Augenblick zu
entfernen, denn mein schwarzer Rock hängt hier -- (Er geht mit
entsprechender Gebärde nach rechts.)
Julie. Geniert Er sich vor mir! Um einen Rock zu wechseln! Geh' Er
denn in sein Zimmer und komme wieder zurück! Übrigens kann Er
auch hierbleiben, ich drehe mich um!
Jean. Mit Ihrer Erlaubnis, mein Fräulein. (Er geht nach links, man sieht
seinen Arm, wenn er den Rock wechselt.)
Julie (zu Christine). Höre, Christine; ist Jean dein Schatz, da er so
vertraut mit dir ist?
Christine (nach dem Herd gehend). Schatz? Ja, wenn man so will! Wir
nennen es so.
Julie. Nennen?
Christine. Na, das Fräulein haben ja selbst einen Schatz gehabt, und --
Julie. Ja, wir waren richtig verlobt --
Christine. Aber es wurde ja doch nichts daraus -- (Sie setzt sich und
schläft nach und nach ein.)
Jean (in schwarzem Rock und mit schwarzem Hut).
Julie. Très gentil, monsieur Jean! Très gentil!
Jean. Vous voulez plaisanter, madame!
Julie. Et vouz voulez parlez français! Wo haben Sie das gelernt?
Jean. In der Schweiz, als ich in einem der ersten Hotels in Luzern
Zimmerkellner war!
Julie. Aber Sie sehen in dem Rock ja wie ein Gentleman aus! Charmant!
(Sie setzt sich an den Tisch rechts.)
Jean. Ach, Sie schmeicheln!
Julie (verletzt). Schmeicheln? Ihm?
Jean. Meine angeborene Bescheidenheit erlaubt mir nicht zu glauben,
daß Sie einem Menschen, wie mir, veritable Artigkeiten sagen, und
darum erlaubte ich mir, anzunehmen, daß Sie übertrieben, oder wie
man zu sagen pflegt, schmeichelten!
Julie. Wo haben Sie es gelernt, so Ihre Worte zu setzen? Sie müssen
das Theater viel besucht haben?
Jean. Gewiß! Ich habe viele Orte besucht!
Julie. Aber Sie sind doch hier in der Gegend geboren?
Jean. Mein Vater war Instmann bei dem Staatsanwalt dieses Bezirks,
und ich habe auch das Fräulein als Kind gesehen, obgleich das Fräulein
mich nicht bemerkt haben!
Julie. Wirklich?
Jean. Ja, und auf einmal besinne ich mich namentlich -- ja, aber davon
kann ich nicht reden!
Julie. O ja -- thun Sie es doch! Wie? Mir zum Gefallen!
Jean. Nein, ich kann jetzt wirklich nicht! Ein andermal vielleicht.
Julie. Ein andermal ist gar keinmal. Ist es denn jetzt so gefährlich?
Jean. Gefährlich ist es nicht, aber es ist doch am besten, es zu
unterlassen! Sehen Sie nur, die da! (Er zeigt auf Christine, die auf
einem Stuhl am Herde eingeschlafen ist.)
Julie. Das wird eine muntere Frau. Vielleicht schnarcht sie auch?
Jean. Das thut sie nicht; aber sie spricht im Schlaf.
Julie. Woher wissen Sie, daß sie im Schlaf spricht?
Jean. Ich habe es gehört!
(Pause, in der sie einander betrachten.)
Julie. Warum setzen Sie sich nicht?
Jean. Das darf ich mir in Ihrer Gegenwart nicht erlauben!
Julie. Und wenn ich es befehle?
Jean. Dann gehorche ich.
Julie. Setzen Sie sich! -- Aber warten Sie! Können Sie mir nicht etwas
zu trinken geben?
Jean. Ich weiß nicht, was sich hier im Eisschrank vorfindet. Ich glaube,
es ist nur Bier.
Julie. Das ist nicht zu verachten! und ich meinesteils habe einen so
einfachen Geschmack, daß ich es dem Wein vorziehe.
Jean (nimmt eine Bierflasche aus dem Eisschrank, welche er aufzieht;
er sucht im Schrank nach einem Glas und einem Teller, auf dem er
serviert). Darf ich bitten!
Julie. Danke! Wollen Sie nicht auch trinken?
Jean. Ich bin gerade kein Bierfreund, aber wenn das Fräulein befehlen!
Julie. Befehlen? Mir scheint, als höflicher Kavalier könnten Sie Ihrer
Dame Gesellschaft leisten.
Jean. Das ist sehr richtig bemerkt! (Er zieht noch eine Flasche auf und
nimmt ein Glas.)
Julie. Trinken Sie nun auf mein Wohl!
Jean (zögert).
Julie. Ich glaube, der alte Kerl ist schüchtern!
Jean (auf den Knieen scherzhaft parodierend, erhebt sein Glas). Das
Wohl meiner Herrin!
Julie. Bravo! -- Nun müssen Sie auch meinen Schuh küssen, dann ist es
vollständig.
Jean (zögert, faßt dann aber dreist ihren Fuß und küßt ihn flüchtig).
Julie. Ausgezeichnet! Sie hätten Schauspieler werden sollen.
Jean (erhebt sich). Das geht nicht so weiter, Fräulein! Es könnte
jemand kommen und uns sehen.
Julie. Was thäte das?
Jean. Die Leute würden ganz einfach darüber sprechen. Und wenn das
Fräulein wüßten, wie die Mäuler schon vorhin gingen, dann --
Julie. Was sagten sie denn? Erzählen Sie es mir! Aber setzen Sie sich!
Jean (setzt sich). Ich möchte Sie nicht kränken, aber sie gebrauchten
Ausdrücke -- die Vermutungen der Art andeuteten, daß -- ja, Sie
werden das ja wohl selbst verstehen! Sie sind ja kein Kind mehr, und
wenn man eine Dame allein mit einem Mann zusammen trinken sieht --
sei es auch nur ein Bedienter -- zumal noch in der Nacht -- dann --
Julie. Was dann? Und übrigens sind wir nicht allein. Christine ist ja
hier.
Jean. Ja, sie schläft.
Julie. Dann werde ich sie wecken. (Sie steht auf.) Christine! Schläfst
du?
Christine (im Schlaf). Bla--bla--bla--bla!
Julie. Christine! -- Die kann schlafen!
Christine (im Schlaf). Die Stiefeln
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