Hermann und Dorothea | Page 9

Johann Wolfgang von Goethe
dem Arme gest��tzt und schien in die Gegend zu schauen Jenseits, nach dem Gebirg, er kehrte der Mutter den R��cken. Sachte schlich sie hinan und r��hrt' ihm leise die Schulter. Und er wandte sich schnell; da sah sie ihm Tr?nen im Auge.
"Mutter", sagt' er betroffen, "Ihr ��berrascht mich!" Und eilig Trocknet' er ab die Tr?ne, der J��ngling edlen Gef��hles. "Wie? du weinest, mein Sohn?" versetzte die Mutter betroffen; "Daran kenn ich dich nicht! ich habe das niemals erfahren! Sag, was beklemmt dir das Herz? was treibt dich, einsam zu sitzen Unter dem Birnbaum hier? was bringt dir Tr?nen ins Auge?"
Und es nahm sich zusammen der treffliche J��ngling und sagte: "Wahrlich, dem ist kein Herz im ehernen Busen, der jetzo Nicht die Not der Menschen, der umgetriebnen, empfindet; Dem ist kein Sinn in dem Haupte, der nicht um sein eigenes Wohl sich Und um des Vaterlands Wohl in diesen Tagen bek��mmert. Was ich heute gesehn und geh?rt, das r��hrte das Herz mir; Und nun ging ich heraus und sah die herrliche weite Landschaft, die sich vor uns in fruchtbaren H��geln umherschlingt, Sah die goldene Frucht den Garben entgegen sich neigen Und ein reichliches Obst und volle Kammern versprechen. Aber, ach! wie nah ist der Feind! Die Fluten des Rheines Sch��tzen uns zwar; doch ach! was sind nun Fluten und Berge Jenem schrecklichen Volke, das wie ein Gewitter daherzieht! Denn sie rufen zusammen aus allen Enden die Jugend Wie das Alter und dringen gewaltig vor, und die Menge Scheut den Tod nicht; es dringt gleich nach der Menge die Menge. Ach! und ein Deutscher wagt, in seinem Hause zu bleiben? Hofft vielleicht zu entgehen dem alles bedrohenden Unfall? Liebe Mutter, ich sag Euch, am heutigen Tage verdrie?t mich, Da? man mich neulich entschuldigt, als man die Streitenden auslas Aus den B��rgern. F��rwahr! ich bin der einzige Sohn nur, Und die Wirtschaft ist gro? und wichtig unser Gewerbe; Aber w?r' ich nicht besser, zu widerstehen da vorne An der Grenze, als hier zu erwarten Elend und Knechtschaft? Ja, mir hat es der Geist gesagt, und im innersten Busen Regt sich Mut und Begier, dem Vaterlande zu leben Und zu sterben und andern ein w��rdiges Beispiel zu geben. Wahrlich, w?re die Kraft der deutschen Jugend beisammen, An der Grenze, verb��ndet, nicht nachzugeben den Fremden, Oh, sie sollten uns nicht den herrlichen Boden betreten Und vor unseren Augen die Fr��chte des Landes verzehren, Nicht den M?nnern gebieten und rauben Weiber und M?dchen! Sehet, Mutter, mir ist im tiefsten Herzen beschlossen, Bald zu tun und gleich, was recht mir deucht und verst?ndig; Denn wer lange bedenkt, der w?hlt nicht immer das Beste. Sehet, ich werde nicht wieder nach Hause kehren! Von hier aus Geh ich gerad in die Stadt und ��bergebe den Kriegern Diesen Arm und dies Herz, dem Vaterlande zu dienen. Sage der Vater alsdann, ob nicht der Ehre Gef��hl mir Auch den Busen belebt und ob ich nicht h?her hinauf will!"
Da versetzte bedeutend die gute verst?ndige Mutter, Stille Tr?nen vergie?end, sie kamen ihr leichtlich ins Auge: "Sohn, was hat sich in dir ver?ndert und deinem Gem��te, Da? du zu deiner Mutter nicht redest wie gestern und immer, Offen und frei, und sagst, was deinen W��nschen gem?? ist? H?rte jetzt ein Dritter dich reden, er w��rde f��rwahr dich H?chlich loben und deinen Entschlu? als den edelsten preisen, Durch dein Wort verf��hrt und deine bedeutenden Reden. Doch ich tadle dich nur; denn sieh, ich kenne dich besser. Du verbirgst dein Herz und hast ganz andre Gedanken. Denn ich wei? es, dich ruft nicht die Trommel, nicht die Trompete, Nicht begehrst du zu scheinen in der Montur vor den M?dchen; Denn es ist deine Bestimmung, so wacker und brav du auch sonst bist, Wohl zu verwahren das Haus und stille das Feld zu besorgen. Darum sage mir frei: was dringt dich zu dieser Entschlie?ung?"
Ernsthaft sagte der Sohn: "Ihr irret, Mutter. Ein Tag ist Nicht dem anderen gleich. Der J��ngling reifet zum Manne; Besser im stillen reift er zur Tat oft als im Ger?usche Wilden, schwankenden Lebens, das manchen J��ngling verderbt hat. Und so still ich auch bin und war, so hat in der Brust mir Doch sich gebildet ein Herz, das Unrecht hasset und Unbill, Und ich verstehe recht gut die weltlichen Dinge zu sondern; Auch hat die Arbeit den Arm und die F��?e m?chtig gest?rket. Alles, f��hl ich, ist wahr; ich darf es k��hnlich behaupten. Und doch tadelt Ihr mich mit Recht, o Mutter, und habt mich Auf halbwahren Worten ertappt und halber Verstellung. Denn, gesteh' ich es nur, nicht ruft die nahe Gefahr mich Aus dem Hause des Vaters und nicht der hohe Gedanke, Meinem Vaterland h��lfreich zu sein und schrecklich den Feinden. Worte waren es nur, die ich sprach: sie sollten vor Euch nur Meine Gef��hle verstecken, die mir das Herz zerrei?en. Und so
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