Iphigenie auf Tauris | Page 2

Johann Wolfgang von Goethe
besser Loos,?Seitdem der Koenig, der uns weis' und tapfer?So lang gefuehret, nun sich auch der Milde?In deiner Gegenwart erfreut und uns?Des schweigenden Gehorsams Pflicht erleichtert??Das nennst du unnuetz, wenn von deinem Wesen?Auf Tausende herab ein Balsam traeufelt??Wenn du dem Volke, dem ein Gott dich brachte,?Des neuen Glueckes ew'ge Quelle wirst,?Und an dem unwirthbaren Todes-Ufer?Dem Fremden Heil und Rueckkehr zubereitest?
Iphigenie.?Das Wenige verschwindet leicht dem Blick,?Der vorwaerts sieht, wie viel noch uebrig bleibt.
Arkas.?Doch lobst du den, der was er thut nicht schaetzt?
Iphigenie.?Man tadelt den, der seine Thaten waegt.
Arkas.?Auch den, der wahren Werth zu stolz nicht achtet,?Wie den, der falschen Werth zu eitel hebt.?Glaub' mir und hoer' auf eines Mannes Wort,?Der Treu und redlich dir ergeben ist:?Wenn heut der Koenig mit dir redet, so?Erleichtr' ihm was er dir zu sagen denkt.
Iphigenie.?Du aengstest mich mit jedem guten Worte;?Oft wich ich seinem Antrag muehsam aus.
Arkas.?Bedenke was du thust und was dir nuetzt.?Seitdem der Koenig seinen Sohn verloren,?Vertraut er wenigen der Seinen mehr,?Und diesen wenigen nicht mehr wie sonst.?Missguenstig sieht er jedes Edeln Sohn?Als seines Reiches Folger an, er fuerchtet?Ein einsam huelflos Alter, ja vielleicht?Verwegnen Aufstand und fruehzeit'gen Tod.?Der Scythe setzt in's Reden keinen Vorzug,?Am wenigsten der Koenig. Er, der nur?Gewohnt ist zu befehlen und zu thun,?Kennt nicht die Kunst, von weitem ein Gespraech?Nach seiner Absicht langsam fein zu lenken.?Erschwer's ihm nicht durch ein rueckhaltend Weigern,?Durch ein vorsetzlich Missverstehen. Geh?Gefaellig ihm den halben Weg entgegen.
Iphigenie.?Soll ich beschleunigen was mich bedroht?
Arkas.?Willst du sein Werben eine Drohung nennen?
Iphigenie.?Es ist die schrecklichste von allen mir.
Arkas.?Gib ihm fuer seine Neigung nur Vertraun.
Iphigenie.?Wenn er von Furcht erst meine Seele loes't.
Arkas.?Warum verschweigst du deine Herkunft ihm?
Iphigenie.?Weil einer Priesterin Geheimniss ziemt.
Arkas.?Dem Koenig sollte nichts Geheimniss sein;?Und ob er's gleich nicht fordert, fuehlt er's doch?Und fuehlt es tief in seiner grossen Seele,?Dass du sorgfaeltig dich vor ihm verwahrst.
Iphigenie.?Naehrt er Verdruss und Unmuth gegen mich?
Arkas.?So scheint es fast. Zwar schweigt er auch von dir;?Doch haben hingeworfne Worte mich?Belehrt, dass seine Seele fest den Wunsch?Ergriffen hat dich zu besitzen. Lass,?O ueberlass ihn nicht sich selbst! damit?In seinem Busen nicht der Unmuth reife?Und dir Entsetzen bringe, du zu spaet?An meinen treuen Rath mit Reue denkest.
Iphigenie.?Wie? Sinnt der Koenig, was kein edler Mann,?Der seinen Namen liebt und dem Verehrung?Der Himmlischen den Busen Baendiget,?Je denken sollte? Sinnt er vom Altar?Mich in sein Bette mit Gewalt zu ziehn??So ruf' ich alle Goetter und vor allen?Dianen, die entschloss'ne Goettin, an,?Die ihren Schutz der Priesterin gewiss?Und Jungfrau einer Jungfrau gern gewaehrt.
