Heidis Lehr - und Wanderjahre | Page 8

Johanna Spyri
dem Bette lag, da sah
alles sehr gut und haltbar aus, und Heidi stand staunend vor seinem
neuen Lager und sagte: "Das ist eine prächtige Decke und das ganze
Bett! Jetzt wollt ich, es wäre schon Nacht, so könnte ich hineinliegen."
"Ich meine, wir könnten erst einmal etwas essen", sagte der Großvater,
"oder was meinst du?" Heidi hatte über dem Eifer des Bettens alles
andere vergessen; nun ihm aber der Gedanke ans Essen kam, stieg ein
großer Hunger in ihm auf, denn es hatte auch heute noch gar nichts
bekommen als früh am Morgen sein Stück Brot und ein paar Schlucke
dünnen Kaffees, und nachher hatte es die lange Reise gemacht. So
sagte Heidi ganz zustimmend: "Ja, ich mein es auch."
"So geh hinunter, wenn wir denn einig sind", sagte der Alte und folgte
dem Kind auf dem Fuß nach. Dann ging er zum Kessel hin, schob den
großen weg und drehte den kleinen heran, der an der Kette hing, setzte
sich auf den hölzernen Dreifuß mit dem runden Sitz davor hin und blies
ein helles Feuer an. Im Kessel fing es an zu sieden, und unten hielt der
Alte an einer langen Eisengabel ein großes Stück Käse über das Feuer
und drehte es hin und her, bis es auf allen Seiten goldgelb war. Heidi
hatte mit gespannter Aufmerksamkeit zugesehen; jetzt musste ihm
etwas Neues in den Sinn gekommen sein; auf einmal sprang es weg

und an den Schrank und von da hin und her. Jetzt kam der Großvater
mit einem Topf und dem Käsebraten an der Gabel zum Tisch heran; da
lag schon das runde Brot darauf und zwei Teller und zwei Messer, alles
schön geordnet, denn das Heidi hatte alles im Schrank gut
wahrgenommen und wusste, dass man das alles nun gleich zum Essen
brauchen werde.
"So, das ist recht, dass du selbst etwas ausdenkst", sagte der Großvater
und legte den Braten auf das Brot als Unterlage; "aber es fehlt noch
etwas auf dem Tisch."
Heidi sah, wie einladend es aus dem Topf hervordampfte, und sprang
schnell wieder an den Schrank. Da stand aber nur ein einziges
Schüsselchen. Heidi war nicht lang in Verlegenheit, dort hinten standen
zwei Gläser; augenblicklich kam das Kind zurück und stellte
Schüsselchen und Glas auf den Tisch.
"Recht so; du weißt dir zu helfen; aber wo willst du sitzen?" Auf dem
einzigen Stuhl saß der Großvater selbst. Heidi schoss pfeilschnell zum
Herd hin, brachte den kleinen Dreifuß zurück und setzte sich drauf.
"Einen Sitz hast du wenigstens, das ist wahr, nur ein wenig weit unten",
sagte der Großvater; "aber von meinem Stuhl wärst auch zu kurz, auf
den Tisch zu langen; jetzt musst aber einmal etwas haben, so komm!"
Damit stand er auf, füllte das Schüsselchen mit Milch, stellte es auf den
Stuhl und rückte den ganz nah an den Dreifuß hin, so dass das Heidi
nun einen Tisch vor sich hatte. Der Großvater legte ein großes Stück
Brot und ein Stück von dem goldenen Käse darauf und sagte: "Jetzt
iss!" Er selbst setzte sich nun auf die Ecke des Tisches und begann sein
Mittagsmahl. Heidi ergriff sein Schüsselchen und trank und trank ohne
Aufenthalt, denn der ganze Durst seiner langen Reise war ihm wieder
aufgestiegen. Jetzt tat es einen langen Atemzug--denn im Eifer des
Trinkens hatte es lange den Atem nicht holen können--und stellte sein
Schüsselchen hin.
"Gefällt dir die Milch?", fragte der Großvater.
"Ich habe noch gar nie so gute Milch getrunken", antwortete Heidi.

"So musst du mehr haben", und der Großvater füllte das Schüsselchen
noch einmal bis oben hin und stellte es vor das Kind, das vergnüglich
in sein Brot biss, nachdem es von dem weichen Käse darauf gestrichen,
denn der war, so gebraten, weich wie Butter, und das schmeckte ganz
kräftig zusammen, und zwischendurch trank es seine Milch und sah
sehr vergnüglich aus. Als nun das Essen zu Ende war, ging der
Großvater in den Geißenstall hinaus und hatte da allerhand in Ordnung
zu bringen, und Heidi sah ihm aufmerksam zu, wie er erst mit dem
Besen säuberte, dann frische Streu legte, dass die Tierchen darauf
schlafen konnten; wie er dann nach dem Schöpfchen ging nebenan und
hier runde Stöcke zurechtschnitt und an einem Brett herumhackte und
Löcher hineinbohrte und dann die runden Stöcke hineinsteckte und
aufstellte; da war es auf einmal ein Stuhl, wie der vom Großvater, nur
viel höher, und Heidi staunte das Werk an, sprachlos vor
Verwunderung.
"Was ist das, Heidi?", fragte der Großvater.
"Das ist mein Stuhl, weil er so hoch ist; auf einmal war er fertig", sagte
das Kind, noch in tiefem Erstaunen und Bewunderung.
"Es weiß, was es sieht, es hat die Augen am rechten Ort", bemerkte der
Großvater vor sich hin, als er nun um die Hütte herumging und hier
einen Nagel einschlug und dort einen und dann an der Tür etwas zu
befestigen
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