Studiermaschinen. Und wenn schon Proben, dann nicht zuviel P��nktlichkeit. P��nktlichkeit soll der Teufel holen. Es mu? aus dem Handgelenk kommen, spontan.
Flamettis Proben waren unberechenbar. Wenn eine angesetzt war, fand sie sicher nicht statt. Wenn eine stattfand, war sie sicher nicht angesetzt. Das Ganze blieb mehr der Inspiration, dem pers?nlichen Einfall und Zufall belassen.
Extempores? Prachtvoll! Er selbst war ein Extempore von Kopf bis zu Fu?. Vielseitig, unberechenbar, auch in seinem Repertoire. Nur kein festes Programm! Nichts langweiliger als das. Bei Ferrero hing das Programm jeden Abend punkt acht beim Kapellmeister am Klavier. Bei Flametti gab's ��berhaupt keines. Oft wu?te er f��nf Minuten vor seinem Auftritt noch nicht, solle er den "Mann mit der Riesenschnauze" bringen oder die "Feuernummer". Sprudeln mu? man: das war sein oberster Grundsatz.
Auch bei Engagements: Flametti hatte das renommierteste Ensemble. Und doch keineswegs die renommiertesten Kr?fte.
Im Gegenteil: darin gerade bestand sein Genie, da? er verstand, Kr?fte zu entdecken, zu finden, ja aus dem Nichts zu stampfen.
Flamettis Personal war: interessant. Er hatte eine Nase f��r nat��rliche Begabung. Auf Agenten, Kritiken und Renommage gab er nichts. Selber sehen! Kerle brauchte er, Personnagen. Talent kam in zweiter Linie. Mochte das Talent einen Knacks haben, die Stimme einen Knacks, die Figur einen Knacks. Wenn nur der Kerl, der dahinterstand, etwas zu sagen hatte.
Flametti hatte einen Blick f��r die gebrochene Linie. Einen Blick f��r jenen Moment, in dem etwa eine Kabarettistin reif wurde f��rs Variet��. Da setzte er ein. Da bem��hte er sich. Da lief er.
Und immer: das menschliche Interesse an seinem Mitglied stand im Vordergrund. Herr oder Dame: ihn interessierte zumeist, was sie erlebt und gesehen hatten. Gute Manieren. Kein Engagement ohne tagelange vorherige Beobachtung. Schicksale mu? jemand gehabt haben, um interessant zu sein f��r Flamettis Ensemble. Schicksal brachte Vielseitigkeit mit sich, ��berraschungen, Anlagen, Geist. Seine Mitglieder mu?ten sich bewegen k?nnen. Welt mu?ten sie haben. Versiert mu?ten sie sein. Vornehmheit war nicht seine Sache. Dahinter steckte nicht viel. Deklassierte Menschen, gerempelte Personnagen sind die gebornen Artisten. Im Druck mu? man gewesen sein, um Artist zu werden.
Unter f��nfzig M?dels, die auf der Stra?e das T?schchen schwenkten, waren zwanzig Soubretten. Es kam nur darauf an, sie davon zu ��berzeugen. Unter f��nfzig Apachen, die keiner beachtete, zwanzig Ausbrecherk?nige, Zauberk��nstler, Jongleure. Es kam nur darauf an, sie zu finden und durchzusetzen. Und gerade darin bestand Flamettis Genie, seine Popularit?t, seine Magie.
In seinem Ensemble wurden Sprachen gesprochen: englisch, franz?sisch, d?nisch, sogar malayisch. Man hatte die Welt gesehen. Man hatte sich redlich bem��ht und kannte das Leben.
Gef?ngnis, Skandal, Freudenhaus, Fahnenflucht waren kein Einwand. Artisten kommen aus einer anderen Welt. Sind keine B��rger. Aus Unterdr��ckung werden Artisten. Wo keine Defekte sind, sind keine Menschen. Buntheit, Zauber, Exotik: nur aus Verzweiflung.
Dementsprechend war auch Flamettis Verh?ltnis zu seinen Artisten. Kameradschaft, nicht Abh?ngigkeit. Freiheit, nicht Zwang. Vertrauen, keine Vertr?ge. Gage mu? sein: sowieso. Aber was n��tzte der beste Vertrag, wenn der Direktor einmal nicht zahlen konnte?
Hier setzte Flamettis Verl??lichkeit ein. Er war dann imstande, mit Angeln sein ganzes Ensemble zu halten. Ein anderer Direktor stellte die Zahlungen ein.
Bei Flametti konnte man aus--und eingehen, auch wenn man nicht mehr auf seinen Brettern stand. Bei welch anderem Direktor noch? Was Flametti besa?, geh?rte auch seinem Ensemble. Es war nicht sein Ehrgeiz, Geld zu machen, Bankkonto und dergleichen. Sein Ehrgeiz war, eine Truppe zu haben.
Kost��me? Machte man selbst. Nummern? Erfand man sich. Er selbst, Flametti, hatte er nicht aus einer Robbe ein Seeweibchen gemacht, als Not am Mann war? Und aus Engel einen Ausbrecherk?nig? Demselben Engel, der Speckschneider gewesen war bei der Handelsmarine? Eine Kiste hatte er ihm gebaut, woraus mittels einer im Innern angebrachten Mechanik selbst bei vernageltstem Zustand leicht zu entkommen war. Handfesseln hatte er ihm gearbeitet mit einem Raffinement, da? "Henry" mit einem Ruck seiner zarten Gelenke innerhalb drei Minuten im Freien stand.
Freilich: Solche Gelenke aus gutem Hause geh?rten dazu und ein wenig Geschick. Aber "Henry" schaffte es. Kein Mensch h?tte vorher daran geglaubt. Eine Ber��hmtheit war aus ihm geworden, ��ber Nacht.
Welcher Direktor erlebte die ��berraschung, da? seine Soubrette als Gamsbua auftrat und Schnadah��pfl sang, nur aus Jokus? Oder da? der Pianist die Klampfn nahm und der Jodler das Piston?
Flametti legte auch keineswegs Wert darauf, jeden Abend zu spielen. Besonders nicht in den kleinen Beiseln, wo man um sechs Uhr abends schon auf dem Posten sein mu?te, wo das Wasser von der Decke tropfte und die Klaviere j?mmerliche Drahtkommoden waren, unm?glich, T?ne darauf hervorzubringen.
Mochte Jenny recht haben: man solle auch die kleinen Gesch?fte annehmen; man m��sse ja auch die Gagen zahlen. Aber man war doch nicht in der Tretm��hle! Man war doch nicht auf der Welt, um sich abzustrapazieren!
Keine ��berarbeitung: das war man seinem Ensemble schuldig. Flametti verlangte daf��r nur seinerseits etwas Entgegenkommen: Anstand und guten Willen. Benehmen. Oder er wurde "verruckt", was besagte: schlug alles kurz und klein, rannte K?pfe an die Wand, ging mit dem Messer los auf die Bande.
"So,
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