Hansi | Page 8

Ida Frohnmeyer

nimmst König Rudolf und Gretchen kann Bischof fein. Ach, und für
Elschen müssen wir auch eine Rolle finden. Wie herrlich wird das
werden, ich freue mich halb zu Tod!«
Hatte uns schon die große Vorstellung die Köpfe verdreht, so tat es
unsere eigene noch weit mehr. Die Mutter mußte natürlich in die Sache

eingeweiht werden, denn die Blumentöpfe, die wir als Kulissen
brauchten und die langen Kleider, auf denen Gretchen mit großer
Energie bestand, waren alle in ihrer Verwahrung und konnten denn
doch nicht ohne weiteres herbeigeschafft werden. Meine Großmutter
steuerte zu unserer Kostümierung einige Umlegtücher und
Schmucksachen bei.
Wir arbeiteten täglich stundenlang an unsern Vorbereitungen.
Natürlich, das ganze Festspiel konnten wir nicht aufführen; wir mußten
uns auf solche Szenen, in denen möglichst wenig Personen austraten,
beschränken. Aber wir trösteten uns damit, daß sich ja das Publikum
das übrige dazu denken könne.
Der große Tag nahte. Punkt 2 Uhr sollte die Vorstellung beginnen; ein
paar Minuten früher fanden sich die Zuschauer ein. Wir hatten ihrer
nur wenige gebeten. Natürlich die kleine Mutter, die sich beinahe
ebenso sehr wie wir auf das Festspiel freute, dann Großmutter und eine
Tante, die auf Besuch gekommen. Großmutter erhielt den gedruckten
Text, da sie die richtige Aufführung nicht mit angesehen hatte. Sie hielt
das Heftchen weit von sich, denn ihre alten Augen konnten nicht mehr
in die Nähe sehen. Das imponierte mir immer gewaltig, und es
verfehlte auch seinen Eindruck auf meine Spielgefährten nicht. Es hat
nicht jeder eine Großmutter, die so merkwürdig liest.
[Illustration]
Die Zuschauer saßen auf dem alten Sofa. Wir hielten uns in einer
Nebenkammer verborgen, bis es 2 Uhr schlug.
Das erste Bild stellte die Gründung unserer Stadt durch Kaiser
Valentinian im Jahre 374 dar. Anni, Gretchen, Elschen und Teddy
zogen als raurakischer Volkshaufe auf die »Bühne« und sangen ein
Lied, von dessen sanfter, fließender Weise uns allerdings nur zwei
Zeilen im Gedächtnis geblieben waren, weshalb das übrige mehr
rezitativartig vorgetragen wurde. Dann stürzte Willy herein und
verkündete das Nahen römischer Scharen, was erregtes Sprechen und
Schreien zur Folge hatte. Er verschwand blitzschnell, um nach wenigen
Augenblicken als römischer Hauptmann aufzutreten, der an Stelle der

uns fehlenden Kriegerhaufen einen seltsamen Schwerttanz aufführte.
Mit einem Male wandte er sich gegen die Türe und während seines
Jubelrufs: »Großer Cäsar, Imperator, Heil sei dir, du starker Held!«
ritt ich auf schnaubendem Roß auf die Bühne.
Das ging so zu: Wir hatten ein Schaukelpferd, das bei jeder starken
schwingenden Bewegung einige Zoll vorwärts glitt; so konnte man also
tatsächlich reiten.
Kaiser Valentinian trug ein Barett mit weißen [Illustration]
Gänsefedern und einen malerisch umgeworfenen roten Mantel. Außer
dem Szepter hielt er merkwürdigerweise auch ein Heftchen in der Hand,
denn es war ihn das Genieren angekommen, und die rasch eingelernten
und nur halb verstandenen Worte schienen sich alle verflüchtigt zu
haben. So las denn der gute Kaiser Valentinian seine wohlmeinenden
Worte an die verängsteten Rauraker. Ihre freudigen Zurufe wurden
durch den Priester übertönt, der vor dem neuen Leben sich zu den alten
Göttern flüchtet.
»Nehmet mich auf! von mannigfaltigen Greueln und Sünden, von
Schand und Not Löse mich leicht der heilige Tod!«
Teddy in einem langen, dunkeln Gewand, mit mächtigem weißem Bart
sah nach Annis Urteil ganz wie »so ein heidnischer Kerl« aus. Die
letzten Worte heulte er geradezu. Dann ließ er sich, in dem schönen
Glauben, die klagenden Weiber würden ihn auffangen, rücklings zu
Boden stürzen. Aber o weh! Keine schützenden Arme umfingen seinen
sinkenden Leib. Er schlug mit solchem Dröhnen auf den harten
Fußboden, daß aus dem Zuschauerraum ein Entsetzensschrei erscholl,
der freilich in ein Lachen überging, als der tote Priester wütend zischte:
»Na, wartet nur bis nachher!«
[Illustration]
Kaiser Valentinian stellte die Stimmung wieder her, indem er ein
leuchtendes Bild der zukünftigen Stadt Basilea entwarf.

[Illustration]
Unter dem Jubelchor des Volkes und von ihrer Schar begleitet und
hilfreich geschoben, ritt seine Majestät davon.
Die zweite Szene, die den Bau der alten Rheinbrücke im Jahre 1225
behandelte, überschlugen wir, der vielen Personen wegen. Um sie aber
nicht ganz unerwähnt zu lassen, wandelte Gretchen langsam und
heimlich als Bischof über die Bühne; Elschen trippelte, ein
Meßglöcklein schwingend, hintendrein.
Das dritte Bild brachte den Höhepunkt des Festes: Anni als König
Rudolf. Ihre schwarzen Zöpfe waren unter einem Turban verborgen.
Sie stak in einem deutschen Militärrock und schulterte einen uralten
Schießprügel. Um den Hals hing ihr eine goldene Kette, und ihre Beine
waren mit Reiterstiefeln bekleidet. König Rudolf versprach mit großem
Pathos der Stadt ihre Freiheit; Schultheiß Gretchen dankte tief.
[Illustration]
Die kriegerischen Rollen des vierten Bildes, wo es sich um den in die
Schlacht von Sempach abziehenden Herzog Leopold handelte, wurden
durchweg von den Buben gespielt, deren schauspielerische Begabung
sich hauptsächlich in einem ungeheuren Stimmenaufwand äußerte.
Auch die feierliche Vereinigung der beiden links und rechts vom Strom
gelegenen Städte, des mehrern und mindern Basel, wurden von den
Buben in stark
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