Frau Pauline Brater | Page 7

Agnes Sapper
geborene T?chterchen, Sophie, etwa sechsj?hrig, an Croup. Bis in ihr Alter erinnerte sich Pauline dieser lieblichen kleinen Schwester und des Augenblicks, da diese in ihrer Todesnot nach Atem ringend ihr Bettkittelchen von unten bis oben zerri?, um Luft zu bekommen. Noch trauernd um diesen Verlust sah die Mutter einen noch herberen nahen, fühlte sie die Grundfeste des Hauses wanken. Ihr bis dahin so gesunder Mann erlitt im Jahre 1834 einen Schlaganfall, dem sp?ter noch weitere folgten. Für ihn und die Seinen entstand daraus eine schwere Leidenszeit. In verschiedenen Briefen an ihre treue Schwester Adelheid, die mit Rektor Roth in Nürnberg verheiratet war und an die Verwandten in Württemberg spricht sich der tiefe Kummer über die Krankheit, die bange Sorge vor der Zukunft aus. Sie schreibt: ?Ihr glaubt nicht, in welcher Spannung und Angst ich lebe, ich bin nur froh, wenn ein Tag wieder herum ist. Oft denke ich: nur auch einmal m?chte ich mich wieder niederlegen, ohne da? die schweren Sorgen mich drücken, die werden mich aber wohl nicht mehr verlassen, besser kommt es wohl nimmer, aber schlimmer kann es ja noch werden.? Es gibt wohl kaum eine gr??ere Qual als die, welche sie nun durchmachen mu?te; zusehen, wie nicht nur die k?rperlichen, sondern auch die geistigen Kr?fte des geliebten Mannes infolge jedes neuen Anfalls immer mehr abnahmen. Dazu kam, da? er selbst sich zeitweise dieses Zustands bewu?t und dann im h?chsten Grade erregt war.
Den Kindern blieb ein Auftritt in Erinnerung, unter dem sie ihre Mutter erzittern sahen. Sie sa? am Bette des Mannes, der sie immer um sich haben wollte, und mit dem zu sprechen doch so qualvoll war, weil ihm oft die Worte nicht zu Gebote standen und er dadurch in wachsende Erregung geriet. So suchte er diesmal nach einem Namen, konnte ihn nicht finden und fragte seine Frau: ?Wie hei?t der Student, der so oft zu uns kommt?? Sie nannte einen Namen und wieder einen, jeder falsche Vorschlag regte ihn mehr auf und sie besann sich in wachsender Angst auf die zahllosen Studenten, die jemals aus- und eingegangen waren, bis er endlich in Wut ausbrechend ihr zurief: ?Du Rabenmutter, es ist ja Dein eigener Sohn!? Der Sohn Heinrich war es, dessen Namen er gesucht hatte. Auf solche Stunden der Erregung folgten auch wieder ruhigere, in denen sein früheres liebevolles, anspruchloses Wesen zum Ausdruck kam, denn auch bei geistig Erkrankten tritt ihr eigentliches Naturell zeitweise zutage. Der selbstlose Mensch wird immer zu unterscheiden sein von dem Egoisten, der feinfühlende von dem gemeinen, und es hat etwas unendlich Rührendes, wenn solch edle Eigenschaften durchleuchten zwischen den durch die Krankheit verdunkelten Stunden.
So blieb auch diesem Kranken die Liebe und Verehrung der Seinen treu bis zu dem Augenblick, wo ihn der Tod erl?ste, im Sommer 1835.
Wie es der Witwe zumute war, als sie allein stand mit ihrer Kinderschar, spricht sie aus gegen den ?ltesten Sohn Heinrich, der damals schon eine Anstellung hatte an dem theologischen Seminar im Kloster Sch?nthal in Württemberg.
Lieber Heinrich!
Schwere kummervolle Tage habe ich zurückgelegt seit Du von uns gingst und noch immer kann ich mich an den Gedanken nicht gew?hnen, da? Ihr für dieses Leben keinen Vater mehr habt und da? auch mir die Seele von meinem Leben fehlt. Die erste Zeit wurde mir dadurch leichter, weil der Gedanke, da? er nun Ruhe habe, mir so tr?stlich war. Allein jetzt, seit die Erinnerung an seine Leiden schw?cher wird und sein Bild wieder in meiner Seele lebendig wird, wie er früher war, mit welcher Liebe er an uns hing und mit welcher Treue er alle seine Pflichten erfüllte und wie sein Geist und Beispiel noch so wohlt?tig für seine Kinder gewesen w?re, da m?chte ich wohl fragen: warum Du lieber Gott hast Du uns das wohl getan? und schwer wird es mir, mich mit Ergebung in Gottes Willen zu fügen. Ich habe mit der schmerzlichsten Sehnsucht gehofft, er werde vor seinem Ende noch so viel Bewu?tsein bekommen, da? er seinen Kindern auch noch einen Segen, mir nur auch ein Trosteswort zurücklassen k?nne, denn schon bei einer kurzen Trennung tut es wohl, wenn man Abschied nehmen kann und ich mu?te bei dieser schmerzlichen und vielleicht langen Trennung auch diesen Trost noch entbehren ....

II.
1835-1849
Unsere kleine Pauline war inzwischen ein Schulm?dchen geworden, ein begabtes, wenn auch nicht eben ein flei?iges. Sie konnte, wenn es darauf ankam, schon ganz ordentliche Briefe schreiben. Es ist uns solch ein Kinderbrief erhalten, den sie anl??lich der Verlobung ihres Bruders Kraz mit Luise Els??er an diese schrieb. Sie redet die neue Schw?gerin gleich als Schwester an.
Liebe Schwester!
Es freut mich, da? Du einen Br?utigam hast und da? es mein Bruder ist. Heiratet Euch nur bald, ich freue mich recht bis die Hochzeit ist, denn ich komme auch dazu. Weil Du gesagt hast, ich soll Dir schreiben, so will ich es tun. Ich kenne Dich zwar noch nicht, aber
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