Frau und Kindern auf der Spur | Page 9

Gerold K. Rohner
voll mit Geld. Sie hatte alles verkauft, was sie
verkaufen konnte in der Zwischenzeit, um gerade für so einen Fall zu
sorgen. Man konnte sich auf sie verlassen. "Dad, vergiss die nicht".
Jack war inzwischen aufgewacht und aus seinem Zimmer gekommen.
Er reichte mir meine Smiths Colts und Patronen. Ich fiel ihm um den
Hals und küsste ihn : "Sorge für die Familie, gehorche deiner Mutter,
denn sie ist weise. Verlier nicht die Nerven, mach nichts Dummes." Ich
wusste was für eine Zielstrebigkeit und was für starke Gefühle Jack
besass und das konnte ihn manchmal zum Hitzkopf machen, obwohl er
normalerweise sehr ruhig war. Lisa, meine jüngere Tochter kam
keuchend ins Haus gerannt : "Dad, Sara und ich haben dein Pferd
gesattelt. Das nötigste ist in den Satteltaschen. --au! jetzt hab ich noch
was zu Essen vergessen. Wart ich geh gleich." "Wenn sie hierher
kommen, sag dass du mich nicht gesehen hättest. Dass ich meine
Sachen wahrscheinlich leise gehohlt hätte. Sonst wirst du mitschuldig."
Ich packte die Munition und rannte hinaus. Alle folgten mir ebenso
rasch. "Beeil dich, Dad" sagte Sara mit besorgter und gedämpfter
Stimme. "Beeil dich!--wir werden dich nie vergessen". Ich küsste sie
über das ganze Gesicht, dann Lisa, dann Julia und zuletzt auch noch
Jack. "Mach dir keine Sorgen um uns, Josh--kümmere dich nur um dich
selbst.--ich will dich nicht verlieren!" sagte Julia mit zitternder Stimme.
Nur meine Mutter, die mit uns wohnte, war nicht aufgewacht. Sie war
siebzig Jahre alt, doch schlief sie sehr gut. Dann galopierte ich weg.
Nach Süden. Denn ich würde nicht geradewegs nach Kanada reiten.
Zuerst musste ich über den Rio Grande, nach Mexiko. Und das so
schnell wie möglich. Als ich dahinritt ging mir die Abschiedsszene
nochmals durch den Kopf. Sogar in einer solch kurzen Szene zeigten
sich doch der Charakter meiner Frau und Kinder. Alle waren sehr
zuverlässig. Das verlangte ich von meinen Kindern von sehr früh an.

Wie froh war ich jetzt, dass ich hart mit ihnen gewesen war. Julia und
Jack waren beide sehr starke Persönlichkeiten. Man konnte sie nicht
leicht in etwas hineinreden. Sie machten nichts was sie nicht wollten.
Sie mussten ihren eigenen Weg gehen und ihren eigenen Raum haben.
Das war manchmal schwierig für mich. Meine Frau zum Beispiel trug
nie Frauenstiefel, weil sie unbequem waren. Man konnte ihr sagen was
man wollte, sie trug ihre Mokasins, von Indianern gefertigt. Und
obwohl sie hervorstach, und die argwöhnischen Blicke der Frauen im
Dorf auf sich zog, bevorzugte sie das. Das machte mir manchmal zu
schaffen. Sie wollte einfach nicht "normal" sein, so wie jeder, und sich
einfügen. Jack, der wollte keine Brandzeichen auf unsern Rindern, weil
er glaubte dass es ihnen weh täte. Wenn ich es tun wollte, fing er an
gegen mich zu kämpfen. Wir sprachen darüber, und ich konnte ihn
nicht davon abbringen. Alle Vernunft half nichts. So einigten wir uns
dass wir ein kleines rundes Loch aus ihren Ohren schneiden würden,
um sie zu identifizieren. Jack sah das etwa so, wie die Löcher für Lisas
und Saras Ohrringe. Es war ok. Lisa, die jüngere war sehr sprudlig aber
immer etwas zerstreut. Sie sprach am Meisten in der ganzen Familie.
Sie liebte das Schauspiel und die Musik. Sie liebte Humor. Brachte uns
immer zum Lachen. Es machte ihr gar nichts aus wenn Leute über sie
lachten. Während es jemand anders scheniert hätte, empfand sie es als
Spass. Sarah war mir am Ähnlichsten. Sie war sehr organisiert. Ein
tiefer Denker. Sehr intelligent. Scheu zwar und zurückgehalten, aber
kein Feigling. Eine tiefe innere Glücklichkeit und Zufriedenheit schien
durch ihr Gesicht. Das machte sie sehr attraktiv. * * * Ich war zum Rio
Grande gekommen und schwamm hinüber, mein Pferd am Halfter
führend. Das Wasser war trüb wie immer und warm. Ich hatte es bis
Mexiko geschafft, aber sicher war ich noch nicht. Sie konnten mich
hier zwar nicht verhaften. Aber sie konnten mich holen und illegal
wieder über den Rio Grande zurückbefördern und dort verhaften. Oder
schlimmer, sie erschossen mich und nahmen mich tot zurück. Das wäre
den Kings sicher am Liebsten gewesen, dann hätten sie einen
Sündenbcok, der nicht mehr sprechen konnte. Trotzdem fühlte ich mich
besser jetzt, und sprach ein Dankgebet. Gott hatte mir geholfen, wie
erwartet. Ich machte keine Rast, sondern ritt tagelang bis Santa Cruz,
wo ich mich dann wieder über die Grenze zurück wagte. Lisas Essen
reichte für fünf Tage. Sie hatte mir Brot und geräuchtes Rindfleisch,

Mandeln und dedörrte Aprikosen gepackt. Dann ging ich
zweiundzwanzig Tage ohne Essen. Ich wollte nirgends gesehen werden.
Sara und Lisa hatten alles mögliche in meine Satteltaschen gepackt:
eine Decke, frische UnterWäsche, Taschentücher, Feuerzeug, eine
kleine Ax, einen Kamm, Zahnbürste und ein paar Frauen Sachen:
Faden und Nadeln, einen Waschlappen, ein Handtuch, Seife und sogar
eine kleine Flasche Perfum mit einem kleinen Zettel
darumherumgewickelt. Darauf stand: "Wenn
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