Herrn Mahlhubers Reiseabenteuer | Page 7

Friedrich Gerstäcker
Dame und streckte die Hand aus das
Dargebotene in Empfang zu nehmen; Herr Mahlhuber hatte es aber
selber noch nicht, und die rechte Rocktasche stak ihm so voll von
verschiedenen Gegenständen: eingewickelte Semmeln, Brillenfutteral,
Schnupftabacksdose und dann das verwünschte Pistol, das er heute
Abend fest beschloß unten in seinen Koffer zu legen, er konnte das
kleine Fläschchen gar nicht finden und begann, da die Dame den Arm
noch ausgestreckt hielt, die verschiedenen Gegenstände immer
ängstlicher auszukramen und neben sich hinzulegen.
»Ich begreife gar nicht«, murmelte er dabei vor sich hin, »wo die --

Dorothee -- das kleine Fläschchen anders könnte hingesteckt haben als
in -- als in diese Rocktasche. Da, das hier ist eine eingewickelte
Semmel -- das hier«, er nahm das Pistol aus der Tasche und legte es
neben sich hin, »das hier ist --«
»Um Gotteswillen, was wollen Sie mit dem Schießgewehr?« schrie die
Dame jetzt so laut, daß der Fremde ihnen gegenüber erwachte oder
doch die Augen öffnete und einen flüchtigen Blick hinüberwarf, dann
aber wieder in seine frühere Stellung zurückfiel, »es ist doch nicht
geladen?«
»Bewahre«, lächelte der Commerzienrath, der das Fläschchen endlich
gefunden und ihr gereicht hatte, etwas verlegen und suchte, um sie
selber zu überzeugen, durch den Lauf des verdächtigen Pistols zu
blasen; aber vergebens blies er die Backen auf und wurde ganz roth im
Gesicht.
»Es ist verstopft«, sagte er dann, entweder zu seiner oder des Pistols
Entschuldigung.
»Halten Sie das schreckliche Ding nur nicht gegen mich«, rief die
Dame, nichts weniger als beruhigt durch den verunglückten Versuch;
»wenn es losginge....«
»Ich will Ihnen beweisen, daß es keine Gefahr hat«, sagte der
Commerzienrath entschlossen, dem muthlosen schwachen Wesen
gegenüber, und den Hahn aufspannend zielte er auf die ihm
gegenüberstehende Hutschachtel seiner schönen Reisegefährtin.
»Um Gotteswillen, was wollen Sie thun?« rief die Dame, jetzt wirklich
erschreckt; aber sie hatte keine Zeit etwas Weiteres zu fragen, denn ein
furchtbarer Schlag, der ihnen Allen das Trommelfell zu zersprengen
drohte, schmetterte mit einem vor ihnen hinzuckenden Blitze durch den
engen Raum des Wagens und im nächsten Augenblick schon füllte
dichter undurchdringlicher Pulverdampf das Coupé vollkommen an.
Die Dame stieß dabei natürlich einen gellenden Schrei aus und fiel in
Ohnmacht. Die Pferde rissen in ihr Geschirr und wollten durchgehen,
und Postillon und Conducteur brauchten wenigstens zehn Minuten Zeit

sie zu beruhigen und wieder in ordentlichen Gang zu bringen.
Nur der Fremde, der für den Augenblick in dem entsetzlichen
Pulverqualm vollständig verschwunden war, sagte kein Wort und saß
um so unheimlicher und drohender in dem undurchdringlichen Qualm.
-- Heiliger Gott, wenn er ihn getroffen und todtgeschossen hätte! Der
Commerzienrath wagte nicht die Hand auszustrecken, den furchtbaren
Verdacht bestätigt zu finden oder zu zerstreuen.
Der Wagen hielt endlich. »Ho, brrr, Gott verdamm' mich, ob ihr stehen
wollt, kopfscheue Bestien -- ho, brrr, so mein Thierchen, so ooo --
gutes Thier, so Schimmel«, tönten die Beruhigungslaute von draußen
zu ihnen herein, der Conducteur sprang aus dem Cabriolet und riß den
Schlag auf.
»Heiliges Kreuzdonnerwetter, was ist hier vorgegangen?« schrie er,
zurückprallend, als ihm der weiße warme Schwefelqualm
entgegenschlug, der die willkommene Bahn ins Freie fand, »was ist
geplatzt?«
Die Dame lag in Ohnmacht und der Commerzienrath konnte nicht
antworten, denn sein ängstlicher Blick suchte durch den weichenden
Nebel die lautlos dasitzende Gestalt des Fremden. Nur erst sicher
wollte er sein, daß dort kein Unglück geschehen wäre, wenn er auch
natürlich nicht begriff wie eine Ladung und eine so furchtbare Ladung
in die für ganz harmlos gehaltene Waffe hineingerathen sein konnte.
Wie sich der Nebel verzog, wurde auch das Gesicht des Fremden in der
andern Ecke sichtbar, aber so unheimlich verzerrt, roth und drohend,
während die Augen unter den halb zusammengekniffenen Brauen wild
und lauernd vorblitzten, daß der Commerzienrath ihn schon am Arme
fassen und ins Leben zurückschütteln wollte, als der Conducteur die
Stille wieder unterbrach.
»Wer ist todt?« rief er und keineswegs blos im Scherz, denn das
unheimliche Schweigen im Wagen kam ihm selber verdächtig vor.
»Himmelsacerment, wenn sich Jemand eine Kugel durch den Schädel
schießen will, brauchte er sich doch dazu nicht auf der königlich
bairischen Eilpost einschreiben zu lassen, daß Einem die Pferde noch

am Ende durchgehen und außerdem Unheil anrichten? -- Das ist nun
der Zweite. Nun?« setzte er dann erstaunt hinzu, als er die drei
Passagiere nach und nach durch den Qualm erkennen konnte und alle
noch am Leben fand, wenn er auch des Commerzienraths +vis-à-vis+
noch immer etwas mistrauisch betrachtete -- daß die Dame in
Ohnmacht lag, verstand sich von selbst. »Was zum Teufel haben Sie
denn dahier angerichtet -- ach Schwerenoth«, rief er plötzlich, als sein
Blick auf das neben ihm stehende Gepäck fiel, »gerade in die
Hutschachtel geschossen.«
»In die Hutschachtel?« rief die Dame entsetzt, jetzt plötzlich und ohne
weitere Hülfe aus ihrer Ohnmacht emporfahrend, und der Fremde
drüben wurde immer röther im Gesicht. »Heilige Mutter Gottes,
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