und nachdem der Schaffner sein Gepäck
aus der Schoßkelle genommen, um das sich vor dem Postgebäude
Niemand weiter zu kümmern schien, nahm er Reisesack und Schirm,
Stock und Sitzkissen aus dem Wagen, drehte sich dann noch einmal um
und sagte, mit einer verbindlichen Verbeugung nach dem Innern des
Wagens zu, die von der Dame mit einem leise gemurmelten »Gott sei
Dank« begleitet wurde:
»Angenehme Reise, meine Herrschaften.«
»Gute Nacht, Herr Commerzienrath«, sagte der Fremde, der bis dahin
noch keine Silbe gesprochen, und der also Betitelte stand, seine
Reiseutensilien in beiden Händen, wirklich mit halbgeöffnetem Munde
vor lauter Ueberraschung da; aber der Schaffner warf in dem
Augenblick den Schlag wieder zu, die Pferde waren vorgespannt und
fortging's mit schmetterndem Horngetön durch die stillen Straßen des
kleinen Fleckens über das rauhe Pflaster hin, was die Thiere laufen
konnten.
4.
+Das Posthaus und die Mamsell.+
Der Commerzienrath Mahlhuber stand noch, wie wir ihn im vorigen
Capitel verlassen, viele Minuten lang wirklich sprachlos vor Erstaunen
und Ueberraschung da, bis er selbst das Rollen der Räder nicht mehr
hören konnte.
»Gute Nacht, Herr Commerzienrath«, hatte der Mensch gesagt, der die
ganze Fahrt hindurch keine Silbe gesprochen, und den er einmal für
einen Engländer und dann für taubstumm gehalten, bis er zu der
Ueberzeugung kam, daß es doch am Ende ein Engländer sein könne.
»Gute Nacht, Herr Commerzienrath«; woher, um des Himmels willen,
wußte der Mann seinen Namen?
»Nu -- was soll denn hier mit den Sachen werden?« fragte in diesem
Augenblick eine Stimme hinter ihm, und als er sich umdrehte, stand
eine Art Zwitterding von Postillon und Hausknecht, oben in Uniform
und unten in Unterhosen und Pantoffeln, mit einer Nachtmütze auf dem
Kopfe und einer Stallaterne in der Hand, neben ihm, und deutete auf
die neben ihm aufgeschichteten Koffer und Hutschachtel. »Es kommt
heute Abend keine Post mehr.«
»So? -- das thut mir leid«, sagte Herr Mahlhuber ganz in Gedanken,
»oder es macht eigentlich nichts«, setzte er dann sich besinnend hinzu,
»denn ich werde hier übernachten«.
»Hier -- in der Post?« fragte der Mann und leuchtete ihm erstaunt ins
Gesicht.
»Nun, wird hier nicht gleich ein Wirthshaus gehalten?« fragte der
Reisende, etwas unangenehm überrascht, »man hat es mir doch
gesagt.«
»Wirthshaus? -- ne, nich so recht -- die Schenke ist da drüben«, lautete
die etwas barsche Antwort.
»Hm!« sagte der Commerzienrath und sah etwas mistrauisch nach dem
niedern düstern Gebäude hinüber, in dessen unterer Stube nur Licht
brannte, »und kann man da etwas zu essen und ein gutes Bett
bekommen?«
»Zu essen, ja«, sagte der Mann und leuchtete über die Koffer hin, nach
deren Zustand den Passagier selber zu beurtheilen, »gutes Bett aber ne,
wenn Sie nicht auf der Streu mit den Fuhrleuten schlafen wollen.«
»Auf der Streu schlafen?« wiederholte der an jede häusliche
Bequemlichkeit gewöhnte Mann entsetzt, »wie kann ich auf der Streu
schlafen?«
»Ja das weiß ich nich, wenn Sie's nicht wissen«, sagte der halbe
Hausknecht gleichgültig, »aber sollen die Koffer hier auf der Straße
stehen bleiben?«
»Und in der Post ist keine Möglichkeit unterzukommen?«
»Fragen kann mer noch emal«, sagte der Mann, seine Laterne
niedersetzend und seine Hosen etwas in die Höhe ziehend, »manchmal
nimmt die Mamsell Gäste ein, manchmal nich -- wie's 'r gerade paßt.«
Und ohne eine Antwort abzuwarten schlenderte er langsam, den
Commerzienrath bei den Koffern und der Laterne zurücklassend, in die
Post hinein, die schmale steinerne Treppe hinauf. Die »Mamsell«, wie
er die gleich darauf in der Thür erscheinende Dame genannt, schien
aber seiner Beredtsamkeit nicht haben widerstehen zu können, denn
ihre gastliche Stimme rief gleich darauf von der Treppe aus ein eben
nicht ermunterndes, aber doch auf weitere Erklärungen sich
einlassendes »Wer ist denn da?«
Die Gefahr, die Nacht, wegen der er die Postfahrt unterbrochen, auf
einer Streu zubringen zu müssen, machte den Commerzienrath beredt;
er ging näher zur Thür, stellte sich der Dame (unter dem Lichte der
Stallaterne, die er zu dem Zwecke hoch in die Höhe hielt) als einen
Reisenden vor, der seiner Gesundheit wegen nicht mit der Post
weitergefahren wäre und das Aergste befürchten müßte, wenn er nicht
die Nacht in einem warmen Bette zubringen könne, und war sogar
schon im Begriff auf seine Leber und vielleicht auch auf die mit ihr in
Verbindung stehende Balggeschwulst einzugehen, als die Mamsell, die
rasch den gesetzten achtbaren Bürger oder vielleicht gar Staatsbeamten
in ihm erkannte, ihr tröstliches und schon viel freundlicheres »Treten
Sie näher!« ihm hinüberrief und den theilweisen Postbeamten beorderte,
des Herrn Sachen in die »grüne Stube« hinaufzutragen.
»Grüne Stube!« Schon das Wort klang behaglich, und mit einem leise
gemurmelten »Gott sei Dank« griff Herr Mahlhuber seine Sachen auf
und folgte dem mit einem Koffer und der Stallaterne vorausgehenden
dienstbaren Individuum die Treppe hinauf in das Haus.
Die nächste Stunde verging dem Reisenden übrigens in dem
unbehaglichen Gefühle, keinen Platz zu haben wo man zu Hause
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