fragen uns, was wir dagegen tun k?nnen. Eltern glauben, da? bessere Schulen mit besseren Lehrern Abhilfe schaffen k?nnten. Die Lehrer schieben die Schuld auf die Familie und fordern h?here Ausgaben im Bildungssektor. Professoren klagen ��ber schlechte Motivation und Vorbildung der Studienanf?nger. Verleger suchen angesichts der neuen, miteinander konkurrierenden Ausdrucks- und Kommunikationsformen nach neuen Verlagsstrategien. Juristen, Journalisten, Berufssoldaten und Politiker zeigen sich ��ber die Rolle und die Funktion der Sprache in der Gesellschaft besorgt. Vermutlich sind sie jedoch eher besorgt um ihre eigene Rolle und die Funktion der von ihnen repr?sentierten Institutionen in der Gesellschaft und setzen alles daran, die Strukturen einer Lebenspraxis zu festigen, die nicht nur die Schriftkultur, sondern vor allem ihre eigene Machtposition und ihren Einflu? st?rken. Die wenigen, die daran glauben, da? die Schriftkultur nicht nur Fertigkeiten, sondern auch Ideale und Werte vermittelt, sehen gar unsere Zivilisation auf dem Spiel stehen und f��rchten angesichts der abnehmenden traditionellen Bildungsstandards das Schlimmste. Niemand redet von Zukunftschancen und ungeahnten M?glichkeiten.
��ber das Beschreiben der Symptome kommt man dabei nicht hinaus: Abnahme der allgemeinen Lese- und Schreibf?higkeit (in den USA erreicht die sogenannte
functional illiteracy fast 50%); eine alarmierende Zunahme vorgefertigter Sprachh��lsen (Sprachklischees, vorgefertigte Mitteilungen); die verbreitete Vorliebe f��r visuelle Medien anstelle der Sprache (besonders Fernsehen und Video). Neben der Forschung zu diesen Fragen gibt es massive ?ffentliche Kampagnen zur St?rkung aller m?glichen schriftkulturellen Unternehmungen: Unterricht f��r Analphabeten, zus?tzlicher Sprachunterricht auf allen Ebenen und ?ffentlichkeitsarbeit, die f��r dieses Problem sensibilisieren soll. Was immer diese Aktionen bewirken m?gen, sie helfen nicht zu verstehen, da? es sich bei alldem um eine zwangsl?ufige Entwicklung handelt. Die historischen und systematischen Aspekte der Schriftkultur und der zur��ckgehenden Sprachkenntnisse bleiben unbeachtet.
Mein Interesse an diesen Fragen ist durch zwei pers?nliche Umst?nde geweckt worden: Zum einen bin ich in einer osteurop?ischen Kultur aufgewachsen, die trotzig an den strengen Strukturen der Schriftkultur festhielt. Zum andern habe ich den anderen Teil meines bisherigen Lebens dem Bereich gewidmet, den man heute die neuen Technologien nennt. Ich kam schlie?lich in die Vereinigten Staaten, in ein Land mit unstrukturierter und br��chiger Schriftkultur und unglaublicher, zukunftsgerichteter Dynamik. Ich lebte mit denen zusammen, die unter den Folgen eines schlechten Bildungssystems zu leiden hatten und denen gleichzeitig diese neuen M?glichkeiten offenstanden. Die meisten von ihnen hatten keinerlei Kontakt zu dem, was an Schulen und Universit?ten vor sich ging. Das war der Anla? f��r mich, wie f��r viele andere auch, ��ber Alternativen nachzudenken.
Alles, was die Menschen in meiner neuen Lebensumgebung taten--Einkaufen, Arbeiten, Spiel und Sport, Reisen, Kirchgang und selbst die Liebe--, geschah mit einem Gef��hl der Unmittelbarkeit. Als Anbeter des Augenblicks standen meine neuen Landsleute in scharfem Kontrast zu den Menschen des europ?ischen Kontinents, von denen ich kam und deren Ziel in der Dauerhaftigkeit liegt--ihrer Familie, ihrer Arbeit, ihrer Werte, ihrer Arbeitsmittel, ihres Zu Hauses, ihrer Heimat, ihrer Autos und ihrer H?user. In den USA ist alles gegenw?rtig. An Fernsehsendungen und Werbung ist das sofort zu erkennen. Aber auch die Lebensdauer von B��chern wird bestimmt von den Bestsellerlisten. Der Markt feiert heute den Erfolg eines Unternehmens, das es morgen nicht mehr gibt. Alle anderen, wichtigen und allt?glichen, Ereignisse des Lebens, alle Modetrends, die Produkte der Popkultur, ��berhaupt alle Produkte sind dieser Fixierung auf den Augenblick unterworfen. Sprache und Schriftkultur k?nnen sich diesem Prinzip des Wandels nicht entziehen. Als Universit?tsprofessor stand ich an der Front, an der der Kampf um die Schriftkultur ausgetragen wurde. Hier begriff ich, da? bessere Studienpl?ne, besser bezahlte Dozenten und bessere und billigere Lehrb��cher zwar einiges bewirken k?nnten, aber letztlich an der Misere nichts ?ndern w��rden.
Der Niedergang der Schriftkultur ist ein allumfassendes Ph?nomen, das sich nicht auf die Qualit?t des Bildungssystems, auf die Wirtschaftskraft eines Landes, auf den Status sozialer, ethnischer oder religi?ser Gruppen, auf das politische System oder auf die Kulturgeschichte reduzieren l??t. Es gab menschliches Leben vor der Schriftkultur, und es wird es jenseits von ihr geben. Es hat im ��brigen bereits begonnen. Wir sollten nicht vergessen, da? die Schriftkultur eine relativ junge Errungenschaft der Menschen ist. 99% der Menschheitsgeschichte liegen vor der Schriftkultur. Ich bezweifele, da? historische Kontinuit?t eine Voraussetzung der Schriftkultur ist. Wenn wir indessen begreifen, was das Ende der Schriftkultur in seinen praktischen Auswirkungen bedeutet, k?nnen wir die Klagen vergessen und uns aktiv auf eine Zukunft einrichten, von der alle nur profitieren k?nnen. Wenn wir etwas genauere Vorstellungen von dem entwickeln w��rden, was sich am Horizont abzuzeichnen beginnt, k?nnten wir vor allem ein besseres, effektiveres Bildungssystem entwerfen. Wir w��?ten dann auch, was die einzelnen Menschen brauchen, um sich in ihrer Mannigfaltigkeit in dieser Welt erfolgreich zurechtzufinden. Verbesserte menschliche Interaktion, f��r die es mittlerweile ausreichende technologische M?glichkeiten gibt, sollte dabei im Mittelpunkt stehen.
Es liegt nat��rlich eine gewisse Ironie in dem Umstand, da? jede Ver?ffentlichung ��ber die M?glichkeiten jenseits der Schriftkultur ausgerechnet denen, um die es uns dabei besonders geht, nicht zug?nglich ist. Von den vielen Millionen derer, die im Internet aktiv sind, lesen
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