Frau Pauline Brater | Page 3

Agnes Sapper
junge
Leute gekannt und im stillen geliebt, aber es kam zwischen ihnen nicht
zur Aussprache, denn der junge Mann strebte zunächst noch in die
Ferne. Er folgte einem Ruf als Professor der Astronomie nach Rußland
an die neu gegründete Universität Dorpat und wurde dort zum Direktor
der Sternwarte und zum russischen Hofrat ernannt. In dieser neuen
Heimat gründete er seinen Hausstand, indem er sich mit einer
livländischen Adeligen, Fräulein von Patkul, verheiratete. Zwei Kinder
entsprossen dieser Ehe, doch ist nur eines derselben, Aurora am Leben
geblieben. Die Sehnsucht nach der alten Heimat trieb Pfaff, die
glänzende Stellung aufzugeben und mit Frau und Kind nach
Deutschland zurückzukehren, wo er auch Anstellung fand, aber bald
seine Gattin durch den Tod verlor.
Inzwischen hatte auch seine Jugendliebe, Luise Plank, sich verheiratet
und in glücklicher Ehe mit einem jungen Geistlichen, Kraz, in
Württemberg gelebt. Aber auch diese Ehe wurde schon nach vier
Jahren durch den Tod getrennt; der jungen Witwe blieben zwei Kinder,
Heinrich und Luise. So fanden sich nach wohl zehnjähriger Trennung
die Verwitweten wieder. Als eine gereifte dreißigjährige Frau trat sie
ihm entgegen, gesund an Leib und Seele, voll warmen Gemüts. Die alte
Liebe erwachte und führte diesmal zu glücklicher Verbindung. An Geld
und Gut brachten die beiden nicht viel mit in die Ehe und es ist
bezeichnend für ihre Lebensanschauung, daß Pfaff sich von seiner
Luise erbat, sie möchte ihm statt eines Eherings ein hebräisches
Lexikon geben. Die Vermählten zogen zunächst nach Würzburg, von
wo Pfaff bald einem Ruf an die Universität Erlangen folgend dorthin
übersiedelte. Durch diese Ehe kamen die Kinder der livländischen
Adeligen und des schwäbischen Geistlichen als Geschwister
zusammen.
Die beiden in die Ehe gebrachten Töchter Aurora Pfaff und Luise Kraz
lebten in geschwisterlicher Liebe miteinander und waren schon

erwachsene Mädchen, als nach vier Brüdern die kleine Pauline zur
Welt kam. Die in jungen Jahren verstorbene Schwester Aurora wäre
vielleicht längst in der Familie verschollen, wenn nicht ihr poetischer
Name und ihr tragisches Geschick sie mit einem gewissen Nimbus
umgeben hätten. Als Aurora zu einem schönen Mädchen erblüht war,
bewarb sich um ihre Gunst ein junger Mann, der durch den Schein
besonderer Frömmigkeit ihre Seele für sich gewann. Vater und Mutter
mißtrauten seinem Wesen und waren gegen die Verbindung. Aber in
sanfter, beharrlicher Weise hielt Aurora an dem Geliebten fest und
beeinflußte endlich die Eltern, die keine Tatsachen gegen ihn
vorbringen konnten, sondern bloß eine Antipathie empfanden, dem
Wunsch der beiden nachzugeben. Einige Tage vor der Hochzeit als die
Braut allein mit den Eltern und Geschwistern zusammen war, und der
Vater in bewegter Stimmung, da er seine erstgeborene Tochter
hergeben sollte, nahm er ein Spiel Karten, um daraus der jungen Braut
ihr Schicksal vorauszusagen. Kunstgerecht, nach damaliger Sitte,
schlug er die Karten und da fiel auf die ihrige der Pik Bube, die
schwarze Unglückskarte. Lachend erklärte er das Spiel für mißlungen,
mischte die Karten aufs neue, legte sie nach der Regel des
Kartenschlägers und zum zweitenmale kam der Pik Bube auf die Karte
der Braut. Diese erblaßte. Dem Vater war es leid. Er wollte den übeln
Eindruck verwischen, nahm das Spiel, mischte und gab zum drittenmal
und zum drittenmal erschien der Pik Bube. Da warf er heftig das Spiel
aus der Hand und verließ das Zimmer.
Den Geschwistern ist der Eindruck dieser unheimlichen Szene durchs
Leben geblieben. Aurora erkannte bald nach der Hochzeit den wahren
Charakter ihres Mannes, den die Eltern richtig durchschaut hatten. Ihr
früher Tod machte schon nach wenigen Jahren der traurigen Ehe ein
Ende. Daß der naturwissenschaftlich gebildete, gelehrte Mann sich zum
Kartenschlagen verstand, wundert uns heute, aber es lag in der
damaligen Zeit, ebenso wie die Sitte, dem Neugeborenen das Horoskop
zu stellen, wie es uns Goethe im Eingang von »Dichtung und
Wahrheit« erzählt. Auch Pfaff hat um seines Töchterleins Schicksal die
Sterne befragt, denn er gab sich ganz speziell mit Astrologie ab, wenn
auch mehr vom Standpunkte des Völkerstudiums aus. Leider blieb uns
nicht erhalten, was er damals aus den Sternen las. So müssen wir dir

selbst das Horoskop stellen, kleine Pauline Damajanti, indem wir die
Sterne betrachten, die in deinem Kreis leuchten und die Atmosphäre
prüfen, in der du aufwachsen sollst. Dann ahnen wir, wie sich etwa dein
Wesen gestalten wird, und wer kann leugnen, daß das Wesen eines
Menschen vielfach sein Schicksal beeinflußt, ja oft bestimmt?
Das Oberhaupt der Familie stand im Geburtsjahre der kleinen Tochter
mitten im besten Wirken und Schaffen. Ein Zeitgenosse hat ihn uns
geschildert als einen Mann von herrlichen Anlagen, von edlen
Gedanken und hohem Sinn, mit Begeisterung forschend nach den
Geheimnissen der Natur und dem darin waltenden Gott; im Umgang
mit der Familie und den Freunden liebevoll und anspruchslos, ein
Humorist im besten Sinne des Wortes; im Streben nach dem Wesen oft
den äußern Schein allzusehr verschmähend; in mildtätiger Liebe fast zu
weit gehend, so daß er von
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