Frau Pauline Brater | Page 5

Agnes Sapper
belebteren Eindruck als Erlangen, gar nicht zu reden von manch andern Universit?tsst?dten, in denen Fremdenverkehr mit Hotelomnibus, Automobilen und eleganten Gef?hrten der Stadt ein vornehmes Gepr?ge verleihen. Davon ist in Erlangen nichts zu sehen. Zwar würden die Gro?eltern der jetzigen jungen Generation staunen über die Reinlichkeit der kanalisierten Stra?en, in denen zu ihrer Zeit trübe Lachen vor den H?usern standen, staunen über die n?chtliche Beleuchtung, die ihre kleinen Handlaternen in die Rumpelkammern verwiesen hat; manches H?userviertel w?re ihnen vollst?ndig unbekannt, die neuen Universit?tsgeb?ude, die sorgf?ltig gepflegten Anlagen und sch?nen Brunnen würden ihre Bewunderung erregen. Aber dennoch, im Vergleiche mit andern war und ist Erlangen eine einfache Stadt, sie gab und gibt noch den Beweis, da? der menschliche Geist, der in einer so kleinen Schale eingeschlossen ist, auch keine gro?e, stattliche Behausung braucht.
Manche m?gen ungünstig über die kleine Universit?tsstadt urteilen und sie langweilig nennen, aber es wird immer auch solche geben, denen sie lieb ist und sinnbildlich erscheint für einen in sich gekehrten deutschen Gelehrten.
In der Atmosph?re dieser kleinen Stadt ist Pauline aufgewachsen und unser Horoskop verspricht ein mehr dem Schlichten als dem Vornehmen zugewandtes Wesen ohne Streberei, mit Sinn für fr?hliches Behagen und mit der Anschauung, da? nicht Geld, sondern Geist die Welt regiert.
In der Spitalstra?e stand das Haus, dessen unteren Stock die Familie Pfaff bewohnte. Es war eine kalte Parterrewohnung und so ist auch die Erinnerung an die erlittene K?lte eine der frühesten, die Pauline aus ihrer Kindheit behielt. Sie stand in dem besonders kalten Winter von 1830 auf 31 erst in ihrem vierten Lebensjahre, doch hat sie einen unausl?schlichen Eindruck davon behalten, der wohl begreiflich ist, wenn man liest, was ihre Mutter damals an die Tochter Luise Kraz schrieb, die bei dem verheirateten Bruder Heinrich über Weihnachten zu Gast war. Es hei?t in diesem Brief: ?Ich lege dir ein Paar warme Schuhe bei, denn bei der heftigen K?lte wirst du sie wohl brauchen k?nnen. Bei uns ist es fürchterlich kalt, zwei Tage brachten wir keine Fenster auf und da die L?den zu waren, so mu?ten wir in v?lliger Dunkelheit leben; nun hat Siegfried mit Kohlen aufgetaut und so haben wir doch wieder Licht. Meine Pauline leidet sehr, weil sie sich Hand und Fü?e erfroren hat.?
Bis ins Frühjahr hinein dauerte die grausame K?lte, die bis zu 30° stieg, so da? das Quecksilber einfror, und es ist wohl zu begreifen, da? in der Seele des Kindes dieser Eindruck haften blieb, trat ihr doch hier zum erstenmal ein gro?es Leiden entgegen, an dem sie selbst ihr kleines Teil mittragen mu?te und das Menschen und Tiere zugleich betraf; nie verga? sie den Anblick erfrorener Tauben, die man morgens auf der Stra?e liegen sah. Es folgten damals noch viele kalte Winter, doppelt empfindlich in den schlecht verwahrten Wohnungen. Treppentüren gab es noch nicht, so oft die Haustüre aufging, drang der eisige Luftstrom bis an die Zimmer; Winterfenster waren unbekannt, die Küchen hatten noch offene Kamine, durch die der Schnee in die Feuerst?tte hereingeweht wurde. Eine Eigenart der Erlanger H?user waren lange unverglaste G?nge auf der Rückseite, durch die die K?lte überall Einla? fand. Die Türschl?sser, die nach au?en gingen, konnte man w?hrend der grimmigsten K?lte nicht mit der blo?en Hand berühren, weil die Haut daran kleben blieb.
Darum schütteln die alten Leute aus jener Zeit die K?pfe, wenn wir in unseren wohlverwahrten Wohnungen über K?lte klagen wollen. ?Ihr wi?t gar nicht, was K?lte hei?t? sagen uns die Erlanger der alten Zeit.
Die Parterrewohnungen waren sehr niedrig, man konnte sie von der Stra?e aus ganz überblicken. Die Pfaffsjugend wu?te daraus Vorteil zu ziehen. In der besseren Jahreszeit, wo die Fenster immer offen standen, brauchte man nicht erst an der Haustüre zu klingeln und auf Einla? zu warten, man nahm den kürzeren Weg durchs Fenster. Gegen solch zweckm??ige Einrichtungen hatten die Eltern gew?hnlich nichts einzuwenden, nur geschah es dann auch in F?llen, wo es ihnen nicht passend erschien. So erz?hlte Frau Pfaff in sp?teren Jahren, wie einmal ein würdiger alter Herr von ausw?rts gekommen sei, um den Herrn Hofrat zu sprechen, und bei ihr sitzend auf dessen Heimkehr wartete, als pl?tzlich ein paar der Buben nacheinander und zuletzt auch Pauline zum Fenster hereinsprangen, worüber, da es nicht ohne Gepolter abging, der Fremde jedesmal zusammenschrak und sich wohl im stillen über die Sitte wunderte, die im Hause des Hofrates herrschte. Aber es wird ihm ergangen sein wie so vielen, da? ihm im Gespr?ch mit der frischen, herzgewinnenden Frau diese Dinge als nebens?chlich, ja als Ausflu? ihres unbefangenen Wesens ganz natürlich erschienen.
Fragten so Vater und Mutter nicht viel nach der sonst üblichen Form und Sitte, so war doch ein Element in dem Haus, das manchmal danach sah, was denn in anderen Professorenfamilien Brauch sei und diese Sitten auch einführen wollte, und das war Anne, der dienstbare Geist des Hauses. Diese treue Person liebte vor allem die kleine Pauline und
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