festzustellen, nachdem er sich ihn hatte diktieren, buchstabieren und dann noch einmal im ganzen wiederholen lassen. Alsdann befahl er dem armen Schelm, sich auf die Strafbank dicht vor dem Katheder zu setzen. Der Junge wollte den Befehl ausf��hren, aber kaum hatte er sich in Gang gesetzt, als er bereits wieder stehen blieb.
?Was suchst du?? fragte der Lehrer.
?Meine M��...?, sagte er sch��chtern, indem er mit scheuen Blicken Umschau hielt.
?F��nfhundert Verse die ganze Klasse!?
Wie das Quos ego b?ndigte die Stimme, die diese Worte w��tend ausrief, einen neuen Sturm im Entstehen.
?Ich bitte mir Ruhe aus!? fuhr der emp?rte Schulmeister fort, w?hrend er sich mit seinem Taschentuche den Schwei? von der Stirne trocknete. ?Und du, du Rekrut du, du schreibst mir zwanzigmal den Satz auf: Ridiculus sum!? Sein Zorn lie? nach. ?Na, und deine M��tze wirst du schon wiederfinden. Die hat dir niemand gestohlen.?
Alles ward wieder ruhig. Die K?pfe versanken in den Heften, und der Neuling verharrte zwei Stunden lang in musterhafter Haltung, obgleich ihm von Zeit zu Zeit mit einem Federhalter abgeschwuppte kleine Papierkugeln ins Gesicht flogen. Er wischte sich jedesmal mit der Hand ab, ohne sich weiter zu bewegen noch die Augen aufzuschlagen.
Abends, im Arbeitssaal, holte er seine ?rmelschoner aus seinem Pult, brachte seine Habseligkeiten in Ordnung und liniierte sich sorgsam sein Schreibpapier. Die andern beobachteten, wie er gewissenhaft arbeitete; er schlug alle W?rter im W?rterbuche nach und gab sich viel M��he. Zweifellos verdankte er es dem gro?en Flei?e, den er an den Tag legte, da? man ihn nicht in der Quinta zur��ckbehielt; denn wenn er auch die Regeln ganz leidlich wu?te, so verstand er sich doch nicht gewandt auszudr��cken. Der Pfarrer seines Heimatdorfes hatte ihm kaum ein bi?chen Latein beigebracht, und aus Sparsamkeit war er von seinen Eltern so sp?t wie nur m?glich auf das Gymnasium geschickt worden.
Sein Vater, Karl Dionys Barthel Bovary, war Stabsarzt a.D.; er hatte sich um 1812 bei den Aushebungen etwas zuschulden kommen lassen, worauf er den Abschied nehmen mu?te. Er setzte nunmehr seine k?rperlichen Vorz��ge in bare M��nze um und ergatterte sich im Handumdrehen eine Mitgift von sechzigtausend Franken, die ihm in der Person der Tochter eines Hutfabrikanten in den Weg kam. Das M?dchen hatte sich in den h��bschen Mann verliebt. Er war ein Schweren?ter und Prahlhans, der sporenklingend einherstolzierte, Schnurr- und Backenbart trug, die H?nde voller Ringe hatte und in seiner Kleidung auff?llige Farben liebte. Neben seinem Haudegentum besa? er das gewandte Getue eines Ellenreiters. Sobald er verheiratet war, begann er zwei, drei Jahre auf Kosten seiner Frau zu leben, a? und trank gut, schlief bis in den halben Tag hinein und rauchte aus langen Porzellanpfeifen. Nachts pflegte er sehr sp?t heimzukommen, nachdem er sich in Kaffeeh?usern herumgetrieben hatte. Als sein Schwiegervater starb und nur wenig hinterlie?, war Bovary emp?rt dar��ber. Er ��bernahm die Fabrik, b��?te aber Geld dabei ein, und so zog er sich schlie?lich auf das Land zur��ck, wovon er sich goldne Berge ertr?umte. Aber er verstand von der Landwirtschaft auch nicht mehr als von der Hutmacherei, ritt lieber spazieren, als da? er seine Pferde zur Arbeit einspannen lie?, trank seinen Apfelwein flaschenweise selber, anstatt ihn in F?ssern zu verkaufen, lie? das fetteste Gefl��gel in den eignen Magen gelangen und schmierte sich mit dem Speck seiner Schweine seine Jagdstiefel. Auf diesem Wege sah er zu guter Letzt ein, da? es am tunlichsten f��r ihn sei, sich in keinerlei Gesch?fte mehr einzulassen.
F��r zweihundert Franken Jahrespacht mietete er nun in einem Dorfe im Grenzgebiete von Caux und der Pikardie ein Grundst��ck, halb Bauernhof, halb Herrenhaus. Dahin zog er sich zur��ck, f��nfundvierzig Jahre alt, mit Gott und der Welt zerfallen, gallig und mi?g��nstig zu jedermann. Von den Menschen angeekelt, wie er sagte, wollte er in Frieden f��r sich hinleben.
Seine Frau war dereinst toll verliebt in ihn gewesen. Aber unter tausend Dem��tigungen starb ihre Liebe doch rettungslos. Ehedem heiter, mitteilsam und herzlich, war sie allm?hlich (just wie sich abgestandner Wein zu Essig wandelt) m��rrisch, z?nkisch und nerv?s geworden. Ohne zu klagen, hatte sie viel gelitten, wenn sie immer wieder sah, wie ihr Mann hinter allen Dorfdirnen her war und abends m��de und nach Fusel stinkend aus irgendwelcher Spelunke zu ihr nach Haus kam. Ihr Stolz hatte sich zun?chst m?chtig geregt, aber schlie?lich schwieg sie, w��rgte ihren Grimm in stummem Stoizismus hinunter und beherrschte sich bis zu ihrem letzten St��ndlein. Sie war unabl?ssig t?tig und immer auf dem Posten. Sie war es, die zu den Anw?lten und Beh?rden ging. Sie wu?te, wenn Wechsel f?llig waren; sie erwirkte ihre Verl?ngerung. Sie machte alle Hausarbeiten, n?hte, wusch, beaufsichtigte die Arbeiter und f��hrte die B��cher, w?hrend der Herr und Gebieter sich um nichts k��mmerte, aus seinem Zustande griesgr?mlicher Schl?frigkeit nicht herauskam und sich h?chstens dazu ermannte, seiner Frau garstige Dinge zu sagen. Meist hockte er am Kamin, qualmte und spuckte ab und zu in die Asche.
Als ein Kind zur Welt kam,
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