Herrn Mahlhubers Reiseabenteuer | Page 2

Friedrich Gerstäcker
der Welt umherzufahren. Sein Patient brauchte Zerstreuung, und die konnte er in dem mit der Welt in fast gar keiner Verbindung stehenden Gidelsbach nimmermehr finden. Er war hier versauert und eingetrocknet und mu?te hinaus an die frische Luft. Auch f��r die Leber prophezeite er ihm dabei die segensreichsten Folgen, da nichts ein unnat��rliches Wachsen der Leber, wie man das ja auch an den G?nsen sehe, so bef?rdere, wie Unth?tigkeit und gehemmte Bewegung.
Doctor Mittelweile hatte nun aber mit einer andern Schwierigkeit zu k?mpfen, mit dem vor allem die Ruhe liebenden Temperament des Patienten. ?Nur keine Aufregung! -- nur keine Uebereilung!? wurden seine Wahlspr��che, und wenn er irgendetwas auf der Welt, au?er Demokraten, ha?te, so waren es Abenteuer, zu denen er selbst die unschuldigsten F?lle rechnete, sobald sie ihn nur aus dem gew?hnlichen Gleise seines stillen behaglichen Lebens hinausbrachten. Mu?te er da nicht eine Reise als eine Kette von Abenteuern betrachten, und h?tte er sich je selber freiwillig dazu entschlie?en k?nnen? -- Nimmermehr.
Es gab nur Einen Gegenstand -- wie Doctor Mittelweile recht gut wu?te -- in der weiten Gotteswelt, der ihn endlich wirklich zu einem solchen verzweifelten Entschlusse treiben konnte, und der war -- eben die Leber. Hinter diese steckte sich der Doctor, und die Symptome wurden denn auch bald so bedenklicher Art, da? der Commerzienrath in seinem ?baumfesten? Entschlusse, wie er ihn nannte, wirklich wankend gemacht wurde und die M?glichkeit zuzugeben anfing, da? er doch am Ende reisen k?nne.
?Es gibt nur zwei Wege f��r Sie?, hatte der Doctor, dem die Geschichte nachgerade anfing langweilig zu werden, am Ende einer langen Rede einmal zu ihm gesagt. ?Sie m��ssen sich in einen Wagen setzen, oder Sie werden in einen gesetzt, oder vielmehr gelegt nach unsern jetzigen christlichen Begriffen. Au?erdem wei? ich noch nicht einmal ob das allein f��r Sie hinreichend sein wird, denn das dumme Zeug, was Sie sich von der "umwundenen Naht" haben in den Kopf setzen lassen (und ich kann mir recht gut denken woher es kommt), wird auch die Reise nicht ganz mit der Wurzel ausrotten, dazu geh?rt schon eine Radicalcur.?
?Noch etwas Schlimmeres als eine Reise??
?Schlimmeres? -- ja und nein, wie Sie wollen.?
?Und das w?re??
?Sie m��ssen heirathen.?
?Heirathen?? rief der Commerzienrath, mit einem Satze aus seinem Lehnstuhl hinausspringend und einen scheuen Blick nach der Th��r werfend. Wenn Dorothee das Wort geh?rt h?tte!
?Heirathen?, best?tigte aber der Doctor, der selbst zum ersten male an einen solchen Ausweg gedacht und nun that, als ob er sich das F��r und Wider schon monatelang mit allen Gr��nden und Hindernissen ��berlegt und die Er?ffnung nicht l?nger auf dem Herzen h?tte behalten k?nnen. ?Heirathen?, wiederholte er noch einmal, und nahm eine langsame bed?chtige Prise. ?Und je eher Sie sich dazu entschlie?en, desto besser f��r Sie. Viel Zeit haben sie ��berhaupt nicht mehr damit.?
?Unsinn!? sagte der Commerzienrath, der sich von dem ersten Schreck erholt hatte, und wieder in seinen Stuhl sank, ?heirathen? Fragen Sie einmal meine Dorothee, was die dazu sagen w��rde.?
?Dorothee?? rief der Doctor unwillig und ver?chtlich mit dem Kopfe sch��ttelnd, ?Dorothee! -- Was geht uns Ihre Dorothee an, wenn es sich um Ihre lebensl?ngliche Behaglichkeit und Gesundheit handelt??
?Behaglichkeit? -- Ja das kann ich mir denken?, sagte der Commerzienrath. ?Da? ich die H?lle im Hause h?tte? -- Nein, Doctor, meine Leber will ich Ihnen anvertrauen, aber meinen Hausfrieden nicht. Wenn es denn nun einmal nicht anders sein kann, so will ich reisen -- meinetwegen; ich gehe so und so zugrunde; aber wie? -- wohin? -- womit? -- wie weit??
?Sie m��ssen vor allen Dingen fahren?, sagte der Doctor rasch, und klug genug, sein zweites Mittel f��r den Augenblick nicht mit Gewalt erpressen zu wollen. ?Zeit bricht Rosen, und wenn Sie sich hier morgen fr��h auf die Post setzen, k?nnen Sie ��bermorgen mit dem Sechs-Uhr-Zuge die Wahl zwischen den Weltgegenden haben, die Sie besuchen wollen.?
?Eisenbahnen!? seufzte der Commerzienrath. ?Ich kenne kein unbehaglicheres Gef��hl auf der Welt, eine Operation ausgenommen, als sich auf eine Eisenbahn zu setzen. Die unerwarteten F?lle, die da vorkommen: Zusammenrennen der Locomotiven, Platzen der Kessel, Einschneien der Z��ge --?
?Wir sind ja mitten im Sommer.?
?Nun ja, aber alle derartigen Aufregungen, die junge leichtsinnige Menschenbilder Abenteuer nennen, sind mir in innerster Seele verha?t, und wenn Sie sich dadurch eine Heilung meiner Krankheit versprechen, haben Sie vorbeigeschossen. Ich f��rchte diese werden meinen Zustand eher, wenn das ��berhaupt m?glich ist, verschlimmern.?
?Lieber Commerzienrath?, beruhigte ihn der Doctor, ?Sie haben in unserer Zeit auf einer Eisenbahn nicht mehr Abenteuer zu f��rchten wie oben auf dem Kanzleigericht; es geht Alles seine trockene, eingefahrene, pedantische Bahn. Wenn Sie den Zug nicht vers?umen, brauchen Sie nicht zu glauben, da? Ihnen irgendetwas Au?ergew?hnliches passirt.?
?Also morgen!? st?hnte der Commerzienrath, und
?Gott sei Dank!? sagte Doctor Mittelweile mit einem tiefen Seufzer, als er die Treppe hinabstieg; ?haben wir ihn doch erst einmal so weit.?

2.
+Die Vorbereitungen zur Reise.+
Der Tag war ein gesch?ftsreicher im Mahlhuber'schen Hause, denn es galt einen Menschen zur
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