gehen und dort dessen Rückkehr
abzuwarten. Gesagt, getan! Im Hause angekommen, warfen sie sich zur
Erde, nachdem sie Tür und Fenster wohl verwahrt hatten und lauschten
dem Tosen des Sturmes. Der Ältere, ermüdet von des Tages Last und
Arbeit, war bald in Schlaf verfallen; aber der Jüngere konnte kein Auge
schließen, denn das Heulen, Brausen, Rauschen und Krachen war
unheimlich und das Häuschen erzitterte in allen Fugen.
Plötzlich gab es einen fürchterlichen Schlag, als wollte der Sturm das
Haus zertrümmern, die Tür sprang auf und ein eisiger Wind mit einer
riesigen Schneewolke drang herein. Entsetzt starrte Teramichi auf die
Wolke, denn diese bewegte sich auf und ab und nahm endlich
menschliche Gestalt an, die Gestalt einer Frau in weißem Gewande und
wandte sich zu der Stelle, wo Nishikaze schlief; dort beugte sie sich zu
dem Schläfer nieder, ihrem Munde entströmte ein weißer Nebel, der
sich auf das Gesicht des Mannes ausbreitete, dann richtete sie sich auf
und kam auf Teramichi zu, der, unfähig ein Glied zu rühren, die Augen
angstvoll weit geöffnet hielt. Dicht vor ihm angekommen neigte sie
sich nahe auf sein Gesicht und sah ihn ein Weilchen ruhig an; dann
sprach sie leise, ihre Stimme war wie ein Hauch und ihr Gesicht nahm
freundlichere Züge an: »Deinen Kameraden habe ich getötet, wie alles,
das in mein Bereich kommt. Auch du solltest sein Los teilen, doch bist
du noch kein Mann und hast noch nicht gelebt. Drum sei verschont!
Doch diese Schonung wird dir nur so lange Zeit, als du schweigen
kannst. Kommt auch nur ein Wort von dem über deine Lippen, was du
hier erlebtest, -- sei es zu wem es wolle, nicht Vater, nicht Mutter, nicht
Weib noch Kind, niemand, hörst du, niemand darf erfahren, was hier
geschah, -- so treffe ich dich, wo es auch sei! Denke daran!«
[Abbildung]
Nach diesen Worten schwebte sie langsam empor und verschwand
durch die Tür.
Jetzt wich der Bann von dem jungen Manne, er sprang auf, eilte zur Tür
und verschloß sie fest. Dann wandte er sich zu seinem Kameraden und
rief ihn an; doch dieser rührte sich nicht, er war steif und starr, er war
tot, sein Gesicht verklärte ein glückliches Lächeln. Endlich ließ der
Sturm nach und der Morgen brach an und der Fährmann, der nun
zurückkehrte, fand beide Männer in seinem Häuschen und hielt sie für
tot, für erfroren; doch als er sie aufhob, tat Teramichi einen tiefen
Seufzer, schlug die Augen auf und kam bald wieder zu sich, während
Nishikaze tot blieb und begraben wurde.
Der junge Mann aber ging wieder seinem Berufe nach und wanderte
tagtäglich in den Wald, erzählte niemand sein Abenteuer, das er mit der
Schneefrau, denn eine solche war es, wie ihm zur Gewißheit wurde,
hatte. So gingen zwei Jahre dahin.
Als er eines Abends nach vollbrachtem Tagewerk wieder heimwärts
wanderte, begegnete ihm ein junges hübsches Mädchen, das ihm so
gefiel, daß er sich in ein Gespräch einließ. Das Mädchen erzählte ihm,
daß es Waise sei und zu entfernt wohnenden Verwandten wandern
wolle, wo es hoffe aufgenommen zu werden.
Als das Paar nahe dem Dorfe war, in dem Teramichi wohnte, sprach
dieser zu dem Mädchen:
»Es ist jetzt Abend und kalt und die Wege sind unsicher; komm mit in
meine armselige Hütte und nimm teil an dem bescheidenen Mahle, das
meine Mutter bereitet hat! Ruhe dich dann aus und so du willst, kannst
du morgen früh deine Wanderung fortsetzen!«
Das Mädchen, das sich »Juki« nannte, nahm dies Anerbieten an und
begleitete den jungen Mann in sein Haus, wo die Mutter ihm eine
freundliche Aufnahme bereitete. Als es sich ausgeruht hatte und am
andern Morgen sich wieder auf den Weg machen wollte, bat die Mutter,
es möge doch noch einige Tage bleiben und wenn es niemand in der
Welt habe, der es erwarte, so möge es bleiben, so lang es wolle und ihr
etwas zur Hand gehen, da sie selbst schon alt sei und sich schon längst
eine Stütze im Hause gewünscht habe. Da auch Teramichi, der zu dem
Mädchen in heißer Liebe entbrannt war, sich den Bitten seiner Mutter
anschloß, so schlug es ein und blieb im Hause.
Wie es nun so geht, wenn ein Mann einem Mädchen mit reiner Liebe
zugetan, daß das Mädchen schließlich auch Liebe empfindet, so war es
auch hier und es dauerte nicht lange Zeit, so hatten sich beide ihre
Liebe erklärt und Teramichi und Juki wurden ein Paar.
Juki war stets eine brave Frau und verehrte ihre Schwiegermutter in
kindlicher Liebe bis diese starb; dann widmete sie sich nur ihrem
Manne und ihren Kindern, von denen sie im Laufe der Jahre ihrem
Gatten zehn geschenkt hatte. Die Kinder blühten und gediehen und
wuchsen heran; keine Krankheit, kein Unglück störte den Frieden und
das Glück dieser Ehe, die jedermann als die beste im ganzen Lande
pries.
Als ganz besonderes
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