Frau Bovary | Page 9

Gustave Flaubert
weinend in die Arme ihres Gatten und beschwor ihn, sie den Eltern gegen��ber in Schutz zu nehmen. Karl wollte die Partei seiner Frau ergreifen. Aber das nahmen ihm die Alten ��bel. Sie reisten ab.
Diesen Schlag vermochte Heloise nicht zu verwinden. Acht Tage darnach, als sie dabei war, W?sche im Hofe aufzuh?ngen, bekam sie einen Blutsturz, und am andern Morgen war sie tot.
Als Karl vom Friedhofe zur��ckkam, fand er im Erdgescho? keinen Menschen. Er stieg die Treppe hinauf. Wie er in das Schlafzimmer trat, fiel sein Blick auf einen Rock Heloisens, der am Bette hing. Er lehnte sich gegen das Schreibpult und blieb da hocken, bis es dunkel wurde, in schmerzliche Tr?umereien versunken. Alles in allem hatte sie ihn doch geliebt ...

Drittes Kapitel
Eines Vormittags erschien Vater Rouault und brachte das Honorar f��r den behandelten Beinbruch: f��nfundsiebzig Franken in blanken Talern und eine Truthenne. Er hatte Karls Ungl��ck erfahren und tr?stete ihn, so gut er konnte.
?Ich wei?, wie einem da zumute ist!? sagte er, indem er dem Witwer auf die Schulter klopfte. ?Habs ja selber mal durchgemacht, ganz so wie Sie! Als ich meine Selige begraben hatte, da lief ich hinaus ins Freie, um allein f��r mich zu sein. Ich warf mich im Walde hin und weinte mich aus. Fing an, mit dem lieben Gott zu hadern, und machte ihm die d��mmsten Vorw��rfe. An einem Aste sah ich einen verreckten Maulwurf h?ngen, dem der Bauch von W��rmern wimmelte. Ich beneidete den Kadaver! Und wenn ich daran dachte, da? im selben Augenblicke andre M?nner mit ihren netten kleinen Frauen zusammen waren und sie an sich dr��ckten, schlug ich mit meinem Stocke wild um mich. Es war sozusagen nicht mehr ganz richtig mit mir. Ich a? nicht mehr. Der blo?e Gedanke, in ein Kaffeehaus zu gehn, ekelte mich an. Glauben Sie mir das! Na, und so nach und nach im Gang der Zeiten, wie so der Fr��hling dem Winter und der Herbst dem Sommer folgte, da gings eins, zwei, drei, und weg war der Jammer! Weg! Hinunter! Das ist das richtige Wort: hinunter! Denn ganz kriegt man ja so was im ganzen Leben nicht los. Da tief drinnen in der Brust bleibt immer was stecken. Aber Luft kriegt man wieder! Sehen Sie, das ist nun einmal unser aller Schicksal, und deshalb darf man nicht gleich die Flinte ins Korn werfen. Man darf nicht sterben wollen, weil andere gestorben sind. Auch Sie m��ssen sich aufrappeln, Herr Bovary! Es geht alles vor��ber! Besuchen Sie uns! Sie wissen ja, meine Emma denkt oft an Sie. Sie h?tten uns vergessen, meint sie. Es wird nun Fr��hling. Zerstreuen Sie sich ein bi?chen bei uns. Schie?en Sie ein paar Karnickel auf meinem Revier!?
Karl befolgte seinen Rat. Er kam wieder nach Bertaux und fand da alles wie einst, das hei?t wie vor f��nf Monaten. Die Birnb?ume hatten schon Bl��ten, und der treffliche Vater Rouault war wieder mordsgesund und von fr��h bis abend auf den Beinen. Und im ganzen Gut war m?chtiger Betrieb.
Es war ihm eine Ehrensache, den Arzt mit der erdenklichsten R��cksicht auf sein Leid zu behandeln. Er bat ihn, sichs so bequem wie nur m?glich zu machen, sprach im Fl��stertone mit ihm wie mit einem Genesenden, und er war sichtlich au?er sich, wenn man des Gastes wegen nicht, wie befohlen, die leichtverdaulichsten Gerichte auf den Tisch brachte, zum Beispiel feine Eierspeisen oder ged��nstete Birnen. Er erz?hlte Anekdoten und Abenteuer. Zu seiner eignen Verwunderung lachte Karl. Aber mir einem Male erinnerte er sich seiner Frau und wurde nachdenklich. Der Kaffee ward gebracht, und da verga? er sie wieder.
Je mehr er sich an sein Witwertum gew?hnte, um so weniger gedachte er der Verstorbenen. Das angenehme, ihm neue Bewu?tsein, unabh?ngig zu sein, machte ihm die Einsamkeit bald ertr?glicher. Jetzt durfte er die Stunden der Mahlzeiten selber bestimmen, konnte gehen und kommen, ohne Rechenschaft dar��ber geben zu m��ssen, und wenn er m��de war, alle vier von sich strecken und sich in seinem Bette breit machen. Er hegte und pflegte sich und lie? alle Tr?stungen ��ber sich ergehen. ��brigens hatte der Tod seiner Frau keine ung��nstige Wirkung auf seinen Beruf als Arzt. Indem man wochenlang in einem fort sagte: ?Der arme Doktor. Wie traurig!? blieb sein Name im Munde der Leute. Seine Praxis vergr??erte sich. Und dann konnte er nun nach Bertaux reiten, wann es ihm beliebte. Eine unbestimmbare Sehnsucht wuchs in ihm auf, ein namenloses Gl��cksgef��hl. Wenn er sich im Spiegel betrachtete und sich den Bart strich, fand er sich gar nicht ��bel.
Eines sch?nen Tages kam er nachmittags gegen drei Uhr im Gute angeritten. Alles war drau?en auf dem Felde. Er betrat die K��che. Emma war drinnen, aber er bemerkte sie zun?chst nicht. Die Fensterl?den waren geschlossen. Durch die Ritzen des Holzes stachen die Sonnenstrahlen mit langen d��nnen Nadeln auf die Fliesen, oder sie brachen sich an den Kanten der M?bel entzwei und wirbelten
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