Immensee | Page 9

Theodor W. Storm
zu werden, je n?her sie dem Hofe kamen.
An der linken Seite des Weges h?rten nun auch die Weing?rten auf und machten einem weitl?ufigen K��chengarten Platz, der sich bis fast an das Ufer des Sees hinabzog. Der Storch hatte sich mittlerweile niedergelassen und spazierte gravit?tisch zwischen den Gem��sebeeten umher.
?Hollah!" rief Erich, in die H?nde klatschend, ?stiehlt mir der hochbeinige ?gypter schon wieder meine kurzen Erbsenstangen!"
Der Vogel erhob sich langsam und flog auf das Dach eines neuen Geb?udes, das am Ende des K��chengartens lag und dessen Mauern mit aufgebundenen Pfirsich- und Aprikosenb?umen ��berzweigt waren.
?Das ist die Spritfabrik," sagte Erich; ?ich habe sie erst vor zwei Jahren angelegt. Die Wirtschaftsgeb?ude hat mein seliger Vater neu aussetzen lassen; das Wohnhaus ist schon von meinem Gro?vater gebaut worden. So kommt man immer ein bi?chen weiter."
Sie waren bei diesen Worten auf einen ger?umigen Platz gekommen, der an den Seiten durch die l?ndlichen Wirtschaftsgeb?ude, im Hintergrunde durch das Herrenhaus begrenzt wurde, an dessen beide Fl��gel sich eine hohe Gartenmauer anschlo?; hinter dieser sah man die Z��ge dunkler Taxusw?nde und hin und wieder lie?en Syringenb?ume ihre bl��henden Zweige in den Hofraum hinunterh?ngen.
M?nner mit sonnen- und arbeitshei?en Gesichtern gingen ��ber den Platz und gr��?ten die Freunde, w?hrend Erich dem einen oder dem andern einen Auftrag oder eine Frage ��ber ihr Tagewerk entgegenrief.
Dann hatten sie das Haus erreicht. Ein hoher, k��hler Hausflur nahm sie auf, an dessen Ende sie links in einen etwas dunkleren Seitengang einbogen.
Hier ?ffnete Erich eine T��r, und sie traten in einen ger?umigen Gartensaal, der durch das Laubgedr?nge, welches die gegen��berliegenden Fenster bedeckte, zu beiden Seiten mit gr��ner D?mmerung erf��llt war; zwischen diesen aber lie?en zwei hohe, weit ge?ffnete Fl��gelt��ren den vollen Glanz der Fr��hlingssonne hereinfallen und gew?hrten die Aussicht in einen Garten mit gezirkelten Blumenbeeten und hohen steilen Laubw?nden, geteilt durch einen geraden, breiten Gang, durch welchen man auf den See und weiter auf die gegen��berliegenden W?lder hinaussah.
Als die Freunde hineintraten, trug die Zugluft ihnen einen Strom von Duft entgegen.
Auf einer Terrasse vor der Gartent��r sa? eine wei?e, m?dchenhafte Frauengestalt. Sie stand auf und ging den Eintretenden entgegen; auf halbem Wege blieb sie wie angewurzelt stehen und starrte den Fremden unbeweglich an. Er streckte ihr l?chelnd die Hand entgegen.
?Reinhard!" rief sie, ?Reinhard! Mein Gott, du bist es!--Wir haben uns lange nicht gesehen."
?Lange nicht," sagte er und konnte nichts weiter sagen; denn als er ihre Stimme h?rte, f��hlte er einen feinen k?rperlichen Schmerz am Herzen, und wie er zu ihr aufblickte, stand sie vor ihm, dieselbe leichte z?rtliche Gestalt, der er vor Jahren in seiner Vaterstadt Lebewohl gesagt hatte.
Erich war mit freudestrahlendem Antlitz an der T��r zur��ckgeblieben.
?Nun, Elisabeth?" sagte er; ?gelt! den h?ttest du nicht erwartet, den in alle Ewigkeit nicht!"
Elisabeth sah ihn mit schwesterlichen Augen an.
?Du bist so gut, Erich!" sagte sie.
Er nahm ihre schmale Hand liebkosend in die seinen. ?Und nun wir ihn haben," sagte er, ?nun lassen wir ihn so bald nicht wieder los. Er ist so lange drau?en gewesen; wir wollen ihn wieder heimisch machen. Schau nur, wie fremd und vornehm aussehend er worden ist!"
Ein scheuer Blick Elisabeths streifte Reinhards Antlitz. ?Es ist nur die Zeit, die wir nicht beisammen waren," sagte er.
In diesem Augenblick kam die Mutter, mit einem Schl��sselk?rbchen am Arm, zur T��r herein.
?Herr Werner!" sagte sie, als sie Reinhard erblickte; ?ei, ein eben so lieber als unerwarteter Gast."
Und nun ging die Unterhaltung in Fragen und Antworten ihren ebenen Tritt. Die Frauen setzten sich zu ihrer Arbeit, und w?hrend Reinhard die f��r ihn bereiteten Erfrischungen geno?, hatte Erich seinen soliden Meerschaumkopf angebrannt und sa? dampfend und diskutierend an seiner Seite.
Am andern Tage mu?te Reinhard mit ihm hinaus auf die ?cker, in die Weinberge, in den Hopfengarten, in die Spritfabrik. Es war alles wohl bestellt; die Leute, welche auf dem Felde und bei den Kesseln arbeiteten, hatten alle ein gesundes und zufriedenes Aussehen.
Zu Mittag kam die Familie im Gartensaal zusammen, und der Tag wurde dann, je nach der Mu?e der Wirte, mehr oder minder gemeinschaftlich verlebt. Nur die Stunden vor dem Abendessen, wie die ersten des Vormittags, blieb Reinhard arbeitend auf seinem Zimmer.
Er hatte seit Jahren, wo er deren habhaft werden konnte, die im Volke lebenden Reime und Lieder gesammelt und ging nun daran, seinen Schatz zu ordnen und wo m?glich mit neuen Aufzeichnungen aus der Umgegend zu vermehren.
Elisabeth war zu allen Zeiten sanft und freundlich; Erichs immer gleichbleibende Aufmerksamkeit nahm sie mit einer fast dem��tigen Dankbarkeit auf, und Reinhard dachte mitunter, das heitere Kind von ehedem habe wohl eine weniger stille Frau versprochen.
Seit dem zweiten Tage seines Hierseins pflegte er abends einen Spaziergang an den Ufern des Sees zu machen. Der Weg f��hrte hart unter dem Garten vorbei. Am Ende desselben, auf einer vorspringenden Bastei, stand eine Bank unter hohen Birken; die Mutter hatte sie die Abendbank getauft, weil der Platz gegen Abend lag und des Sonnenuntergangs halber um diese Zeit
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