entgegengesetzten Fehler nicht weniger geneigt ist; er will den unverzagten Jüngling nicht ganz niederschlagen und f?hret fort:
"Das Alter qu?lt sich selbst, weil es zu wenig hofft."
Diese Sentenzen mit einer gleichgültigen Aktion, mit einer nichts als sch?nen Bewegung des Armes begleiten, würde weit schlimmer sein, als sie ganz ohne Aktion hersagen. Die einzige ihnen angemessene Aktion ist die, welche ihre Allgemeinheit wieder auf das Besondere einschr?nkt. Die Zeile,
"Da sie zu leichtlich glaubt, irrt muntre Jugend oft"
mu? in dem Tone, mit dem Gestu der v?terlichen Warnung, an und gegen den Olint gesprochen werden, weil Olint es ist, dessen unerfahrne leichtgl?ubige Jugend bei dem sorgsamen Alten diese Betrachtung veranla?t. Die Zeile hingegen,
"Das Alter qu?lt sich selbst, weil es zu wenig hofft"
erfordert den Ton, das Achselzucken, mit dem wir unsere eigene Schwachheiten zu gestehen pflegen, und die H?nde müssen sich notwendig gegen die Brust ziehen, um zu bemerken, da? Evander diesen Satz aus eigener Erfahrung habe, da? er selbst der Alte sei, von dem er gelte.
Es ist Zeit, da? ich von dieser Ausschweifung über den Vortrag der moralischen Stellen wieder zurückkomme. Was man Lehrreiches darin findet, hat man lediglich den Beispielen des Herrn Ekhof zu danken; ich habe nichts als von ihnen richtig zu abstrahieren gesucht. Wie leicht, wie angenehm ist es, einem Künstler nachzuforschen, dem das Gute nicht blo? gelingt, sondern der es macht!
Die Rolle der Clorinde ward von Madame Henseln gespielt, die ohnstreitig eine von den besten Aktricen ist, welche das deutsche Theater jemals gehabt hat. Ihr besonderer Vorzug ist eine sehr richtige Deklamation; ein falscher Akzent wird ihr schwerlich entwischen; sie wei? den verworrensten, holprigsten, dunke1sten Vers mit einer Leichtigkeit, mit einer Pr?zision zu sagen, da? er durch ihre Stimme die deutlichste Erkl?rung, den vol1st?ndigsten Kommentar erh?lt. Sie verbindet damit nicht selten ein Raffinement, welches entweder von einer sehr glücklichen Empfindung, oder von einer sehr richtigen Beurteilung zeuget. Ich glaube die Liebeserkl?rung, welche sie dem Olint tut, noch zu h?ren:
"--Erkenne mich! Ich kann nicht l?nger schweigen; Verstellung oder Stolz sei niedern Seelen eigen. Olint ist in Gefahr, und ich bin au?er mir-- Bewundernd sah ich oft im Krieg und Schlacht nach dir; Mein Herz, das vor sich selbst sich zu entdecken scheute, War wider meinen Ruhm und meinen Stolz im Streite. Dein Unglück aber rei?t die ganze Seele hin, Und itzt erkenn' ich erst, wie klein, wie schwach ich bin. Itzt, da dich alle die, die dich verehrten, hassen, Da du zur Pein bestimmt, von jedermann verlassen, Verbrechern gleichgestellt, unglücklich und ein Christ, Dem furchtbarn Tode nah, im Tod noch elend bist: Itzt wag' ich's zu gestehn: itzt kenne meine Triebe!"
Wie frei, wie edel war dieser Ausbruch! Welches Feuer, welche Inbrunst beseelten jeden Ton! Mit welcher Zudringlichkeit, mit welcher überstr?mung des Herzens sprach ihr Mitleid! Mit welcher Entschlossenheit ging sie auf das Bekenntnis ihrer Liebe los! Aber wie unerwartet, wie überraschend brach sie auf einmal ab und ver?nderte auf einmal Stimme und Blick und die ganze Haltung des K?rpers, da es nun darauf ankam, die dürren Worte ihres Bekenntnisses zu sprechen. Die Augen zur Erde geschlagen, nach einem langsamen Seufzer, in dem furchtsamen gezogenen Tone der Verwirrung, kam endlich
"Ich liebe dich, Olint,--"
heraus, und mit einer Wahrheit! Auch der, der nicht wei?, ob die Liebe sich so erkl?rt, empfand, da? sie sich so erkl?ren sollte. Sie entschlo? sich als Heldin, ihre Liebe zu gestehen, und gestand sie als ein z?rtliches, schamhaftes Weib. So Kriegerin als sie war, so gew?hnt sonst in allem zu m?nnlichen Sitten: behielt das Weibliche doch hier die Oberhand. Kaum aber waren sie hervor, diese der Sittsamkeit so schwere Worte, und mit eins war auch jener Ton der Freimütigkeit wieder da. Sie fuhr mit der sorglosesten Lebhaftigkeit, in aller der unbekümmerten Hitze des Affekts fort:
"--Und stolz auf meine Liebe, Stolz, da? dir meine Macht dein Leben retten kann, Biet' ich dir Hand und Herz, und Kron' und Purpur an."
Denn die Liebe ?u?ert sich nun als gro?mütige Freundschaft: und die Freundschaft spricht ebenso dreist, als schüchtern die Liebe.
Fünftes Stück Den 15. Mai 1767
Es ist unstreitig, da? die Schauspielerin durch diese meisterhafte Absetzung der Worte
"Ich liebe dich, Olint,--"
der Stelle eine Sch?nheit gab, von der sich der Dichter, bei dem alles in dem n?mlichen Flusse von Worten daherrauscht, nicht das geringste Verdienst beimessen kann. Aber wenn es ihr doch gefallen h?tte, in diesen Verfeinerungen ihrer Rolle fortzufahren! Vielleicht besorgte sie, den Geist des Dichters ganz zu verfehlen; oder vielleicht scheute sie den Vorwurf, nicht das, was der Dichter sagt, sondern was er h?tte sagen sollen, gespielt zu haben. Aber welches Lob k?nnte gr??er sein, als so ein Vorwurf? Freilich mu? sich nicht jeder Schauspieler einbilden, dieses Lob verdienen zu k?nnen. Denn sonst m?chte es mit den armen Dichtern übel aussehen.
Cronegk hat wahrlich aus seiner Clorinde ein sehr abgeschmacktes, widerw?rtiges, h??liches Ding gemacht. Und demohngeachtet ist sie noch der einzige Charakter, der uns
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