auch nichts. Und nun habt ihr für diesen Tag gute Lehren
genug; wenn ihr nun noch Erdbeeren dazu habt, so werdet ihr für heute
schon durchs Leben kommen."
Die Jungen waren derselben Meinung und begannen sich paarweise auf
die Fahrt zu machen.
„Komm, Elisabeth," sagte Reinhard, „ich weiß einen Erdbeerenschlag;
du sollst kein trockenes Brot essen."
Elisabeth knüpfte die grünen Bänder ihres Strohhuts zusammen und
hing ihn über den Arm. „So komm," sagte sie, „der Korb ist fertig."
Dann gingen sie in den Wald hinein, tiefer und tiefer; durch feuchte
Baumschatten, wo alles still war, nur unsichtbar über ihnen in den
Lüften das Geschrei der Falken; dann wieder durch dichtes Gestrüpp,
so dicht, daß Reinhard vorangehen mußte, um einen Pfad zu machen,
hier einen Zweig zu knicken, dort eine Ranke beiseite zu biegen. Bald
aber hörte er hinter sich Elisabeth seinen Namen rufen. Er wandte sich
um.
„Reinhard!" rief sie, „warte doch, Reinhard!"
Er konnte sie nicht gewahr werden; endlich sah er sie in einiger
Entfernung mit den Sträuchern kämpfen; ihr feines Köpfchen
schwamm nur kaum über den Spitzen der Farnkräuter. Nun ging er
noch einmal zurück und führte sie durch das Wirrnis der Kräuter und
Stauden auf einen freien Platz hinaus, wo blaue Falter zwischen den
einsamen Waldblumen flatterten.
Reinhard strich ihr die feuchten Haare aus dem erhitzten Gesichtchen;
dann wollte er ihr den Strohhut aufsetzen, und sie wollte es nicht leiden;
aber dann bat er sie, und nun ließ sie es doch geschehen.
„Wo bleiben denn aber deine Erdbeeren?" fragte sie endlich, indem sie
stehen blieb und einen tiefen Atemzug tat.
„Hier haben sie gestanden," sagte er, „aber die Kröten sind uns
zuvorgekommen oder die Marder oder vielleicht die Elfen."
„Ja," sagte Elisabeth, „die Blätter stehen noch da; aber sprich hier nicht
von Elfen. Komm nur, ich bin noch gar nicht müde; wir wollen weiter
suchen."
Vor ihnen war ein kleiner Bach, jenseits wieder der Wald. Reinhard
hob Elisabeth auf seine Arme und trug sie hinüber. Nach einer Weile
traten sie aus dem schattigen Laube wieder in eine weite Lichtung
hinaus.
„Hier müssen Erdbeeren sein," sagte das Mädchen, „es duftet so süß.
Sie gingen suchend durch den sonnigen Raum; aber sie fanden keine.
„Nein," sagte Reinhard, „es ist nur der Duft des Heidekrautes."
Himbeerbüsche und Hülsendorn standen überall durcheinander, ein
starker Geruch von Heidekräutern, welche abwechselnd mit kurzem
Grase die freien Stellen des Bodens bedeckten, erfüllte die Luft.
„Hier ist es einsam," sagte Elisabeth; „wo mögen die andern sein?"
An den Rückweg hatte Reinhard nicht gedacht.
„Warte nur: woher kommt der Wind?" sagte er und hob seine Hand in
die Höhe. Aber es kam kein Wind.
„Still," sagte Elisabeth, „mich dünkt, ich hörte sie sprechen. Rufe
einmal dahinunter."
Reinhard rief durch die hohle Hand. „Kommt hierher!"
„Hierher!" rief es zurück.
„Sie antworteten!" sagte Elisabeth und klatschte in die Hände.
„Nein, es war nichts, es war nur der Widerhall."
Elisabeth faßte Reinhards Hand. „Mir graut!" sagte sie.
„Nein," sagte Reinhard, „das muß es nicht. Hier ist es prächtig. Setz
dich dort in den Schatten zwischen die Kräuter. Laß uns eine Weile
ausruhen; wir finden die andern schon."
Elisabeth setzte sich unter eine überhängende Buche und lauschte
aufmerksam nach allen Seiten; Reinhard saß einige Schritte davon auf
einem Baumstumpf und sah schweigend nach ihr hinüber.
Die Sonne stand gerade über ihnen; es war glühende Mittagshitze;
kleine goldglänzende, stahlblaue Fliegen standen flügelschwingend in
der Luft; rings um sie her ein feines Schwirren und Summen, und
manchmal hörte man tief im Walde das Hämmern der Spechte und das
Kreischen der andern Waldvögel.
„Horch," sagte Elisabeth, „es läutet."
„Wo?" fragte Reinhard.
„Hinter uns. Hörst du? Es ist Mittag."
„Dann liegt hinter uns die Stadt, und wenn wir in dieser Richtung
gerade durchgehen, so müssen wir die andern treffen."
So traten sie ihren Rückweg an; das Erdbeerensuchen hatten sie
aufgegeben, denn Elisabeth war müde geworden. Endlich klang
zwischen den Bäumen hindurch das Lachen der Gesellschaft; dann
sahen sie auch ein weißes Tuch am Boden schimmern, das war die
Tafel, und darauf standen Erdbeeren in Hülle und Fülle.
Der alte Herr hatte eine Serviette im Knopfloch und hielt den Jungen
die Fortsetzung seiner moralischen Reden, während er eifrig an einem
Braten herumtranchierte.
„Da sind die Nachzügler," riefen die Jungen, als sie Reinhard und
Elisabeth durch die Bäume kommen sahen.
„Hierher!" rief der alte Herr, „Tücher ausgeleert, Hüte umgekehrt! Nun
zeigt her, was ihr gefunden habt."
„Hunger und Durst!" sagte Reinhard.
„Wenn, das alles ist," erwiderte der Alte und hob ihnen die volle
Schüssel entgegen, „so müßt ihr es auch behalten. Ihr kennt die Abrede;
hier werden keine Müßiggänger gefüttert."
Endlich ließ er sich aber doch erbitten, und nun wurde Tafel gehalten;
dazu schlug die Drossel aus den Wacholderbüschen.
So ging der Tag hin.--Reinhard hatte aber doch etwas gefunden; waren
es keine Erdbeeren, so war es doch auch im
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