Gesammelte Abhandlungen III | Page 3

Ernst Abbe
unterdrücken zu dürfen. Es sind dies: Nr. IV »Über die
Grundlagen der Lohnregelung in der Optischen Werkstätte« (1897), Nr.
VIII »Über die Aufgaben des Arbeiterausschusses« (1902) -- beide
schon einmal von mir herausgegeben für die Angehörigen der
Stiftungsbetriebe -- und dann besonders Nr. VII, der wichtige Vortrag
»Über die volkswirtschaftliche Bedeutung der Verkürzung des
industriellen Arbeitstages«.
Mit dem letztgenannten Gegenstand beschäftigte sich ERNST ABBE
bis in die letzte Zeit. Er hatte den entscheidenden Anstoß dazu durch
Diskussionen über Verkürzung des Arbeitstages im Arbeiterausschuß
der Firma Carl Zeiss (Winter 1899/1900) erhalten, die zu der erst
versuchsweisen (1900), dann endgültigen (1901) Einführung des
achtstündigen Arbeitstages in deren Betrieb Veranlassung gaben. Bei
beiden Gelegenheiten hatte sich ABBE in »Werkstatt-Versammlungen«
ausführlich zur Sache geäußert. Auf den hier abgedruckten, in der
Staatswissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena Ende 1901 gehaltenen,
Vortrag folgte ein solcher über den gleichen Gegenstand bei der
Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Mechanik und
Optik zu Dresden, September 1902, der inhaltlich wie formell
vortrefflich gewesen sein soll, von dem aber leider keine genaue Nach-
oder Niederschrift vorhanden ist. Einen Nachtrag zu dem Thema gab
ERNST ABBE dann später bei einem der »Referierabende« einer
privaten zwanglosen Vereinigung einiger naturwissenschaftlicher
Dozenten der Universität Jena; doch war auch hierüber nichts
Authentisches zu finden. Von der beabsichtigten gründlichen
Bearbeitung bezw. Darstellung des Gegenstandes, von der ERNST
ABBE wiederholt behauptete, daß ihre Räsonnements für jeden logisch
Denkenden durchaus zwingend sein würden, hielt ihn das schnell sich
steigernde mit dem Tode endigende Siechtum ab.
Ich habe die mir zur Verfügung stehenden einschlägigen Schriften,
Vorträge und Reden ABBES der Hauptsache nach in chronologischer
Reihenfolge wiedergegeben. Das Statut der Carl Zeiss-Stiftung selbst

aber habe ich mit seinen von ABBE teils für dessen Beratung, teils
hinterher niedergeschriebenen »Motiven und Erläuterungen« geglaubt
an den Schluß stellen zu sollen -- schon aus dem äußerlichen aber
wichtigen Grunde, um es gleich in der Neuredaktion vom 1. Januar
1906 (aber mit den Varianten der ursprünglichen Ausgabe) abdrucken
zu können. Man kann alle übrigen hier gebrachten Schriften und
Vorträge wohl mit gutem Recht auch als »Motive und Erläuterungen
zum Statut der Carl Zeiss-Stiftung« bezeichnen. Denn in dem Statut
hatte das sozialpolitische Glaubensbekenntnis ERNST ABBEs seinen
praktisch realisierbaren Ausdruck gefunden. Nur die beiden unter V
und VI abgedruckten Vorträge haben keinen Bezug auf das
Stiftungsstatut, sind überhaupt nicht sozialpolitischen, sondern der eine
wirtschafts-der andere rein staatspolitischen Inhalts. Es ist aber
namentlich die Rede »Über die rechtswidrige Beschränkung der
Versammlungsfreiheit« so charakteristisch in Inhalt wie Form für den
Redner als Persönlichkeit, daß ich gewiß bin, allen Freunden ERNST
ABBEs durch deren Wiederabdruck eine Freude zu bereiten, selbst
wenn Juristen zu einem anderen Ergebnis der Beweisführung kommen
sollten.
Bei der Herausgabe der folgenden Blätter leistete mir Herr G. PAGA,
hier, hilfreichsten Beistand, ohne dessen Zusicherung ich die Arbeit
angesichts meiner sonstigen Beanspruchung von vornherein nicht
übernommen hätte. Nicht nur die gesamte Überwachung der
Drucklegung ist sein Verdienst, sondern namentlich auch in der
Feststellung eines halbwegs lesbaren d. h. vernünftigen Sinn
ergebenden Textes bei den nur in unvollkommenen Nachschriften
vorhandenen Reden und Vorträgen hat mich Herr PAGA dank seinem
liebevollen Eingehen auf und Verständnis für den Gegenstand aufs
wirksamste unterstützt. Ich erfülle nur eine Pflicht, indem ich ihm auch
an dieser Stelle für seine teilnehmende Mitarbeit herzlichsten Dank
sage.
* * * * *
Für manche Leser ist es vielleicht erwünscht, die an äußeren
Begebenheiten verhältnismäßig arme, an innerem Geschehen dafür

desto reichere Lebensgeschichte ERNST ABBEs in ihren Hauptzügen
kennen zu lernen. Ich lasse sie deshalb hier folgen:
ERNST CARL ABBE wurde am 23. Januar 1840 als Sohn des
Spinnmeisters einer Fabrik in Eisenach geboren und besuchte bis zu
seinem 10. Lebensjahre die dortige erste Bürgerschule. Deren Lehrer,
denen die ungewöhnliche Begabung des Knaben auffiel, bewogen den
Vater, ihn auf das Realgymnasium (damals Realschule I. Ordnung) zu
geben, wo er im Jahre 1857 das Abiturientenexamen mit besonderer
Auszeichnung bestand. Von Ostern 1857 bis ebendahin 1859 studierte
ERNST ABBE Mathematik, Physik, Astronomie und Philosophie an
der Universität Jena, wo er sich besonders an K. SNELL anschloß, von
1859-1861 in Göttingen, wo neben dem berühmten Physiker W.
WEBER der große Mathematiker B. RIEMANN den stärksten Einfluß
auf sein Denken gewann. Dort promovierte ERNST ABBE 1861 mit
einem kritischen Beitrag zur mechanischen Wärmetheorie und nahm
dann die Stelle eines Dozenten am physikalischen Verein in Frankfurt a.
M. an, die er aber bald aufgab, um nach Durchführung einiger privaten
Studien auf Veranlassung SNELLS sich 1863 in Jena als Privatdozent
zu habilitieren. Während der Universitätszeit hatten neben der natürlich
sehr geringen vom Vater gewährten Beihilfe Preisaufgaben, Stipendien
und Privatstunden die freilich oft kaum ausreichenden Mittel zum
Lebensunterhalt gewährt. Als Privatdozent erteilte ERNST ABBE
Unterricht an der K. V. Stoyschen Seminarschule, erhielt aber von
Anbeginn an auf Veranlassung von K. M. SEEBECK, dem damaligen
Kurator der Universität, der von ERNST ABBEs hervorragender
Bedeutung überzeugt war und ihn auf jede Weise
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