Grevinde | Page 5

Hermann Heiberg
nicht mehr an und h?rte auch nicht mehr zu, wenn jener sprach. Allerdings kehrte Prest? auch eine ziemlich unpers?nliche Art gegen Imgjor hervor. Er sprach zwar sehr viel mit ihr, aber über Gegenst?nde, die sonst nur zwischen M?nnern er?rtert werden. Er machte ihr in keiner Weise den Hof, legte vielmehr an den Tag, da? ein Prest? gerade so viel Beachtung in der Welt verdiene und dasselbe Recht auf Selbstgefühl besitze, wie die Familie Lavard auf Schlo? Rankholm. Und Imgjor h?rte ihm zu, als ob ein Evangelium von seinen Lippen fl?sse; sie richtete ihre Augen und Gedanken so ausschlie?lich auf ihn und wich Axel so geflissentlich aus, da? dieser zuletzt wie ein Freitischschüler neben ihnen sa?.
Allerdings hielt das nicht lange an. Graf Dehn verband mit Geist und sehr gro?er Gewandtheit eine starke Initiative, und sie und seine Menschenkenntnis gaben ihm stets die Mittel an die Hand, sich, wenn er es wollte, zum Herrn der Situation zu machen. Und so geschah's auch heute.
Im Nu wu?te er an der anderen Seite des Tisches das Gespr?ch an sich zu ziehen und entwickelte einen so anziehenden, von den Beifallsbezeugungen jener begleiteten Redeflu?, da? auch Prest? und Imgjor zum Zuh?ren gezwungen wurden.
Er erz?hlte mit packendem Humor von einer Jagd in der Lausitz und charakterisierte die Personen, die dabei zugegen gewesen, mit solcher Meisterschaft, da? ihm Graf Lavard und Graf Knut unter lebhaftem Gel?chter und mit sehr beif?lligen Mienen zutranken.
Aber Axel benutzte auch diese Gelegenheit, um dem Doktor Prest? einen Denkzettel zu geben.
Indem er Prest? lediglich einen anderen Namen beilegte, entwarf er ein so sprechendes Bild von dessen ?u?eren Erscheinung, seinem Auftreten und Wesen und führte solche Kolbenschl?ge gegen dessen Ueberhebung und Erziehungsmangel, da? die Hausdame, Fr?ulein Merville, die offenbar Axels Abneigung gegen Prest? teilte, zun?chst mit einem Ausdruck h?chsten Erschreckens, dann aber mit einem solchen h?chster Befriedigung die Lippen verzog.
Nicht weniger schien die Gr?fin durch diese Abfertigung angemutet. Nachdem sie anfangs mit einer Miene des Zweifels, ob die Betreibung nur zuf?llig auf Prest? passe oder ob Axel jenen bewu?t charakterisiere, zugeh?rt, erschien in der Folge etwas in ihren Zügen, das Axel nicht nur über ihre Meinungen bezüglich Prest?s belehrte, sondern die auch sagten, da? sie ihm deshalb durchaus nicht gram sei.
Anders aber Imgjor, in der es sichtlich vor Aufregung kochte.
Ganz abweichend von ihrer bisherigen stummen Gleichgültigkeit gegen die Vorg?nge ihrer Umgebung, brach sie das Schweigen und mischte sich in das Gespr?ch, indem sie nicht nur sp?ttisch Zweifel an der Wahrscheinlichkeit der von Axel erz?hlten Vorg?nge ?u?erte, sondern auch zum offenen Angriff vorging. "Die Personen, die Sie uns schilderten, Herr Graf, sind, wie ich es garnicht bezweifle, wirklich lebende Menschen, und Sie erreichen Ihren Zweck, zu beweisen, da? Sie scharf zu beobachten verstehen. Aber Sie beweisen auch, da? Sie besser in fremde Spiegel zu schauen verm?gen, als in den eigenen. Letzterer schafft nachsichtige Urteile. Diejenigen, die sich anma?en, über andere den Stab zu brechen, vergessen allzu oft bei ihren Vortr?gen, da? sich den Zuh?rern eine nicht zu ihrem Vorteil ausfallende Betrachtung über ihre Einseitigkeit aufdr?ngt--"
"Sie haben vollkommen recht, gn?digste Komtesse--" entgegnete Axel auf diese herausfordernde Rede mit vollendeter H?flichkeit. "Nur glaube ich, da? ich diese Unvollkommenheit, oder, wie Sie liebenswürdig ?u?ern, diese Einseitigkeit, mit fast allen meinen Mitbrüdern und Mitschwestern teile.--Nur eine Ausnahme giebt's--ich spreche nicht, um Komplimente zu sagen, gn?digste Komtesse--und diese fand ich hier auf Schlo? Rankholm. Sie sind's! Sie geben jedem, was ihm zukommt und gelangen sicher stets zu gerechten, wenn auch nicht immer v?llig milde klingenden Richtersprüchen!"
Der Eindruck dieser Rede war ein sehr verschiedener.
Imgjors Wangen bedeckten sich mit der Bl?sse des Zorns. Die schwarzen Augen in ihrem bleichen Angesicht mit dem braunr?tlichen Haar funkelten unheimlich. Der Doktor aber, zugleich erregt an einem Brotkügelchen knetend, ri? den Mund j?hzornig zur Seite. Die anderen standen vorl?ufig noch unter dem Eindruck, da? es sich vielmehr um eine scharf zugespitzte Neckerei handelte, als da? jene sich bek?mpfen wollten.
Der Graf ?u?erte sich auch in diesem Sinne, indem er hinwarf:
"So, Imgjor! Nun wei?t du, aus welchen Himmelsh?hen du zu uns hinabgestiegen bist. Werde noch etwas milder und du kannst einst als Heilige verehrt werden!"
Und die Gr?fin warf Axel einen ihrer forschenden Blicke zu, einen jener, durch den sie zugleich verriet, da? ihr Interesse für Axel sich immer mehr steigerte.
Wie sehr übrigens diese Zurückweisung Imgjor getroffen hatte, bewies ihr ferneres Verhalten bei Tisch. Sie h?rte zwar auch ferner dem zu, was ihr der Doktor vortrug, aber ihre Gedanken waren offenbar nur halb oder gar nicht bei der Sache. Sie sann sichtlich über einen Racheakt nach und mu?te doch ihren hei?en Drang bez?hmen, weil sie Axel auf diese h?fliche Abfertigung nicht beizukommen vermochte.
Aber nicht ein einziges Mal richtete sie das Antlitz ihm zu, und ebenso verharrte der Doktor in einer feindselig stummen Abwehr. Axel wu?te sich auch in der Folge lediglich den übrigen zuzuwenden, blieb bis zum Tafelschlu? in einer lebhaften
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