Hohe Sommertage - Neue Gedichte | Page 9

Gustav Falke

Hast? Immer hab ich Zeit genug.
Ein StÃ&fraq14;ndchen
frÃ&fraq14;her oder später zählt
Dem Freier wohl, der sich die
Braut erwählt;
Der Schnitter, dem das Korn entgegendampft
In
satter Reife, nimmt sich Zeit zum Schärfen,
Und, lässiger noch,
der MÃ&fraq14;ller, der's zerstampft,
Er kann's auch morgen auf die
MÃ&fraq14;hle werfen.
Und ich, der Jäger Ã&fraq14;ber alles

Wild,
Dem kein Gesetz und keine Schonzeit gilt —
Und doch, du fuhrst wie ein verliebter Knabe,
Der nach des
Mädchens sÃ&fraq14;ßem Munde schmachtet.
Wer ist es? Wem
bringst du die Hochzeitsgabe?
Dem Genius, dessen Seele, halb
umnachtet,
Den Tag verträumt, der ihm sonst Ernten bot, Nietzsche.

Und diesen Namen nannt der Tod
Mit Ehrfurcht und mit Liebe.
Und er wand
Sich ab und schied. Ein Blitz fuhr Ã&fraq14;bers Land.

Die Trauerglocken, die in Weimar klangen,
Klagten: Nietzsche ist
heimgegangen.
Ein kÃ&fraq14;hner Flieger, Freund von allen Winden,
Ein freier
Vogel Ã&fraq14;ber höchste Wipfel,
Ein Segler Ã&fraq14;ber
Meere, Ã&fraq14;ber Gipfel,
Nichts kann ihm seine stolzen
FlÃ&fraq14;gel binden.
Da fährt ein Blitz dem Starken ins
Gefieder
Und stÃ&fraq14;rzt ihn nieder.
Die Kleinen, die der Großen Flug beneiden,
Die kleine
Heckenzunft — das gab ein Schwatzen.
Er war gestraft. Das Recht
blieb bei den Spatzen:
Wir sind gesund, wir konnten uns bescheiden,

Wir flogen nur um unsre Futterplätze,
Wir klugen Mätze.
Das schlimme Lied vom Genius und der Menge,
Die Schritt vor
Schritt mit tausend FÃ&fraq14;ßen tastet,
Indessen er auf stillen
Bergen rastet,
Einsam, hoch Ã&fraq14;ber Enge und Gedränge,

Zu FlÃ&fraq14;gen rastet, die auf Sehnsuchtsschwingen
Zur Sonne
dringen.
Und nun hinaus, hinauf! Da hemmt kein Zagen.
Der Himmel lockt
mit seinen Wunderweiten.
Das ist ein selig, stÃ&fraq14;rmisch
FlÃ&fraq14;gelbreiten.
Ihr Winde alle, Freunde, kommt, mich tragen!

Vom Berg zur Wolke. Durch! Und dort, in Fernen,
Lockt Stern zu

Sternen.
O GlÃ&fraq14;ck! O Lust! o Flug nach goldnen KÃ&fraq14;sten!

Tief unten rauscht das Meer und tÃ&fraq14;rmt die Wogen.
Du
ungeberdige Flut, der ich entflogen,
Will es nach Tod und
TrÃ&fraq14;mmern dich gelÃ&fraq14;sten?
Das tiefe Grollen deines
Zorns klingt schön
In meinen Höhn.
Du fängst mich nicht! Soll diese Kraft vergehen,
So sei es an der
Sonne Feuerherzen.
Das war ein Sterben, wären Götterschmerzen:

Fliegen und schon in Todesflammen stehen.
— Da fährt ein
Blitz dem Starken ins Gefieder
Und stÃ&fraq14;rzt ihn nieder.

Die Trauerglocken, die in Weimar klangen,
Klagten: Ein Held ist
heimgegangen.
Ein Held und ein Eroberer. Burgen sanken
Auf seinem Weg in
TrÃ&fraq14;mmern, Tempel stÃ&fraq14;rzten
Und Opfersteine
rings, wo die Gewohnheit
In dumpfer Andacht kniete. Er war hart

Und ging den Weg des Helden mitleidlos,
Zerschlug Altäre, wo
auch er geopfert,
Zertrat die Gärten seiner Jugendspiele
Und ging
von seinen Freunden, die er liebte,
Treulos, um nur in einem treu zu
sein:
Treu seinem Willen, der zur Wahrheit wollte.
Und härter
ward sein Schwert mit jedem Schlag.
Wo ist die Härte, die ihm
trotzen mag?
Da zuckt ein Blitz. Der harte Stahl zerspellt,
Und
schwertlos fällt der todessieche Held.

