Geschichte der Englischen Sprache und Literatur | Page 9

Ottomar Behnsch
So stand
nach der Notitia imperii die 26. cohorte der Britten in Armenien, die 4.
Ala der Britten kämpfte in Egypten, ein haufen Britten hatte sein
standquartier in Spanien, ein anderer in Illyrien; andere brittische
hilfstruppen standen in Gallien, Italien und anderen theilen des
römischen reiches. In Britannien dagegen befanden sich fremde krieger,
unter andern auch eine afrikanische legion, zu welcher auch schwarze
Aethiopier gehörten. Aus solchen hilfstruppen entstanden zuweilen

colonien in fremden ländern, wodurch die Römer nicht nur eine stütze
ihrer herrschaft zu errichten, sondern auch eine allmälige assimilirung
der verschiedenartigen bevölkerung ihres reiches zu erzielen suchten.
Cicero nennt nicht mit unrecht die römischen colonien propugnacula
imperii. Indessen verlor Rom durch diesen auflösungsprocess der
nationalität fremder völker zugleich seine eigene. Männer aus stämmen
und völkern, welche das alte Rom einst unter seine füsse getreten hatte,
erhoben sich zu befehlshabern in den armeen, zu senatoren, stiegen
sogar auf den kaiserlichen thron!
In Britannien befanden sich nun besatzungen aus einer grossen anzahl
fremder stämme, deren physiognomie und sprache eine auffallende
verschiedenheit gezeigt haben muss. In der römischen sprache lag ihr
hauptverbindungsmittel. Die notitia imperii giebt eine liste von den
besatzungen der südöstlichen und östlichen küsten, welche den
einfällen der Sachsen, so wie der nördlichen grenzen Britannien's,
welche den raubzügen der Picten und Scoten unterworfen waren. So
standen z.b. zu Othona (später Yttanceaster in Essex) Fortensier aus
Fortia in Sarmatien, zu Dubrae (Dover) Tungrier[26] aus Tongern im
Lüttichschen, zu Portus Lemanis (Lymne) Gallier aus Tornacum oder
Tournay, zu Anderida (Pevensey) Abulcen aus Spanien, zu Regulbium
(Reculver) Betasier aus dem belgischen Gallien, u.s.w. An der
nordgrenze waren die racen in den besatzungen noch gemischter; es
finden sich darunter Belgier, Asturier, Gallier, Dalmatier, Dacier,
Thracier und sogar Afrikaner. Unter den besatzungen im inneren des
landes kommen besonders Bataver, Friesen, Germanen vom Rhein,
aber auch andere stämme vor. Diese besatzungen wurden wenig
gewechselt; inschriften auf altären und grabsteinen, welche an den
stationsplätzen gefunden worden sind, zeigen uns, dass die truppen von
einer frühen zeit der römischen eroberung dort gleichsam ansässig
waren, denn es finden sich denkmäler, welche von dem oder den erben
des oder der verstorbenen gesetzt worden sind, ein beweis, dass die
militairischen colonisten eigenthümer des landes waren. Da nun solche
besatzungen ohne zweifel mit ihrem mutterlande in verbindung standen
und erforderlichen falles recruten von dort bezogen, so mussten die
städte, wo sie sich aufhielten, einen bestimmten volkscharakter erhalten,
obwohl mit der zeit modificirt durch römische civilisation, römisches

gesetz, römische verfassung und durch den offiziellen gebrauch der
römischen sprache, in welcher die muttersprache allmälig aufging,
jedoch nicht ohne wiederum jene wesentlich nach aussprache,
beugungsfähigkeit und satzbildung zu verändern. Dieses letztere
geschah überall, we die Römer eine längere, ununterbrochene
herrschaft ausübten, besonders aber in Italien, Gallien und Spanien,
we die römische sprache sich im laufe der zeit in die verschiedenen
romanischen mundarten umwandelte, welche allmälig auch als
schriftsprachen benützt wurden. Wie weit dieses in Britannien der fall
war, welches, bei seiner insularen abgeschlossenheit weiter von Rom
entfernt war und später den römischen eroberungen beigefügt wurde,
als die übrigen provinzen, lässt sich nicht mehr mit sicherheit
bestimmen; aus dem umstande aber, dass die germanischen eroberer
die römische cultur theilweise, und die römische sprache als
volkssprache gänzlich verdrängten, während in Italien, Gallien und
Spanien wenigstens letztere stark genug war, um die sprache ihrer
germanischen sieger zu verwischen, lässt sich schliessen, dass das
römische Sprachelement in Britannien mindere gewalt und tiefe
besessen habe und namentlich in der letzten zeit der Römerherrschaft
bedeutend geschwächt und von dem germanischen an mehreren orten
verdrängt oder angegriffen worden sei. Aus dem heutigen Englisch
lassen sich nur die worte Chester (cester), street und coln (Lin-coln)
mit sicherheit auf die Zeit der Römerherrschaft, nämlich, auf die
Wörter castrum, strata (via), colonia zurückführen.
[Footnote 26: Tungrier standen als besatzung an mehreren orten in
Britannien. Sie waren Deutsche, welche zu Cäsar's zeit unter dem
namen Aduatuci bekannt und mit anderen Deutschen, den stammen der
Condrusi, Eburones, Cæræsi, Pæmani und Segni, noch vor Cäsar unter
die keltische bevölkerung Belgien's eingedrungen waren. Cæs. de bell.
Gall. II, 4. und Mannert geogr. der Griechen und Römer II, 1. p. 199.]
Die keltische bevölkerung Britannien's war ohne zweifel während der
Römerzeit in die tiefste abhängigkeit und unterthänigkeit
herabgedrückt worden. Ihre waffenfähige mannschaft wurde
ausgehoben und in andere theile des grossen reiches geschickt, um die
schlachten der Römer zu schlagen und ihre herrschaft an den

entgegengesetzten grenzen befestigen zu helfen. In den städten mit
römischen besatzungen konnte eine keltische bevölkerung nicht
aufkommen, daher es mehr als wahrscheinlich ist, dass besonders im
osten und südosten von Britannien Kelten und keltische sprache nur
noch auf dem lande aufgefunden wurden, während sich im westen und
norden die wilden keltischen bewohner zusammendrängten und im
fortwährenden kampfe mit den Römern und ihren von diesen
unterjochten stammesgenossen befanden. Dort, besonders im westen,
war es auch, wo sich bei den Kelten
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