so ausgeprägter wurde dieser Sinn und erstreckte sich auch auf
andere Gebiete. Der eine und andere der Brüder fing an, auf ihre
Bestrebungen einzugehen, besonders der älteste der vier Pfaffssöhne,
Siegfried, der auch von Natur zur Ordnung geneigt war, sowie der
jüngste, Fritz, unterstützten sie. Die andern Geschwister fanden
wenigstens an der Schwester diese Anlage angenehm und wandten sich
an sie, wenn die Mutter nicht Zeit fand, für Kleidung und Wäsche zu
sorgen. Einer von ihnen, Colomann, gewöhnlich nur Co genannt, kam
übrigens noch im Knabenalter nach Württemberg, um dort das
theologische Seminar zu besuchen, in dessen strenge Zucht sich freilich
ein so ganz in Freiheit aufgewachsener junger Bursche schwer einleben
konnte. Ungemein frisch und fröhlich, voll übersprudelnden Humors
und Lebenslust war er bei jedermann, nur bei den Lehrern nicht beliebt,
die ihre schwere Not mit ihm hatten. Die Schwierigkeiten, die er in den
Schuljahren und noch späterhin machte, verursachten seiner Mutter viel
Kummer und es wäre ihr zu gönnen gewesen, hätte sie voraus gewußt,
was wir wissen, daß auch er es schließlich zum wohlangesehenen
Professor der Mathematik in Stuttgart brachte.
Bei aller Einfachheit und Sparsamkeit entwickelte sich doch, als die
jungen Pfaffs heranwuchsen und fröhliche Studenten, meist
Bubenreuther wurden, ein überaus beglückendes geselliges Leben im
Haus, an dem die Mutter, trotz aller Arbeit und Sorge, die auf ihr lag,
selbst ihre Freude hatte. Die älteste Tochter Luise, ein geistig
bedeutendes Mädchen, und ihre Freundin, Hannchen Richter, sowie die
Brüder mit ihren Freunden, vereinigten sich oft im Haus Pfaff zu
Spielen und Darstellungen oder zu gemeinschaftlichen Ausflügen. Zu
diesem Kreise gehörte nun auch Karl Brater, der sich mit Siegfried und
Hans Pfaff eng befreundet hatte. Ganz anders geartet als diese, ernst,
zurückhaltend, schon in den Studienjahren ein vielversprechender Jurist,
von Haus aus an gesetzte Manieren gewohnt, unterschied er sich von
der übermütig fröhlichen, unbefangenen und lauten Art seiner Freunde,
fühlte sich aber angezogen von dem frischen, treuherzigen Ton des
Hauses und nahm mit Begeisterung teil an den Aufführungen
klassischer Werke, zu denen Frau Pfaff, bereitwilliger als wohl andere
Hausfrauen, ihr Zimmer zur Verfügung stellte. Neben der erwachsenen
Schwester und deren Freundinnen, der schönen Julie Nees v. Esenbeck,
der geistig bedeutenden Julie Brater und dem originellen Hannchen
Richter, die von den jungen Männern gefeiert wurden, kam die erst
halb erwachsene Pauline und ihre Freundin Luise noch nicht zur
Geltung und Beachtung, aber doch behielt Pauline eine beglückende
Erinnerung an diese Geselligkeit und freute sich im späteren Leben,
wenn sie Familien traf, die ebenso harmlos und ungezwungen ihr Haus
für Freunde und Freundinnen öffneten. Was braucht die Jugend mehr
als eben ihresgleichen, um vergnügt zu sein? Es ist ein Irrtum, zu
meinen, daß es ohne Aufwand an Essen und Trinken, an Toilette und
Bedienung keine Freude gäbe. Im Haus Pfaff war umständliches
Vorbereiten und Einladen nicht Sitte, man kam meist nach dem
Abendessen zusammen, die jungen Mädchen mit Laternen in der Hand,
wie es für schicklich galt in den schlecht beleuchteten Straßen und
eingehüllt in lange Kragen, die man »Tugendhüllen« nannte. Auf
Tafelgenüsse wurde nicht gerechnet, denn während ihre Söhne
studierten, wußte Frau Pfaff oft nicht, woher Geld zum Nötigsten
nehmen, und ihre Kinder erinnerten sich später, wie sie gar manchmal
an das Geldschublädchen gingen, das vertrauensvoll für alle zugänglich
war, wie sie zu diesem oder jenem Einkaufe Geld herausnehmen
wollten, aber nachdem sie den Inhalt visitiert hatten, gern auf alles
verzichteten und die kleine Lade wieder zuschoben, weil sie allzu dünn
belegt war mit dem, was doch für den ganzen Monat ausreichen mußte.
Lange Zeit besaßen die drei jüngsten Söhne nur einen gemeinsamen
Sonntagsanzug. Derjenige, welcher am frühesten aufstand, nahm Besitz
davon, die andern hatten das Nachsehen und konnten Sonntags nicht
aus dem Hause gehen.
Viele Jahre wohnte die Familie Pfaff in einem Haus in der Karlstraße,
das der Witwe des Professor Kopp gehörte. Die beiden Frauen, als
Württembergerinnen schon vorher befreundet und nun in ähnlichen
Verhältnissen lebend, schlossen sich eng aneinander, halfen sich auch
getreulich aus. Einst brachte der Postbote für Frau Pfaff ein
unfrankiertes Paket. Es war wohl Ende des Monats, denn die Pfaffsche
Geldschublade war leer. In ihrer Verlegenheit wegen des Portos sprang
Frau Pfaff die Treppe hinauf, um bei Frau Kopp das Sümmchen zu
entlehnen. Diese gute Kollegin besaß aber im Augenblick auch nichts
mehr, dagegen hatte sie ein wackeres Dienstmädchen, das war im
Besitze der nötigen Groschen und konnte den beiden Professorinnen
aus der Verlegenheit helfen.
In dieser Zeit war es wohl auch, daß ein Besuch im Spätherbst, als es
schon recht unangenehm kühl war, ein kaltes Zimmer voll Rauch antraf.
Frau Pfaff entschuldigte sich: sie habe grünes Holz gekauft, weil dies
billiger sei und nicht brenne; für so junge Leute wie die ihrigen sei es
genug, wenn sie auch nur am Rauch merkten, daß eingeheizt sei.
Der fröhliche, gesellige Kreis lichtete sich allmählich und verlor seinen
Mittelpunkt,
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