die meisten h?chstens einen aus drei S?tzen bestehenden Absatz. Die Aufmerksamkeitsspanne von Studierenden ist nicht wesentlich k��rzer als die ihrer Dozenten: eine Druckseite. Gesetzgeber und B��rokraten verlassen sich bei l?ngeren Texten auf die Zusammenfassungen ihrer Mitarbeiter. Ein halbmin��tiger Fernsehbericht ��bt gr??eren Einflu? aus als ein ausf��hrlicher vierspaltiger Leitartikel. Eine weitere Ironie liegt nat��rlich darin, da? das vorliegende Buch Argumente vorstellt, die in ihrer logischen Abfolge von den Konventionen des Schreibens und Lesens abh?ngen. Als Medium der Konstituierung und Interpretation von Geschichte beeinflu?t die Schrift nat��rlich Art und Inhalt unseres Denkens.
Ich will daher vorausschicken, gewisserma?en um mir selbst Mut zu machen, da? das Ende der Schriftkultur nicht gleichbedeutend mit ihrem v?lligen Verschwinden ist. Die Wissenschaft von der Schriftkultur wird eine neue Disziplin, so wie Sanskrit oder Klassische Philologie eine sind. F��r andere wird sie ein Beruf bleiben, wie sie es jetzt schon f��r Herausgeber, Korrektoren und Schriftsteller ist. F��r die Mehrheit wird sie fortbestehen als eine von vielen Spezialsprachen und Bildungsformen, als eine von vielen Literalit?ten, die uns den Gebrauch und die Integration der neuen Medien und der neuen Kommunikations- und Interpretationsformen erleichtern. Der Utopist in mir sagt, da? wir die Schriftkultur neu erfinden und damit retten werden, denn sie hat eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung zur neuen Zivilisation gespielt. Der Realist in mir erkennt, da? neue Zeiten und neue Herausforderungen, um ihre Komplexit?t in den Griff zu bekommen, neue Mittel erfordern. Unser Widerwillen, den Umbruch zu akzeptieren, wird ihn nicht verhindern. Er wird uns nur daran hindern, ihn mit zu gestalten und das Beste daraus zu machen.
Das vorliegende Buch m?chte keine Sch?ne Neue Welt verk��nden, in der die Menschen zwar weniger wissen, aber doch alles das wissen, was sie im Bedarfsfall wissen m��ssen. Es handelt auch nicht von Menschen, die--oberfl?chlich, mittelm??ig und extrem wettbewerbsorientiert--sich leicht auf Ver?nderung einstellen. Es besch?ftigt sich vielmehr mit der Sprache und mit Bereichen, die von ihr wesentlich erfa?t sind: Politik, Bildung, Markt, Krieg, Sport und vieles mehr. Es ist ein Buch ��ber das Leben, das wir den W?rtern beim Sprechen, Schreiben und Lesen verleihen. Wir geben aber auch Bildern, T?nen, Zeichengebilden, Multimedien und virtuellen Realit?ten Leben, wenn wir uns in neue Interaktionsformen einbinden. Die Grenzen der Schriftkultur in praktischen T?tigkeiten zu ��berschreiten, f��r deren Ausf��hrung die Schriftkultur keine ausreichenden Mittel zur Verf��gung stellen kann, hei?t letztlich, in eine neue Zivilisationsphase hineinzuwachsen. Jenseits der Schriftkultur? Zun?chst m?chte ich meinen methodischen Ansatz darlegen. Die Sprache erfa?t den Menschen in allen seinen Aspekten: den biologischen Anlagen, seinem Raum- und Zeitverst?ndnis, seinen kognitiven und manuellen F?higkeiten, seinem Gef��hlshaushalt, seiner Empfindungskraft, seiner Gesellschaftlichkeit und seinem Hang zur politischen Organisation des Lebens. Am deutlichsten aber tritt unser Verh?ltnis zur Sprache in der Lebenspraxis zutage. Unsere best?ndige Selbstkonstituierung durch das, was wir tun, warum wir es tun und wie wir es tun--unsere Lebenspraxis also--vollzieht sich mittels der Sprache, ist aber nicht darauf zu reduzieren. Die hier verwendete pragmatische Perspektive greift auf Charles Sanders Peirce zur��ck. Die semiotischen Implikationen meiner ��berlegungen beziehen sich auf sein Werk. Er verfolgt die Frage, wie Wissen zu gemeinsamem Wissen wird: nur ��ber die Tr?ger unseres Wissens--alle von uns gebildeten Zeichentr?ger--k?nnen wir ermitteln, wie die Ergebnisse unseres Denkens in unsere Handlungen und Theorien eingehen.
Die Sprache und die Bildung und Formulierung von Gedanken ist allein dem Menschen eigen. Sie machen einen wesentlichen Teil der kognitiven Dimension seiner Lebenspraxis aus. Wir scheinen ��ber die Sprache so zu verf��gen wie ��ber unsere Sinne. Aber hinter der Sprache steht ein langer Proze? der menschlichen Selbstkonstituierung, der die Sprache erst m?glich und schlie?lich notwendig machte. Dieser Proze? bot letztendlich auch die Mittel, uns in dem Ma?e als schriftkulturell gebildet zu konstituieren, wie es die jeweiligen Lebensumst?nde erforderten. Es sieht nur so aus, als sei die Sprache ein n��tzliches Instrument; in Wirklichkeit ergibt sie sich aus unserem lebenspraktischen Zusammenhang. Wir k?nnen einen Hammer oder einen Computer benutzen, aber wir sind unsere Sprache. Und die Erfahrung der Sprache erstreckt sich auf die Erfahrung der ihr eigenen Logik und der von ihr und der Schriftkultur geschaffenen Institutionen. Diese wiederum beeinflussen r��ckwirkend unser Dasein--das, was wir denken, was wir tun und warum wir es tun; so wie auch alle Werkzeuge, Ger?te und Maschinen und alle Menschen, zu denen wir in Beziehung treten, unser Dasein beeinflussen. Die Interaktion mit anderen Menschen, mit der Natur oder mit Gegenst?nden, die wir geschaffen haben, beeinflussen alle auf ihre Weise die praktische Selbstkonstituierung unserer Identit?t.
Die schriftkulturelle Verwendung von Sprache hat unsere kognitiven F?higkeiten entscheidend erweitert. Vieles unterliegt dieser schriftkulturellen Praxis: Tradition, Kultur, Gedanken und Gef��hle, Literatur, die Herausbildung politischer, wissenschaftlicher und k��nstlerischer Projekte, Moral und Ethik, Justiz. Ich verwende einen weiten Begriff von Schriftkultur, der ihre vielen ��ber die Zeit herausgebildeten Facetten abdecken soll. Wer daran Ansto? nimmt, sollte sich die enormen Wirkungsbereiche der Schriftlichkeit in unserer Kultur vor Augen halten. Das Gegenteil dieses Begriffs ist fast immer mit negativen Konnotationen
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