Grevinde | Page 8

Hermann Heiberg
ein im Hause eingenommenes Glas Wein und eine Zigarre bereits die Gemütlichkeit erh?ht hatten, unternahmen sie zusammen einen Spaziergang durch den sehr ausgedehnten, mit stattlichen Geh?ften und Bauerh?usern, aber auch mit vielen ?rmlichen Katen besetzten Ort. Bei dieser Gelegenheit lie? sich Axel m?glichst viel von Lavards und auch von Lucile erz?hlen.
Graf Knut berichtete, da? Lucile vor anderthalb Jahren mit einem franz?sischen Gesandtschaftsattaché in Kopenhagen, dem jungen Marquis von Rebullion, verlobt gewesen sei und diese Verbindung wieder gel?st habe.
Dem w?re es zuzuschreiben, da? sie seither keine Ehe eingegangen sei.
Er bezeichnete sie als ein vollendetes M?dchen, sie besitze aber einen unbeugsamen Standesstolz.
W?hrend sie noch sprachen, kam Doktor Prest? vorüber, machte eine Bewegung, als ob er stehen bleiben wolle, besann sich aber und grü?te den Grafen mit gro?er Artigkeit, Axel aber mit steifer Gemessenheit. Es geschah, obschon Prest? Axels Besuch noch nicht erwidert hatte.
"Ein recht unangenehmer Mensch!" warf Axel hin.
Graf Knut bewegte stumm die Schultern.
"Sie scheinen meine Auffassung nicht zu teilen?"
"Man mu? den Zusammenhang der Dinge kennen, um ein gerechtes Urteil zu f?llen--" entgegnete Graf Knut. "Prest?s Eltern fanden unter dem Druck eines ma?los hochmütigen und gegen seine Untergebenen rücksichtslos harten Gutsherrn, des Grafen Vedelsborg auf Bornholm. Prest?s Vater war dort Guts-Inspektor. So sog der Sohn den Ha? gegen den tyrannischen Gutsherrn seit seiner Kindheit in sich ein. Prest? ist v?llig mittellos; die unverm?genden Eltern sind lange gestorben; nur durch eisernen Flei?, Stipendien und Stundengeben hat er sein Studium erm?glicht. Durch solche Thaten, durch solches Ringen um die Existenz bilden sich Charaktere, allerdings selten liebenswürdige, eher einseitige und selbstsüchtige. Als unser alter Doktor vor sechs Monaten starb, gab ich die Veranlassung, da? sich Prest? hier niederlie?. Ich interessierte mich von jeher für die Eltern. Gewi?, seine Manieren lassen recht sehr zu wünschen übrig, ich gestehe das zu. Auch g?ren in ihm die Ideen der neuen Zeit. Ich bedaure diese Richtung. Aber--was will man machen? Wechsel regiert die Welt, und mit ihm treten neue Anschauungen und Erscheinungen zu Tage. Wir--die Gutsherren--haben die gute Zeit gehabt, nun wollen auch die Bauern einmal leben!"
"Ah, nun verstehe ich! Deshalb Imgjors Eintreten für ihn! Sie begegnen sich in ihren Anschauungen. Jetzt ist mir alles klar. Nun wei? ich, wer meinem Werben um sie entgegengeht."
"Sie interessieren sich für die Komtesse Imgjor, Herr Graf?"
"Ich gestehe es--au?erordentlich! Ich habe auch des Grafen und der Gr?fin Beifall für meine Pl?ne. Bisher glaubte ich nur gegen Vorurteile zu k?mpfen. Nun bin ich überzeugt, da? ich in Prest? meinen eigentlichen Widersacher zu suchen habe. Gewi?, sie lieben sich!"
"Vielleicht doch nicht--" betonte der Graf, auf das Gespr?ch ohne Umschweife eingehend. "Da? Imgjor Interesse für ihn besitzt, will mich wohl auch bedünken. Aber er für sie? Er war schon als Student verlobt und ist es, soviel ich wei?, noch--"
"Ah welch' eine gute Nachricht! Erz?hlen Sie, ich bitte!" fiel Axel lebhaft ein und zog den alten Herrn über das Dorfgebiet hinaus.--
Am folgenden Tage, nach dem zweiten Frühstück, wu?te es Axel so einzurichten, da? er mit Lucile im Garten auf- und abwandelte. Der Graf hatte wegen seiner Gesch?fte auf eins der Vorwerke fahren müssen, die Gr?fin--eine selten vorkommende Erscheinung--mu?te wegen einer Migr?ne das Zimmer hüten.
Lucile war, in Vertretung ihrer Mama, beim Frühstück sehr liebenswürdig um Axel bemüht gewesen. Sie besa? ?hnliche Eigenschaften wie ihre Mutter. Mit Verstand und Geist verband sie gro?e Lebhaftigkeit. Wie sie sonst zu beurteilen sei, mu?te er erst ergründen.
Es giebt Frauen, die bei aller sonstigen Beweglichkeit eine stolze Prüderei hervorkehren, sobald ein Mann eine über das Konventionelle hinausgehende Ann?herung wagt.
Zu einer engeren Berührung im ersteren Sinne geh?rt nach ihrer Auffassung die Prüfung eines halben Menschenalters, und Artigkeiten, die ein Interesse verraten, weisen sie mit einer verletzenden Schroffheit zurück.
Der Graf hatte recht: zu diesen schien Lucile zu geh?ren.
Lucile sprach mit Vorliebe über ihren Aufenthalt in den gro?en St?dten und ihren Verkehr mit den Personen der bevorzugten St?nde. Es geschah das aber in einer Weise, die keinerlei Absichtlichkeit durchschimmern lie?; sie behandelte die Dinge als etwas naturgem?? zu ihr geh?riges. Aber es ging aus allem hervor, da? sie Umgang und Beziehungen zu solchen Personen über alles stellte, da? das Leben in diesen Kreisen mit dem Interesse für Toilette, Korsos, Jagden, Pferde und ger?uschvolle Geselligkeiten ihr Eldorado war. Und dieses Hervorkehren und dieses Wertlegen auf Dinge, die Axel als minderwertige ansah, reizte ihn und verführte ihn zu starkem Widerspruch.
"Was Sie besonders anzuziehen scheint, Komtesse, st??t mich geradezu ab--" warf er, herabsetzend im Tone, hin.
Und mit einem "So, so! Ja, der Geschmack ist eben ein verschiedener--" antwortete sie darauf.
Statt da? Lucile, wie Axel erwartet hatte, ein Erstaunen darüber an den Tag legte, da? er, der doch zu diesem Kreise geh?rte, einen solchen abweichenden Geschmack bekundete, schien sie das hinzunehmen, wie das Zwitschern eines V?gelchens, das über ihnen in den Zweigen huschte.
Sie rechnete mit dem, was einmal vorhanden war; sie entwickelte keinen Eifer darüber, da? es mit ihren Neigungen
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 79
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.