Faust | Page 9

Johann Wolfgang von Goethe
Hunde, wenn er gut gezogen,?Wird selbst ein weiser Mann gewogen.?Ja deine Gunst verdient er ganz und gar?Er, der Studenten trefflicher Scolar.
(Sie gehen in das Stadt-Thor.)
_Studirzimmer._
_Faust_ mit dem _Pudel_ hereintretend.
Verlassen hab' ich Feld und Auen,?Die eine tiefe Nacht bedeckt,?Mit ahndungsvollem heil'gem Grauen?In uns die bessre Seele weckt.?Entschlafen sind nun wilde Triebe,?Mit jedem ungestümen Thun;?Es reget sich die Menschenliebe,?Die Liebe Gottes regt sich nun.
Sey ruhig Pudel! renne nicht hin und wieder!?An der Schwelle was schnoperst du hier??Lege dich hinter den Ofen nieder,?Mein bestes Kissen geb' ich dir.?Wie du drau?en auf dem bergigen Wege,?Durch Rennen und Springen, ergetzt uns hast,?So nimm nun auch von mir die Pflege,?Als ein willkommner stiller Gast.
Ach wenn in unsrer engen Zelle?Die Lampe freundlich wieder brennt,?Dann wird's in unserm Busen helle,?Im Herzen, das sich selber kennt.?Vernunft f?ngt wieder an zu sprechen,?Und Hoffnung wieder an zu blühn,?Man sehnt sich nach des Lebens B?chen,?Ach! nach des Lebens Quelle hin.
Knurre nicht Pudel! Zu den heiligen T?nen,?Die jetzt meine ganze Seel' umfassen,?Will der thierische Laut nicht passen.?Wir sind gewohnt, da? die Menschen verh?hnen?Was sie nicht verstehn,?Da? sie vor dem Guten und Sch?nen,?Das ihnen oft beschwerlich ist, murren;?Will es der Hund, wie sie, beknurren[?]?Aber ach! schon fühl' ich, bey dem besten Willen,?Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen.?Aber warum mu? der Strom so bald versiegen,?Und wir wieder im Durste liegen??Davon hab' ich so viel Erfahrung.?Doch dieser Mangel l??t sich ersetzen,?Wir lernen das Ueberirdische sch?tzen,?Wir sehnen uns nach Offenbarung,?Die nirgends würd'ger und sch?ner brennt,?Als in dem neuen Testament.?Mich dr?ngt's den Grundtext aufzuschlagen,?Mit redlichem Gefühl einmal?Das heilige Original?In mein geliebtes Deutsch zu übertragen.
(Er schl?gt ein Volum auf und schickt sich an.)
Geschrieben steht: ?im Anfang war das _Wort!_??Hier stock' ich schon! Wer hilft mir weiter fort??Ich kann das _Wort_ so hoch unm?glich sch?tzen,?Ich mu? es anders übersetzen,?Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.?Geschrieben steht: im Anfang war der _Sinn_.?Bedenke wohl die erste Zeile,?Da? deine Feder sich nicht übereile!?Ist es der _Sinn,_ der alles wirkt und schafft??Es sollte stehn: im Anfang war die _Kraft!_?Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,?Schon warnt mich was, da? ich dabey nicht bleibe.?Mir hilft der Geist! auf einmal seh' ich Rath?Und schreibe getrost: im Anfang war die _That!_
Soll ich mit dir das Zimmer theilen,?Pudel, so la? das Heulen,?So la? das Bellen!?Solch einen st?renden Gesellen?Mag ich nicht in der N?he leiden.?Einer von uns beyden?Mu? die Zelle meiden.?Ungern heb' ich das Gastrecht auf,?Die Thür' ist offen, hast freyen Lauf.?Aber was mu? ich sehen!?Kann das natürlich geschehen??Ist es Schatten? ist's Wirklichkeit??Wie wird mein Pudel lang und breit!?Er hebt sich mit Gewalt,?Das ist nicht eines Hundes Gestalt!?Welch ein Gespenst bracht' ich ins Haus!?Schon sieht er wie ein Nilpferd aus,?Mit feurigen Augen, schrecklichem Gebi?.?O! du bist mir gewi?!?Für solche halbe H?llenbrut?Ist Salomonis Schlüssel gut.
