Italienische Reise, vol 2 | Page 5

Johann Wolfgang von Goethe
begreifen, da? etwas ?hnliches in der Welt nicht sein kann. Der Himmel war rein und hell, der Mond schien und d?mpfte das Feuer der Lampen zum angenehmen Schein, zuletzt aber, wie alles durch die zweite Erleuchtung in Glut gesetzt wurde, ward das Licht des Mondes ausgel?scht. Das Feuerwerk ist wegen des Ortes sch?n, doch lange nicht verh?ltnism??ig zur Erleuchtung. Heute abend sehen wir beides noch einmal.

Auch das ist vorüber. Es war ein sch?ner klarer Himmel und der Mond voll, dadurch ward die Erleuchtung sanfter, und es sah ganz aus wie ein M?rchen. Die sch?ne Form der Kirche und der Kuppel gleichsam in einem feurigen Aufri? zu sehen, ist ein gro?er und reizender Anblick.
Rom, Ende Juni.
Ich habe mich in eine zu gro?e Schule begeben, als da? ich geschwind wieder aus der Lehre gehen dürfte. Meine Kunstkenntnisse, meine kleinen Talente müssen hier ganz durchgearbeitet, ganz reif werden, sonst bring' ich wieder euch einen halben Freund zurück, und das Sehnen, Bemühen, Krabbeln und Schleichen geht von neuem an. Ich würde nicht fertig werden, wenn ich euch erz?hlen sollte, wie mir auch wieder alles diesen Monat hier geglückt ist, ja, wie mir alles auf einem Teller ist pr?sentiert worden, was ich nur gewünscht habe. Ich habe ein sch?nes Quartier, gute Hausleute. Tischbein geht nach Neapel, und ich beziehe sein Studium, einen gro?en kühlen Saal. Wenn ihr mein gedenkt, so denkt an mich als an einen Glücklichen; ich will oft schreiben, und so sind und bleiben wir zusammen.
Auch neue Gedanken und Einf?lle hab' ich genug, ich finde meine erste Jugend bis auf Kleinigkeiten wieder, indem ich mir selbst überlassen bin, und dann tr?gt mich die H?he und Würde der Gegenst?nde wieder so hoch und weit, als meine letzte Existenz nur reicht. Mein Auge bildet sich unglaublich, und meine Hand soll nicht ganz zurückbleiben. Es ist nur ein Rom in der Welt, und ich befinde mich hier wie der Fisch im Wasser und schwimme oben wie eine Stückkugel im Quecksilber, die in jedem andern Fluidum untergeht. Nichts trübt die Atmosph?re meiner Gedanken, als da? ich mein Glück nicht mit meinen Geliebten teilen kann. Der Himmel ist jetzt herrlich heiter, so da? Rom nur morgens und abends einigen Nebel hat. Auf den Gebirgen aber, Albano, Castello, Frascati, wo ich vergangene Woche drei Tage zubrachte, ist eine immer heitre reine Luft. Da ist eine Natur zu studieren.

Blick vom Pincio in Rom. Zeichnung von Goethe

Bemerkung
Indem ich nun meine Mitteilungen den damaligen Zust?nden, Eindrücken und Gefühlen gem?? einrichten m?chte und daher aus eigenen Briefen, welche freilich mehr als irgendeine sp?tere Erz?hlung das Eigentümliche des Augenblicks darstellen, die allgemein interessanten Stellen auszuziehen anfange, so find' ich auch Freundesbriefe mir unter der Hand, welche hiezu noch vorzüglicher dienen m?chten. Deshalb ich denn solche briefliche Dokumente hie und da einzuschalten mich entschlie?e und hier sogleich damit beginne, von dem aus Rom scheidenden, in Neapel anlangenden Tischbein die lebhaftesten Erz?hlungen einzuführen. Sie gew?hren den Vorteil, den Leser sogleich in jene Gegenden und in die unmittelbarsten Verh?ltnisse der Personen zu versetzen, besonders auch den Charakter des Künstlers aufzukl?ren, der so lange bedeutend gewirkt, und, wenn er auch mitunter gar wunderlich erscheinen mochte, doch immer so in seinem Bestreben als in seinem Leisten ein dankbares Erinnern verdient.
Tischbein an Goethe
Neapel, den 10. Juli 1787.
Unsere Reise von Rom bis Capua war sehr glücklich und angenehm. In Albano kam Hackert zu uns; in Velletri speisten wir bei Kardinal Borgia und besahen dessen Museum, zu meinem besondern Vergnügen, weil ich manches bemerkte, das ich im ersten Mal übergangen hatte. Um drei Uhr nachmittags reisten wir wieder ab, durch die pontinischen Sümpfe, die mir dieses Mal auch viel besser gefielen als im Winter, weil die grünen B?ume und Hecken diesen gro?en Ebenen eine anmutige Verschiedenheit geben. Wir fanden uns kurz vor der Abendd?mmerung in Mitte der Sümpfe, wo die Post wechselt. W?hrend der Zeit aber, als die Postillons alle Beredsamkeit anwendeten, uns Geld abzun?tigen, fand ein mutiger Schimmelhengst Gelegenheit, sich loszurei?en und fortzurennen; das gab ein Schauspiel, welches uns viel Vergnügen machte. Es war ein schneewei?es sch?nes Pferd von pr?chtiger Gestalt; er zerri? die Zügel, womit er angebunden war, hackte mit den Vorderfü?en nach dem, der ihn aufhalten wollte, schlug hinten aus und machte ein solches Geschrei mit Wiehern, da? alles aus Furcht beiseitetrat. Nun sprang er übern Graben und galoppierte über das Feld, best?ndig schnaubend und wiehernd. Schweif und M?hnen flatterten hoch in die Luft auf, und seine Gestalt in freier Bewegung war so sch?n, da? alles ausrief: "O che bellezze! che bellezze!" Dann lief er nah an einem andern Graben hin und wider und suchte eine schmale Stelle, um überzuspringen und zu den Fohlen und Stuten zu kommen, deren viele hundert jenseits weideten. Endlich gelang es ihm, hinüberzuspringen, und nun setzte er unter die Stuten, die ruhig graseten. Die erschraken vor seiner Wildheit und seinem Geschrei, liefen in langer
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