Arkas.?Sei ruhig! Ein gewaltsam neues Blut?Treibt nicht den Koenig, solche Juenglingsthat?Verwegen auszuueben. Wie er sinnt,?Befuercht' ich andern harten Schluss von ihm,?Den unaufhaltbar er vollenden wird:?Denn seine Seel' ist fest und unbeweglich.?Drum bitt' ich dich, vertrau' ihm, sei ihm dankbar,?Wenn du ihm weiter nichts gewaehren kannst.
Iphigenie.?O sage was dir weiter noch bekannt ist.
Arkas.?Erfahr's von ihm. Ich seh' den Koenig kommen;?Du ehrst ihn, und dich heisst dein eigen Herz,?Ihm freundlich und vertraulich zu begegnen.?Ein edler Mann wird durch ein gutes Wort?Der Frauen weit gefuehrt.
Iphigenie (allein).
Zwar seh' ich nicht,?Wie ich dem Rath des Treuen folgen soll;?Doch folg' ich gern der Pflicht, dem Koenige?Fuer seine Wohlthat gutes Wort zu geben,?Und wuensche mir, dass ich dem Maechtigen,?Was ihm gefaellt, mit Wahrheit sagen moege.
Dritter Auftritt.
Iphigenie. Thoas.
Iphigenie.?Mit koeniglichen Guetern segne dich?Die Goettin! Sie gewaehre Sieg und Ruhm?Und Reichthum und das Wohl der Deinigen?Und jedes frommen Wunsches Fuelle dir!?Dass, der du ueber viele sorgend herrschest,?Du auch vor vielen seltnes Glueck geniessest.
Thoas.?Zufrieden waer' ich wenn mein Volk mich ruehmte:?Was ich erwarb, geniessen andre mehr?Als ich. Der ist am gluecklichsten, er sei?Ein Koenig oder ein Geringer, dem?In seinem Hause Wohl bereitet ist.?Du nahmest Theil an meinen tiefen Schmerzen,?Als mir das Schwert der Feinde meinen Sohn,?Den letzten, besten, von der Seite riss.?So lang die Rache meinen Geist besass,?Empfand ich nicht die oede meiner Wohnung;?Doch jetzt, da ich befriedigt wiederkehre,?Ihr Reich zerstoert, mein Sohn gerochen ist,?Bleibt mir zu Hause nichts das mich ergetze.?Der froehliche Gehorsam, den ich sonst?Aus einem jeden Auge blicken sah,?Ist nun von Sorg' und Unmuth still gedaempft.?Ein jeder sinnt was kuenftig werden wird,?Und folgt dem Kinderlosen, weil er muss.?Nun komm' ich heut in diesen Tempel, den?Ich oft betrat, um Sieg zu bitten und?Fuer Sieg zu danken. Einen alten Wunsch?Trag' ich im Busen, der auch dir nicht fremd?Noch unerwartet ist: ich hoffe, dich,?Zum Segen meines Volks und mir zum Segen,?Als Braut in meine Wohnung einzufuehren.
Iphigenie.?Der Unbekannten bietest du zu viel,?O Koenig, an. Es steht die Fluechtige?Beschaemt vor dir, die nichts an diesem Ufer?Als Schutz und Ruhe sucht, die du ihr gabst.
Thoas.?Dass du in das Geheimniss deiner Ankunft?Vor mir wie vor dem Letzten stets dich huellest,?Waer' unter keinem Volke recht und gut.?Diess Ufer schreckt die Fremden: das Gesetz?Gebietet's und die Noth. Allein von dir,?Die jedes frommen Rechts geniesst, ein wohl?Von uns empfangner Gast, nach eignem Sinn?Und Willen ihres Tages sich erfreut,?Von dir hofft' ich Vertrauen, das der Wirth?Fuer seine Treue wohl erwarten darf.
Iphigenie.?Verbarg ich meiner Eltern Namen und?Mein Haus, o Koenig, war's Verlegenheit,?Nicht
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