_Geister_ auf dem Gange.
Drinnen gefangen ist einer!?Bleibet hau?en, folg' ihm keiner!?Wie im Eisen der Fuchs,?Zagt ein alter H?llenluchs.?Aber gebt Acht!?Schwebet hin, schwebet wieder,?Auf und nieder,?Und er hat sich losgemacht.?K?nnt ihr ihm nützen,?La?t ihn nicht sitzen!?Denn er that uns allen?Schon viel zu Gefallen.
_Faust._
Erst zu begegnen dem Thiere,?Brauch' ich den Spruch der Viere:
Salamander soll glühen,?Undene sich winden,?Silphe verschwinden,?Kobold sich mühen.
Wer sie nicht kennte?Die Elemente,?Ihre Kraft?Und Eigenschaft,?W?re kein Meister?Ueber die Geister.
Verschwind' in Flammen?Salamander!?Rauschend flie?e zusammen?Undene!?Leucht' in Meteoren-Sch?ne?Silphe!?Bring' h?u?liche Hülfe?#Incubus! incubus!#?Tritt hervor und mache den Schlu?.
Keines der Viere?Steckt in dem Thiere.?Es liegt ganz ruhig und grins't mich an,?Ich hab' ihm noch nicht weh gethan.?Du sollst mich h?ren?St?rker beschw?ren.
Bist du Geselle?Ein Flüchtling der H?lle??So sieh dies Zeichen!?Dem sie sich beugen?Die schwarzen Schaaren.
Schon schwillt es auf mit borstigen Haaren.
Verworfnes Wesen!?Kannst du ihn lesen??Den nie entsprossnen,?Unausgesprochnen,?Durch alle Himmel gegossnen,?Freventlich durchstochnen.
Hinter den Ofen gebannt?Schwillt es wie ein Elephant,?Den ganzen Raum füllt es an,?Es will zum Nebel zerflie?en.?Steige nicht zur Decke hinan!?Lege dich zu des Meisters Fü?en!?Du siehst da? ich nicht vergebens drohe.?Ich versenge dich mit heiliger Lohe!?Erwarte nicht?Das dreymal glühende Licht!?Erwarte nicht?Die st?rkste von meinen Künsten!
_Mephistopheles_
(tritt, indem der Nebel f?llt, gekleidet wie ein fahrender Scholastikus, hinter dem Ofen hervor.)
Wozu der L?rm? was steht dem Herrn zu Diensten?
_Faust._
Das also war des Pudels Kern!?Ein fahrender Scolast? Der Casus macht mich lachen.
_Mephistopheles._
Ich salutire den gelehrten Herrn!?Ihr habt mich weidlich schwitzen machen.
_Faust._
Wie nennst du dich?
_Mephistopheles._
Die Frage scheint mir klein,?Für einen der das Wort so sehr verachtet,?Der, weit entfernt von allem Schein,?Nur in der Wesen Tiefe trachtet.
_Faust._
Bey euch, ihr Herrn, kann man das Wesen?Gew?hnlich aus dem Namen lesen,?Wo es sich allzudeutlich weis't,?Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lügner hei?t.?Nun gut wer bist du denn?
_Mephistopheles._
Ein Theil von jener Kraft,?Die stets das B?se will und stets das Gute schafft.
_Faust._
Was ist mit diesem R?thselwort gemeynt?
_Mephistopheles._
Ich bin der Geist der stets verneint!?Und das mit Recht; denn alles was entsteht?Ist werth da? es zu Grunde geht;?Drum besser w?r's da? nichts entstünde.?So ist denn alles was ihr Sünde,?Zerst?rung, kurz das B?se nennt,?Mein eigentliches Element.
_Faust._
Du nennst dich einen Theil, und stehst doch ganz vor mir?
_Mephistopheles._
Bescheidne Wahrheit sprech' ich dir.?Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt,?Gew?hnlich für ein Ganzes h?lt;?Ich bin ein Theil des Theils, der Anfangs alles
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