Immensee | Page 4

Theodor W. Storm
tiefer; durch feuchte Baumschatten, wo alles still war, nur unsichtbar ��ber ihnen in den L��ften das Geschrei der Falken; dann wieder durch dichtes Gestr��pp, so dicht, da? Reinhard vorangehen mu?te, um einen Pfad zu machen, hier einen Zweig zu knicken, dort eine Ranke beiseite zu biegen. Bald aber h?rte er hinter sich Elisabeth seinen Namen rufen. Er wandte sich um.
?Reinhard!" rief sie, ?warte doch, Reinhard!"
Er konnte sie nicht gewahr werden; endlich sah er sie in einiger Entfernung mit den Str?uchern k?mpfen; ihr feines K?pfchen schwamm nur kaum ��ber den Spitzen der Farnkr?uter. Nun ging er noch einmal zur��ck und f��hrte sie durch das Wirrnis der Kr?uter und Stauden auf einen freien Platz hinaus, wo blaue Falter zwischen den einsamen Waldblumen flatterten.
Reinhard strich ihr die feuchten Haare aus dem erhitzten Gesichtchen; dann wollte er ihr den Strohhut aufsetzen, und sie wollte es nicht leiden; aber dann bat er sie, und nun lie? sie es doch geschehen.
?Wo bleiben denn aber deine Erdbeeren?" fragte sie endlich, indem sie stehen blieb und einen tiefen Atemzug tat.
?Hier haben sie gestanden," sagte er, ?aber die Kr?ten sind uns zuvorgekommen oder die Marder oder vielleicht die Elfen."
?Ja," sagte Elisabeth, ?die Bl?tter stehen noch da; aber sprich hier nicht von Elfen. Komm nur, ich bin noch gar nicht m��de; wir wollen weiter suchen."
Vor ihnen war ein kleiner Bach, jenseits wieder der Wald. Reinhard hob Elisabeth auf seine Arme und trug sie hin��ber. Nach einer Weile traten sie aus dem schattigen Laube wieder in eine weite Lichtung hinaus.
?Hier m��ssen Erdbeeren sein," sagte das M?dchen, ?es duftet so s��?.
Sie gingen suchend durch den sonnigen Raum; aber sie fanden keine. ?Nein," sagte Reinhard, ?es ist nur der Duft des Heidekrautes."
Himbeerb��sche und H��lsendorn standen ��berall durcheinander, ein starker Geruch von Heidekr?utern, welche abwechselnd mit kurzem Grase die freien Stellen des Bodens bedeckten, erf��llte die Luft.
?Hier ist es einsam," sagte Elisabeth; ?wo m?gen die andern sein?"
An den R��ckweg hatte Reinhard nicht gedacht.
?Warte nur: woher kommt der Wind?" sagte er und hob seine Hand in die H?he. Aber es kam kein Wind.
?Still," sagte Elisabeth, ?mich d��nkt, ich h?rte sie sprechen. Rufe einmal dahinunter."
Reinhard rief durch die hohle Hand. ?Kommt hierher!"
?Hierher!" rief es zur��ck.
?Sie antworteten!" sagte Elisabeth und klatschte in die H?nde.
?Nein, es war nichts, es war nur der Widerhall."
Elisabeth fa?te Reinhards Hand. ?Mir graut!" sagte sie.
?Nein," sagte Reinhard, ?das mu? es nicht. Hier ist es pr?chtig. Setz dich dort in den Schatten zwischen die Kr?uter. La? uns eine Weile ausruhen; wir finden die andern schon."
Elisabeth setzte sich unter eine ��berh?ngende Buche und lauschte aufmerksam nach allen Seiten; Reinhard sa? einige Schritte davon auf einem Baumstumpf und sah schweigend nach ihr hin��ber.
Die Sonne stand gerade ��ber ihnen; es war gl��hende Mittagshitze; kleine goldgl?nzende, stahlblaue Fliegen standen fl��gelschwingend in der Luft; rings um sie her ein feines Schwirren und Summen, und manchmal h?rte man tief im Walde das H?mmern der Spechte und das Kreischen der andern Waldv?gel.
?Horch," sagte Elisabeth, ?es l?utet."
?Wo?" fragte Reinhard.
?Hinter uns. H?rst du? Es ist Mittag."
?Dann liegt hinter uns die Stadt, und wenn wir in dieser Richtung gerade durchgehen, so m��ssen wir die andern treffen."
So traten sie ihren R��ckweg an; das Erdbeerensuchen hatten sie aufgegeben, denn Elisabeth war m��de geworden. Endlich klang zwischen den B?umen hindurch das Lachen der Gesellschaft; dann sahen sie auch ein wei?es Tuch am Boden schimmern, das war die Tafel, und darauf standen Erdbeeren in H��lle und F��lle.
Der alte Herr hatte eine Serviette im Knopfloch und hielt den Jungen die Fortsetzung seiner moralischen Reden, w?hrend er eifrig an einem Braten herumtranchierte.
?Da sind die Nachz��gler," riefen die Jungen, als sie Reinhard und Elisabeth durch die B?ume kommen sahen.
?Hierher!" rief der alte Herr, ?T��cher ausgeleert, H��te umgekehrt! Nun zeigt her, was ihr gefunden habt."
?Hunger und Durst!" sagte Reinhard.
?Wenn, das alles ist," erwiderte der Alte und hob ihnen die volle Sch��ssel entgegen, ?so m��?t ihr es auch behalten. Ihr kennt die Abrede; hier werden keine M��?igg?nger gef��ttert."
Endlich lie? er sich aber doch erbitten, und nun wurde Tafel gehalten; dazu schlug die Drossel aus den Wacholderb��schen.
So ging der Tag hin.--Reinhard hatte aber doch etwas gefunden; waren es keine Erdbeeren, so war es doch auch im Walde gewachsen. Als er nach Hause gekommen war, schrieb er in seinen alten Pergamentband:
Hier an der Bergeshalde Verstummet ganz der Wind; Die Zweige h?ngen nieder, Darunter sitzt das Kind
Sie sitzt im Thymiane, Sie sitzt in lauter Duft; Die blauen Fliegen summen Und blitzen durch die Luft.
Es steht der Wald so schweigend, Sie schaut so klug darein; Um ihre braunen Locken Hinflie?t der Sonnenschein.
Der Kuckuck lacht von ferne, Es geht mir durch den Sinn: Sie hat die goldnen Augen Der Waldesk?nigin.
So war sie nicht allein sein Sch��tzling, sie war ihm auch der Ausdruck f��r alles Liebliche und Wunderbare seines aufgehenden Lebens.

DA STAND DAS KIND AM WEGE
Weihnachtsabend kam heran. Es war noch nachmittags, als Reinhard mit andern Studenten im Ratskeller
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