Goetz von Berlichingen | Page 5

Johann Wolfgang von Goethe
weiß?
Götz. Erzählen dir das meine Knechte?
Georg. Wohl. Dafür pfeif ich ihnen auch, wann wir die Pferde striegeln,
allerlei Weisen und lerne sie allerlei lustige Lieder.
Götz. Du bist ein braver Junge.
Georg. Nehmt mich mit, daß ich's zeigen kann!
Götz. Das nächstemal, auf mein Wort. Unbewaffnet wie du bist, sollst
du nicht in Streit. Die künftigen Zeiten brauchen auch Männer. Ich sage

dir, Knabe, es wird eine teure Zeit werden: Fürsten werden ihre Schätze
bieten um einen Mann, den sie jetzt hassen. Geh, Georg, gib Hansen
seinen Küraß wieder und bring mir Wein. (Georg ab.) Wo meine
Knechte bleiben! Es ist unbegreiflich. Ein Mönch! Wo kommt der noch
her?
(Bruder Martin kommt.)
Götz. Ehrwürdiger Vater, guten Abend! woher so spät? Mann der
heiligen Ruhe, Ihr beschämt viel Ritter.
Martin. Dank Euch, edler Herr! Und bin vor der Hand nur demütiger
Bruder, wenn's ja Titel sein soll. Augustin mit meinem Klosternamen,
doch hör ich am liebsten Martin, meinen Taufnamen.
Götz. Ihr seid müde, Bruder Martin, und ohne Zweifel durstig! (Der
Bub kommt.) Da kommt der Wein eben recht.
Martin. Für mich einen Trunk Wasser. Ich darf keinen Wein trinken.
Götz. Ist das Euer Gelübde?
Martin. Nein, gnädiger Herr, es ist nicht wider mein Gelübde, Wein zu
trinken; weil aber der Wein wider mein Gelübde ist, so trinke ich
keinen Wein.
Götz. Wie versteht Ihr das?
Martin. Wohl Euch, daß Ihr's nicht versteht. Essen und trinken, mein
ich, ist des Menschen Leben.
Götz. Wohl!
Martin. Wenn Ihr gegessen und getrunken habt, seid Ihr wie neu
geboren; seid stärker, mutiger, geschickter zu Euerm Geschäft. Der
Wein erfreut des Menschen Herz, und die Freudigkeit ist die Mutter
aller Tugenden. Wenn Ihr Wein getrunken habt, seid Ihr alles doppelt,
was Ihr sein sollt, noch einmal so leicht denkend, noch einmal so
unternehmend, noch einmal so schnell ausführend.
Götz. Wie ich ihn, trinke, ist es wahr.
Martin. Davon red ich auch. Aber wir-(Georg mit Wasser.)
Götz (zu Georg heimlich). Geh auf den Weg nach Dachsbach, und leg
dich mit dem Ohr auf die Erde, ob du nicht Pferde kommen hörst, und
sei gleich wieder hier.
Martin. Aber wir, wenn wir gegessen und getrunken haben, sind wir
grad das Gegenteil von dem, was wir sein sollen. Unsere schläfrige
Verdauung stimmt den Kopf nach dem Magen, und in der Schwäche
einer überfüllten Ruhe erzeugen sich Begierden, die ihrer Mutter leicht

über den Kopf wachsen.
Götz. Ein Glas, Bruder Martin, wird Euch nicht im Schlaf stören. Ihr
seid heute viel gegangen. (Bringt's ihm.) Alle Streiter!
Martin. In Gottes Namen! (Sie stoßen an.) Ich kann die müßigen Leute
nicht ausstehen; und doch kann ich nicht sagen, daß alle Mönche müßig
sind; sie tun, was sie können. Da komm ich von St. Veit, wo ich die
letzte Nacht schlief. Der Prior führte mich in den Garten; das ist nun ihr
Bienenkorb. Vortrefflicher Salat! Kohl nach Herzens Lust! und
besonders Blumenkohl und Artischocken, wie keine in Europa!
Götz. Das ist also Eure Sache nicht. (Er steht auf, sieht nach dem
Jungen und kommt wieder.)
Martin. Wollte, Gott hätte mich zum Gärtner oder Laboranten gemacht!
Ich könnte glücklich sein. Mein Abt liebt mich, mein Kloster ist Erfurt
in Sachsen; er weiß, ich kann nicht ruhn; da schickt er mich herum, wo
was zu betreiben ist. Ich geh zum Bischof von Konstanz.
Götz. Noch eins! Gute Verrichtung!
Martin. Gleichfalls.
Götz. Was seht Ihr mich so an, Bruder?
Martin. Daß ich in Euern Harnisch verliebt bin.
Götz. Hättet Ihr Lust zu einem? Es ist schwer und beschwerlich ihn zu
tragen.
Martin. Was ist nicht beschwerlich auf dieser Welt! und mir kommt
nichts beschwerlicher vor, als nicht Mensch sein dürfen. Armut,
Keuschheit und Gehorsam--drei Gelübde, deren jedes, einzeln
betrachtet, der Natur das Unausstehlichste scheint, so unerträglich sind
sie alle. Und sein ganzes Leben unter dieser Last, oder der weit
drückendern Bürde des Gewissens mutlos zu keuchen! O Herr! was
sind die Mühseligkeiten Eures Lebens, gegen die Jämmerlichkeiten
eines Standes, der die besten Triebe, durch die wir werden, wachsen
und gedeihen, aus mißverstandener Begierde Gott näher zu rücken,
verdammt?
Götz. Wär Euer Gelübde nicht so heilig, ich wollte Euch bereden, einen
Harnisch anzulegen, wollt Euch ein Pferd geben, und wir zögen
miteinander.
Martin. Wollte Gott, meine Schultern fühlten Kraft, den Harnisch zu
ertragen, und mein Arm Stärke, einen Feind vom Pferd zu
stechen!--Arme schwache Hand, von jeher gewohnt, Kreuze und

Friedensfahnen zu führen und Rauchfässer zu schwingen, wie wolltest
du Lanze und Schwert regieren! Meine Stimme, nur zu Ave und
Halleluja gestimmt, würde dem Feind ein Herold meiner Schwäche
sein, wenn ihn die Eurige überwältigte. Kein Gelübde sollte mich
abhalten wieder in den Orden zu treten, den mein Schöpfer selbst
gestiftet hat!
Götz. Glückliche Wiederkehr!
Martin. Das trinke ich nur für Euch. Wiederkehr in meinen Käfig ist
allemal unglücklich. Wenn Ihr wiederkehrt, Herr, in Eure Mauern, mit
dem
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