Faust | Page 9

Johann Wolfgang von Goethe
aus der Wüste schickt,
Die Glut auf Glut um deinen
Scheitel häufen,
So bringt der West den Schwarm, der erst erquickt,

Um dich und Feld und Aue zu ersäufen.
Sie hören gern, zum
Schaden froh gewandt,
Gehorchen gern, weil sie uns gern betrügen,

Sie stellen wie vom Himmel sich gesandt,
Und lispeln englisch,
wenn sie lügen.
Doch gehen wir! ergraut ist schon die Welt,
Die
Luft gekühlt, der Nebel fällt!
Am Abend schätzt man erst das Haus. --

Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus?
Was kann dich in der
Dämmrung so ergreifen?
_Faust._

Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen?
_Wagner._
Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir.
_Faust._
Betracht' ihn recht! für was hältst du das Thier?
_Wagner._
Für einen Pudel, der auf seine Weise
Sich auf der Spur des Herren
plagt.
_Faust._
Bemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise
Er um uns her und
immer näher jagt?
Und irr' ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel
Auf
seinen Pfaden hinterdrein.
_Wagner._
Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel,
Es mag bey euch wohl
Augentäuschung seyn.
_Faust._
Mir scheint es, daß er magisch leise Schlingen,
Zu künft'gem Band,
um unsre Füße zieht.
_Wagner._
Ich seh' ihn ungewiß und furchtsam uns umspringen,
Weil er, statt
seines Herrn, zwey Unbekannte sieht.
_Faust._

Der Kreis wird eng, schon ist er nah!
_Wagner._
Du siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da.
Er knurrt und zweifelt,
legt sich auf den Bauch,
Er wedelt. Alles Hunde Brauch.
_Faust._
Geselle dich zu uns! Komm hier!
_Wagner._
Es ist ein pudelnärrisch Thier.
Du stehest still, er wartet auf;
Du
sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf;
Verliere was, er wird es
bringen,
Nach deinem Stock ins Wasser springen.
_Faust._
Du hast wohl recht, ich finde nicht die Spur
Von einem Geist, und
alles ist Dressur.
_Wagner._
Dem Hunde, wenn er gut gezogen,
Wird selbst ein weiser Mann
gewogen.
Ja deine Gunst verdient er ganz und gar
Er, der Studenten
trefflicher Scolar.
(Sie gehen in das Stadt-Thor.)
_Studirzimmer._
_Faust_ mit dem _Pudel_ hereintretend.
Verlassen hab' ich Feld und Auen,
Die eine tiefe Nacht bedeckt,

Mit ahndungsvollem heil'gem Grauen
In uns die bessre Seele weckt.

Entschlafen sind nun wilde Triebe,
Mit jedem ungestümen Thun;


Es reget sich die Menschenliebe,
Die Liebe Gottes regt sich nun.
Sey ruhig Pudel! renne nicht hin und wieder!
An der Schwelle was
schnoperst du hier?
Lege dich hinter den Ofen nieder,
Mein bestes
Kissen geb' ich dir.
Wie du draußen auf dem bergigen Wege,
Durch
Rennen und Springen, ergetzt uns hast,
So nimm nun auch von mir
die Pflege,
Als ein willkommner stiller Gast.
Ach wenn in unsrer engen Zelle
Die Lampe freundlich wieder brennt,

Dann wird's in unserm Busen helle,
Im Herzen, das sich selber
kennt.
Vernunft fängt wieder an zu sprechen,
Und Hoffnung wieder
an zu blühn,
Man sehnt sich nach des Lebens Bächen,
Ach! nach
des Lebens Quelle hin.
Knurre nicht Pudel! Zu den heiligen Tönen,
Die jetzt meine ganze
Seel' umfassen,
Will der thierische Laut nicht passen.
Wir sind
gewohnt, daß die Menschen verhöhnen
Was sie nicht verstehn,
Daß
sie vor dem Guten und Schönen,
Das ihnen oft beschwerlich ist,
murren;
Will es der Hund, wie sie, beknurren[?]
Aber ach! schon
fühl' ich, bey dem besten Willen,
Befriedigung nicht mehr aus dem
Busen quillen.
Aber warum muß der Strom so bald versiegen,
Und
wir wieder im Durste liegen?
Davon hab' ich so viel Erfahrung.

Doch dieser Mangel läßt sich ersetzen,
Wir lernen das Ueberirdische
schätzen,
Wir sehnen uns nach Offenbarung,
Die nirgends würd'ger
und schöner brennt,
Als in dem neuen Testament.
Mich drängt's den
Grundtext aufzuschlagen,
Mit redlichem Gefühl einmal
Das heilige
Original
In mein geliebtes Deutsch zu übertragen.
(Er schlägt ein Volum auf und schickt sich an.)
Geschrieben steht: »im Anfang war das _Wort!_«
Hier stock' ich
schon! Wer hilft mir weiter fort?

Ich kann das _Wort_ so hoch
unmöglich schätzen,
Ich muß es anders übersetzen,
Wenn ich vom
Geiste recht erleuchtet bin.
Geschrieben steht: im Anfang war der

_Sinn_.
Bedenke wohl die erste Zeile,
Daß deine Feder sich nicht
übereile!
Ist es der _Sinn,_ der alles wirkt und schafft?
Es sollte
stehn: im Anfang war die _Kraft!_
Doch, auch indem ich dieses
niederschreibe,
Schon warnt mich was, daß ich dabey nicht bleibe.

Mir hilft der Geist! auf einmal seh' ich Rath
Und schreibe getrost: im
Anfang war die _That!_
Soll ich mit dir das Zimmer theilen,
Pudel, so laß das Heulen,
So
laß das Bellen!
Solch einen störenden Gesellen
Mag ich nicht in der
Nähe leiden.
Einer von uns beyden
Muß die Zelle meiden.

Ungern heb' ich das Gastrecht auf,
Die Thür' ist offen, hast freyen
Lauf.
Aber was muß ich sehen!
Kann das natürlich geschehen?
Ist
es Schatten? ist's Wirklichkeit?
Wie wird mein Pudel lang und breit!

Er hebt sich mit Gewalt,
Das ist nicht eines Hundes Gestalt!

Welch ein Gespenst bracht' ich ins Haus!
Schon sieht er wie ein
Nilpferd aus,
Mit feurigen Augen, schrecklichem Gebiß.
O! du bist
mir gewiß!
Für solche halbe Höllenbrut
Ist Salomonis Schlüssel
gut.
_Geister_ auf dem Gange.
Drinnen gefangen ist einer!
Bleibet haußen, folg' ihm keiner!
Wie
im Eisen der Fuchs,
Zagt ein alter Höllenluchs.
Aber gebt Acht!

Schwebet hin, schwebet wieder,
Auf und nieder,
Und er hat sich
losgemacht.
Könnt ihr ihm nützen,
Laßt ihn nicht sitzen!
Denn er
that uns allen
Schon viel zu Gefallen.
_Faust._
Erst zu begegnen dem Thiere,
Brauch' ich den Spruch der Viere:
Salamander soll glühen,

Undene sich winden,
Silphe verschwinden,

Kobold sich mühen.
Wer sie nicht kennte
Die
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