dem Leib gehabt, eh so ein vertrackter Tausendsasa in meine
Stube geschmeckt hat.
Frau. Nur nicht gleich mit der Thür ins Haus! Wie du doch den
Augenblick in Feuer und Flammen stehst! Ich sprech ja nur, man müss'
den Herrn Major nicht disguschthüren, weil Sie des Präsidenten Sohn
sind.
Miller. Da liegt der Haas im Pfeffer. Darum, just eben darum muß die
Sach noch heut auseinander. Der Präsident muß es mir Dank wissen,
wenn er ein rechtschaffener Vater ist. Du wirst mir meinen rothen
plüschenen Rock ausbürsten, und ich werde mich bei Seiner Excellenz
anmelden lassen. Ich werde sprechen zu seiner Excellenz: Dero Herr
Sohn haben ein Aug auf meine Tochter; meine Tochter ist zu schlecht
zu Dero Herrn Sohnes Frau, aber zu Dero Herrn Sohnes Hure ist meine
Tochter zu kostbar, und damit basta!--Ich heiße Miller.

Zweite Scene.
Secretär Wurm. Die Vorigen.
Frau. Ah guten Morgen, Herr Sekertare! Hat man auch einmal wieder
das Vergnügen von Ihnen?
Wurm. Meinerseits, meinerseits, Frau Base! Wo eine Cavaliersgnade
einspricht, kommt mein bürgerliches Vergnügen in gar keine
Rechnung.
Frau. Was Sie nicht sagen, Herr Sekertare! Des Herrn Majors von
Walter hohe Gnaden machen uns wohl je und je das Bläsier; doch
verachten wir darum Niemand.
Miller (verdrießlich). Dem Herrn einen Sessel, Frau. Wollen's ablegen,
Herr Landsmann?
Wurm (legt Hut und Stock weg, setzt sich). Nun! nun! und wie befindet
sich denn meine Zukünftige--oder Gewesene?--Ich will doch nicht
hoffen--kriegt man sie nicht zu sehen--Mamsell Luisen?

Frau. Danken der Nachfrage, Herr Sekertare. Aber meine Tochter ist
doch gar nicht hochmüthig.
Miller (ärgerlich, stößt sie mit dem Ellenbogen). Weib!
Frau. Bedauern's nur, daß sie die Ehre nicht haben kann vom Herrn
Sekertare. Sie ist eben in der Meß, meine Tochter.
Wurm. Das freut mich, freut mich. Ich werd' mal eine fromme,
christliche Frau an ihr haben.
Frau (lächelt dumm-vornehm). Ja--aber, Herr Sekertare-Miller (in
sichtbarer Verlegenheit, kneipt sie in die Ohren). Weib!
Frau. Wenn Ihnen unser Haus sonst irgend wo dienen kann--mit allem
Vergnügen, Herr Sekertare-Wurm (macht falsche Augen). Sonst
irgendwo! Schönen Dank! Schönen Dank!--Hem! hem! hem!
Frau. Aber--wie der Herr Sekertare selber die Einsicht werden
haben-Miller (voll Zorn seine Frau vor den Hintern stoßend). Weib!
Frau. Gut ist gut, und besser ist besser, und einem einzigen Kind mag
man doch auch nicht vor seinem Glück sein. (Bäurisch-stolz.) Sie
werden mich ja doch wohl merken, Herr Sekertare?
Wurm (rückt unruhig im Sessel, kratzt hinter den Ohren und zupft an
Manschetten und Jabot). Merken? Nicht doch--O ja--Wie meinen Sie
denn?
Frau. Nu--nu--ich dächte nur--ich meine, (hustet) weil eben halt der
liebe Gott meine Tochter barrdu zur gnädigen Madam will
haben-Wurm (fährt vom Stuhl). Was sagen Sie da? Was?
Miller. Bleiben sitzen! Bleiben sitzen, Herr Secretarius! Das Weib ist
eine alberne Gans. Wo soll eine gnädige Madam herkommen? Was für
ein Esel streckt sein Langohr aus diesem Geschwätze?
Frau. Schmähl du, so lang du willst. Was ich
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