kann. Sogar dann wenn jemand seinen Revolver
schon auf Jack gerichtet hat kann Jack noch ziehen, schiessen und
treffen bevor der andere abziehen kann. Dass passierte mit Jose
Domingo. Als er das Handgewehr von dreissig Fuss schon auf Jack
Cohan gerichtet hatte, da schoss es ihm Jack aus der Hand, noch bevor
er den Abzug bewegen konnte. Jack liess ihn leben. Denn Jose war
jung und dumm, und Jack Cohan war ein gütiger Mann. Jack schoss
rechts und links, schneller rechts. Das war von Vorteil. Einmal in
einem zweiten Duell mit Jose Domingo verklemmte sich sein rechter
Colt. Jack hatte noch genug Zeit seinen Linken zu ziehen, bevor Jose
abdrücken konnte. Wieder schoss ihm Jack den Revolver aus der Hand.
Und wieder vergab er Jose Domingo und liess ihn leben. Aber er
warnte Jose: Kommst du ein drittes Mal wird's dein Ende sein. Jose
schoss nie mehr auf Jack. Er lernte nichts beim ersten Mal, aber er
lernte was beim zweiten Mal. Besser als nie. * * * Es war das Jahr 1865.
Ja, der Westen war ein wildes Land, in dem nur die Stärksten
überlebten. Der Bürgerkrieg war im Osten zu Ende gekommen, und
Sklaverei hatte ein Ende genommen. Der Westen aber war noch
unzivilisiert und unerschlossen. Zivilisation war bis zum Mississippi
vorgedrungen, aber die Prarie war immer noch von sechzig Millionen
Büffeln bewohnt. Sie war noch so wild, wie eh und je. Die Indianer
jagten die Büffelherden, Antelopen gab es noch von Kanada bis
Mexiko und es war keine Seltenheit, Pumas zu sehen. Das Land war
noch unberührt. Erschlossen und für Ansiedler freigemacht wurden
diese Gebiete durch die Eisenbahn. Die Eisenbahn war aber erst bis
Kansas City vorgedrungen. Zur Zeit wurden Texas Rinder immer noch
auf dem Chisholm Trail nach Kansas getrieben. Von dort konnten sie
mit der Eisenbahn zu den Märkten im Osten gefahren werden. Das
sollte sich erst in zehn Jahren ändern. In Texas gab es also Ranches mit
Rindern, aber die Prärie blieb ungenützt. Sie wurde noch nicht für
Weizen gepflügt und war noch nicht zum Brotkorb der Nation
geworden. Als ich so da sass und nachdachte--ich hatte mich
inzwischen an einen Tisch gesetzt--fielen meine Gedanken auch auf die
Frau und ihre Kinder. Die Kinder machten den Eindruck als wären sie
wohl erzogen und Prüfungen und Leid im Leben gewachsen. Sie
schienen fast zu reif zu sein für ihr Alter. Der Junge machte den
Eindruck dass man ihn überall gebrauchen konnte. Der seriöse
Ausdruck auf dem Gesicht der Frau fügte zu ihrer Schönheit hinzu. Sie
schien eine Frau zu sein, auf die man sich verlassen konnte--in jeder
Situation. Sie schien tief zu sein, nicht oberflächlich, mit einem guten
Verstand und guter Einsicht, die durch harte Erfahrungen kommen. Sie
war nicht verweichlicht, nicht verwöhnt. Sie schien hart und mutig.
Auch sie hatte keinen Mucks gemacht als der Schurke ihr Mädchen
wegzuschleppen drohte. Warum nicht? Sie schien nicht die Frau zu sein,
die ihrer Tochter etwas zustossen liesse, ohne sich zu wehren. Oder war
sie es sich gewöhnt von Männern verteidigt zu werden, die ihre Anmut
schätzten. Ich konnte diese Fragen nicht beantworten. Ich sollte es
können, denn sie war meine Frau und es waren meine drei Kinder.
Aber ich kannte sie kaum mehr. Ich betrachtete sie jetzt wie ein
Aussenstehender. Ich hatte schon zweieinhalb Jahre nichts mehr mit
ihnen zu tun gehabt, als ich ihre Spur wiederfand in Laredo. Sie waren
mir fast fremd. Ich erkannte sie, das schon--aber ihr Charakter hatte
sich verändert und es war als lernte ich sie wieder kennen, seit Laredo.
Mit jeder Beobachtung war ich mehr von ihnen beeindruckt, sie waren
gewachsen. Sie hatten mich nicht erkannt und das war mir auch recht.
Ich hatte es erwartet, denn ich hatte mich sehr verändert. Ich sah nicht
mehr aus wie früher und das mit gutem Grund. Denn ich war auf der
Flucht und niemand durfte mich erkennen. Sie auch nicht, denn das
brächte sie in noch grössere Gefahr, als sie schon waren. Ja sie waren in
Gefahr, denn das war kein Land in dem Frauen und Kinder unbeschützt
reisen sollten. Nun ganz unbeschützt waren sie nicht mehr seit Laredo,
denn ich würde auf sie aufpassen. Sie waren dessen unbewusst, hatten
nicht einmal bemerkt dass ich ihnen folgte. Nein sie durften mich nicht
erkennen, denn wen jemand erfuhr, dass sie zu mir gehörten, dann
würden sie gejagt werden, genau so wie ich. Auch konnte ich sie besser
beschützen aus der Distanz. Ja ich liebte sie. Ich liebte sie sehr. Aber
ich musste mich fern halten. Sie durften nicht einmal merken, dass ich
hinter ihnen her war. Darum war ich dem Wirt so dankbar heute abend.
Ich hatte nicht selbst eingreifen müssen. Ich wollte nicht dass sie
meiner überhaupt bewusst waren. Ich hatte mich also im Hintergrund
halten können. Um so besser--aus einem anderen Grund auch--ich
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