Immensee

Theodor W. Storm
Immensee, by Theodor W. Storm

The Project Gutenberg EBook of Immensee, by Theodor W. Storm
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Title: Immensee
Author: Theodor W. Storm
Release Date: October, 2004 [EBook #6651] [Yes, we are more than
one year ahead of schedule] [This file was first posted on January 9,
2003]

Edition: 10
Language: German
Character set encoding: ISO-Latin-1
*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK,
IMMENSEE ***

Delphine Lettau, Charles Franks, and the Online Distributed
Proofreading Team.

IMMENSEE
VON
THEODOR W. STORM

VORREDE
Wir befinden uns am Anfang einer neuen Ära, deren hauptsächliches
Kennzeichen hoffentlich eine allgemeine Annäherung der Nationen
unter einander sein wird. Immer mehr wird es als Notwendigkeit
empfunden, daß wir uns gegenseitig besser kennen und verstehen
lernen. Daraus ergiebt sich, daß das Erlernen der fremden Sprachen
immer eine wichtigere Rolle spielen wird; denn soweit die Sprache, die
Literatur und die Musik in Betracht kommen, kann man mit vollem
Recht behaupten: fas est et ab hoste doceri.
Also werden diejenigen, welche sich mit der Sprache irgend eines
Nachbarvolkes vertraut machen wollen, oder ihre vor längerer Zeit
erworbenen Kenntnisse schon teilweise verlernt haben sollten, diese
Ausgabe willkommen heißen, welche sie in den Stand setzen wird,
derartigen Sprachstudien die Zeit zu widmen, über welche sie im Laufe

des Tages für solche Zwecke verfügen können, ohne auf große und
schwere Wörterbücher angewiesen zu sein.
Die Wahl der Texte hat nicht nur ihr literarischer Wert beeinflußt,
sondern auch die Nützlichkeit ihres Wortschatzes, und gleicherweise
im Bezug auf die Übersetzungen wurde es bezweckt, mit einem
vornehmen Stil die möglichste Worttreue zu vereinigen.

EINLEITUNG
THEODOR W. STORM, Dichter und Novellist (1817-1888), stammte
aus Schleswig, ließ sich 1842 als Advokat in seiner Vaterstadt Husum
nieder, verlor aber 1853 als „Deutschgesinnter" sein Amt, und mußte
sich nach Deutschland wenden. Erst 1864 durfte er nach Husum
zurückkehren, wo er 1874 zum Oberamtsrichter befördert wurde.
Schon 1843 machte er sich als Lyriker und Romantiker bekannt, nahm
aber erst als Novellist eine hervorragende Stellung ein, und zwar als er
1852 mit der Erzählung Immensee aufs glücklichste debütierte.
In der langen Reihe von phantasie- und gemütsreichen Novellen, die
darauf folgten, und deren Stoff meist aus dem ländlichen und
bürgerlichen Kleinleben seiner nächsten Umgebung entnommen ist, hat
er nichts geschrieben, das diese anmutige Erzählung an Tiefe und
Zartheit der Empfindung übertrifft; und ist die deutsche Literatur an
Novellendichtung außerordentlich reich, so zählt doch Storm überhaupt
noch heute unter den Meistern.

DER ALTE
An einem Spätherbstnachmittage ging ein alter wohlgekleideter Mann
langsam die Straße hinab. Er schien von einem Spaziergange nach
Hause zurückzukehren, denn seine Schnallenschuhe, die einer
vorübergegangenen Mode angehörten, waren bestäubt.

Den langen Rohrstock mit goldenem Knopf trug er unter dem Arm; mit
seinen dunklen Augen, in welche sich die ganze verlorene Jugend
gerettet zu haben schien, und welche eigentümlich von den
schneeweißen Haaren abstachen, sah er ruhig umher oder in die Stadt
hinab, welche im Abendsonnendufte vor ihm lag.
Er schien fast ein Fremder, denn von den Vorübergehenden grüßten ihn
nur wenige, obgleich mancher unwillkürlich in diese ernsten Augen zu
sehen gezwungen wurde.
Endlich stand er vor einem hohen Giebelhause still, sah noch einmal in
die Stadt hinaus und trat dann in die Hausdiele. Bei dem Schall der
Türglocke wurde drinnen in der Stube von einem Guckfenster, welches
nach der Diele hinausging, der grüne Vorhang weggeschoben und das
Gesicht einer alten Frau dahinter sichtbar. Der Mann winkte ihr mit
seinem Rohrstock.
„Noch kein Licht!" sagte er in einem etwas südlichen Akzent, und die
Haushälterin ließ den Vorhang wieder fallen.
Der Alte ging nun über die weite Hausdiele, durch einen Pesel, wo
große eichene Schränke mit Porzellanvasen an den Wänden standen;
durch die gegenüberstehende Tür trat er in einen kleinen Flur, von wo
aus eine enge Treppe zu den obern Zimmern des Hinterhauses führte.
Er stieg sie langsam hinauf, schloß oben eine Tür auf und trat dann in
ein mäßig großes Zimmer.
Hier war es heimlich und still; die eine Wand war fast mit Repositorien
und Bücherschränken
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