Kabale und Liebe | Page 4

Friedrich von Schiller
sie ihn eine Zeitlang starr angesehen). Ich versteh' ihn, Vater--fühle das Messer, das Er in mein Gewissen st??t; aber es kommt zu sp?t.--Ich hab' keine Andacht mehr, Vater--der Himmel und Ferdinand rei?en an meiner blutenden Seele, und ich fürchte--ich fürchte--(Nach einer Pause.) Doch nein, guter Vater. Wenn wir ihn über dem Gem?lde vernachl?ssigen, findet sich ja der Künstler am feinsten gelobt.--Wenn meine Freude über sein Meisterstück mich ihn selbst übersehen macht, Vater, mu? das Gott nicht erg?tzen?
Miller (wirft sich unmuthig in den Stuhl). Da haben wir's! Das ist die Frucht von dem gottlosen Lesen.
Luise (tritt unruhig an ein Fenster). Wo er wohl jetzt ist?--Die vornehmen Fr?ulein, die ihn sehen--ihn h?ren--ich bin ein schlechtes, vergessenes M?dchen. (Erschrickt an dem Wort und stürzt ihrem Vater zu.) Doch nein, nein! verzeih' Er mir. Ich beweine mein Schicksal nicht. Ich will ja nur wenig--an ihn denken--das kostet ja nichts. Dies Bischen Leben--dürft' ich es hinhauchen in ein leises, schmeichelndes Lüftchen, sein Gesicht abzukühlen;--dies Blümchen Jugend--w?r' es ein Veilchen, und er tr?te drauf, und es dürfte bescheiden unter ihm sterben!--Damit genügte mir, Vater! Wenn die Mücke in ihren Strahlen sich sonnt--kann sie das strafen, die stolze majest?tische Sonne?
Miller (beugt sich gerührt an die Lehne des Stuhls und bedeckt das Gesicht). H?re, Luise--das Bissel Bodensatz meiner Jahre, ich g?b' es hin, h?ttest du den Major nie gesehen.
Luise (erschrocken). Was sagt Er da? was?--Nein, er meint es anders, der gute Vater. Er wird nicht wissen, da? Ferdinand mein ist, mir geschaffen, mir zur Freude vom Vater der Liebenden. (Sie steht nachdenkend.) Als ich ihn das Erstemal sah--(rascher) und mir das Blut in die Wangen stieg, froher jagten alle Pulse, jede Wallung sprach, jeder Athem lispelte: er ist's!--und mein Herz den Immermangelnden erkannte, bekr?ftigte: er ist's! und wie das wiederklang durch die ganze mitfreuende Welt! Damals--o damals ging in meiner Seele der erste Morgen auf. Tausend junge Gefühle schossen aus meinem Herzen, wie die Blumen aus dem Erdreich, wenn's Frühling wird. Ich sah keine Welt mehr, und doch besinn' ich mich, da? sie niemals so sch?n war. Ich wu?te von keinem Gott mehr, und doch hatt' ich ihn nie so geliebt.
Miller (tritt auf sie zu, drückt sie wider seine Brust). Luise--theures--herrliches Kind--nimm meinen alten mürben Kopf--nimm Alles--Alles!--den Major--Gott ist mein Zeuge--ich kann dir ihn nimmer geben. (Er geht ab.)
Luise. Auch will ich ihn ja jetzt nicht, mein Vater! Dieser karge Thautropfen Zeit--schon ein Traum von Ferdinand trinkt ihn wollüstig auf. Ich entsag' ihm für dieses Leben. Dann, Mutter--dann wenn die Schranken des Unterschieds einstürzen--wenn von uns abspringen all die verha?ten Hülsen des Standes--Menschen nur Menschen sind--Ich bringe nichts mit mir, als meine Unschuld; aber der Vater hat ja so oft gesagt, da? der Schmuck und die pr?chtigen Titel wohlfeil werden, wenn Gott kommt, und die Herzen im Preise steigen. Ich werde dann reich sein. Dort rechnet man Thr?nen für Triumphe und sch?ne Gedanken für Ahnen an. Ich werde dann vornehm sein, Mutter--Was h?tte er dann noch vor seinem M?dchen voraus?
Frau (f?hrt in die H?he). Luise! der Major! Er springt über die Planke. Wo verberg' ich mich doch?
Luise (f?ngt an zu zittern). Bleib Sie doch, Mutter!
Frau. Mein Gott! Wie seh' ich aus; ich mu? mich ja sch?men. Ich darf mich nicht vor seiner Gnaden so sehen lassen. (Ab.)

Vierte Scene.
Ferdinand von Walter. Luise.
(Er fliegt auf sie zu--sie sinkt entf?rbt und matt auf einen Sessel--er bleibt vor ihr stehn--sie sehen sich eine Zeitlang stillschweigend an. Pause.)
Ferdinand. Du bist bla?, Luise?
Luise (steht auf und f?llt ihm um den Hals). Es ist nichts! nichts! Du bist ja da. Es ist vorüber.
Ferdinand (ihr Hand nehmend und zum Munde führend). Und liebt mich meine Luise noch? Mein Herz ist das gestrige, ist's auch das deine noch? Ich fliege nur her, will sehen, ob du heiter bist, und gehn und es auch sein--Du bist's nicht.
Luise. Doch, doch, mein Geliebter.
Ferdinand. Rede mir Wahrheit. Du bist's nicht. Ich schau durch deine Seele, wie durch das klare Wasser dieses Brillanten. (Zeigt auf seinen Ring.) Hier wirft sich kein Bl?schen auf, das ich nicht merkte--kein Gedanke tritt in dies Angesicht, der mir entwischte. Was hast du? Geschwind! Wei? ich nur diesen Spiegel helle, so l?uft keine Wolke über die Welt. Was bekümmert dich?
Luise (sieht ihn eine Weile stumm und bedeutend an, dann mit Wehmuth). Ferdinand! Ferdinand! Da? du doch wü?test, wie sch?n in dieser Sprache das bürgerliche M?dchen sich ausnimmt-Ferdinand. Was ist das? (Befremdet.) M?dchen! H?re! wie kommst du auf das?--Du bist meine Luise. Wer sagt dir, da? du noch etwas sein solltest? Siehst du, Falsche, auf welchem Kaltsinn ich dir begegnen mu?. W?rest du ganz nur Liebe für mich, wann h?ttest du Zeit gehabt, eine Vergleichung zu machen? Wenn ich bei dir bin, zerschmilzt meine Vernunft in einen Blick--in einen Traum von dir, wenn ich weg bin, und du hast noch eine Klugheit neben deiner Liebe?--Sch?me dich! Jeder Augenblick,
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 39
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.