Weint nicht um ihn. Aus seinen Wunden
Seht ihr die leuchtenden
Rosen blÃ&fraq14;hn?
Kränze des jauchzenden Lebens gebunden

Aus dem FrÃ&fraq14;hlingsgeschenk seiner Wunden,
Und ihr ehrt
und feiert ihn.

Licht war sein Herz und Licht seine Seele,
Ja! war sein Wort zu
Leben und Tod.
Tapfer, den Tag und den Tanz in der Seele,
Galt
seine Liebe dem Morgenrot.
Rausch der Kraft und jauchzendes Hoffen
Lieh seinem Lied den
Adlerflug,
Der, bevor ihn der Blitz getroffen,
Klingend ans Thor
der Zukunft schlug.
Seht, und die goldenen Angeln erklangen,
Und ein Licht und ein
Glanz ward frei.
Die zu den Quellen des Lebens drangen,
Zählen
den Priestern des Lebens bei.
Weint nicht um ihn. Aus seinen Wunden
Seht die leuchtenden Rosen
blÃ&fraq14;hn.
Kränze des jauchzenden Lebens gebunden
Aus
dem FrÃ&fraq14;hlingsgeschenk seiner Wunden,
Und ihr ehrt und
feiert ihn.
Prolog zur Böcklin-Gedenkfeier
der Gesellschaft hamburgischer Kunstfreunde
(Fräulein Minna Persoon gewidmet.)
Ein Großer starb: _Böcklin_. Vor wenig Tagen
Gab man der Erde
ihren Anteil wieder —
Und legte Rosen auf den HÃ&fraq14;gel
nieder
Und dunklen Lorbeer. Leises FlÃ&fraq14;gelschlagen
Der
Stunden, die die stille Stätte streifen —
Und jedem
FlÃ&fraq14;gelschlag entblättert sacht
Sich eine Rose, die
vielleicht am Strauch
Des Lebens letzten roten Gruß gelacht
Dem,
dessen Tod auch ihr Tod ward. Ein Hauch
Vergänglichkeit um
dieses Grab geweht,
Um das der dauerhafte Lorbeer steht.

Zwei Freunde, die in Feierstunden,
Sich in Florenz zu einander
gefunden,
Hatten die halbe Winternacht
Dem toten Meister

nachgedacht.
Ein Maler war's und ein Poet,
FÃ&fraq14;hlten sich
eines Geistes durchweht,
Gossen ihren roten Wein
Glutvoll in
seinen Ruhm hinein,
Klirrten die leeren Gläser zusammen
Und
schössen wie zwei Feuerflammen
Von ihrer Bank empor und
gingen
Des Meisters Grab einen Gruß zu bringen,
Wollten
unterm Sternenschein
Seinem Genius eine Andacht weihn.
Sprach der Maler: So ist's recht,
Hat sich am Tage so mancher
erfrecht
Dem Meister sein Gloria zu schrein,
Stimmte so mit den
andern ein,
Aber ist der Lärm verweht,
Er wieder alte Wege geht,

An denen, die noch malen und dichten,
Seine Torturen zu
verrichten.
Wer die Marterschrauben Ã&fraq14;berdauert,
Der wird
dann rÃ&fraq14;hmlichst eingemauert
In ein Pantheon von großen
Leuten,
Die man anfangs wollte häuten.
Nun weiß man aus
ihren Kleiderfetzen
Sich selbst noch ein Wams zusammenzusetzen,

Gebärdet sich als Apostel gar
Und ist in den Flicken doch nur ein
Narr.
„Nicht schlecht gewettert,“ lacht der Poet,
„Doch wird es, so
lange die Welt besteht,
Nicht anders, Freund. Und zuletzt, die Narren

SchmÃ&fraq14;cken des Großen Ruhmeskarren
Als lustige
Fratzen wider Willen;
Muss jeder seinen Zweck erfÃ&fraq14;llen.

Und wären am Ende die Teufel nicht,
Ein Engel hätt kein
besonder Gesicht.“
„Du siehst wieder alles von oben an,“
Grollt der erregte
Pinselmann,
„Aber
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