Faust: Der Tragoedie, part 2 | Page 8

Johann Wolfgang von Goethe
ist ungleich, ungleich sind die Stunden. Und
niemand hat Erwünschtes fest in Armen, Der sich nicht nach
Erwünschterem törig sehnte, Vom höchsten Glück, woran er sich
gewöhnte; Die Sonne flieht er, will den Frost erwarmen. Mit diesem
allen weiß ich zu gebaren Und führe her Asmodi, den Getreuen, Zu
rechter Zeit Unseliges auszustreuen, Verderbe so das Menschenvolk in
Paaren.
TISIPHONE: Gift und Dolch statt böser Zungen Misch' ich, schärf' ich
dem Verräter; Liebst du andre, früher, später Hat Verderben dich
durchdrungen. Muß der Augenblicke Süßtes Sich zu Gischt und Galle
wandeln! Hier kein Markten, hier kein Handeln-- Wie er es beging', er
büßt es. Singe keiner vom Vergeben! Felsen klag' ich meine Sache,
Echo! horch! erwidert: Rache! Und wer wechselt, soll nicht leben.
HEROLD: Belieb' es euch, zur Seite wegzuweichen, Denn was jetzt
kommt, ist nicht von euresgleichen. Ihr seht, wie sich ein Berg
herangedrängt, Mit bunten Teppichen die Weichen stolz behängt, Ein
Haupt mit langen Zähnen, Schlangenrüssel, Geheimnisvoll, doch zeig'
ich euch den Schlüssel. Im Nacken sitzt ihm zierlich-zarte Frau, Mit
feinem Stäbchen lenkt sie ihn genau; Die andre, droben stehend
herrlich-hehr, Umgibt ein Glanz, der blendet mich zu sehr. Zur Seite
gehn gekettet edle Frauen, Die eine bang, die andre froh zu schauen;
Die eine wünscht, die andre fühlt sich frei. Verkünde jede, wer sie sei.
FURCHT: Dunstige Fackeln, Lampen, Lichter Dämmern durchs
verworrne Fest; Zwischen diese Truggesichter Bannt mich, ach! die
Kette fest. Fort, ihr lächerlichen Lacher! Euer Grinsen gibt Verdacht;
Alle meine Widersacher Drängen mich in dieser Nacht. Hier! ein
Freund ist Feind geworden, Seine Maske kenn' ich schon; Jener wollte
mich ermorden, Nun entdeckt schleicht er davon. Ach wie gern in jeder

Richtung Flöh' ich zu der Welt hinaus; Doch von drüben droht
Vernichtung, Hält mich zwischen Dunst und Graus.
HOFFNUNG: Seid gegrüßt, ihr lieben Schwestern! Habt ihr euch
schon heut' und gestern In Vermummungen gefallen, Weiß ich doch
gewiß von allen: Morgen wollt ihr euch enthüllen. Und wenn wir bei
Fackelscheine Uns nicht sonderlich behagen, Werden wir in heitern
Tagen Ganz nach unserm eignen Willen Bald gesellig, bald alleine Frei
durch schöne Fluren wandeln, Nach Belieben ruhn und handeln Und in
sorgenfreiem Leben Nie entbehren, stets erstreben; überall willkommne
Gäste, Treten wir getrost hinein: Sicherlich, es muß das Beste Irgendwo
zu finden sein.
KLUGHEIT: Zwei der größten Menschenfeinde, Furcht und Hoffnung,
angekettet, Halt' ich ab von der Gemeinde; Platz gemacht! ihr seid
gerettet. Den lebendigen Kolossen Führ' ich, seht ihr, turmbeladen, Und
er wandelt unverdrossen Schritt vor Schritt auf steilen Pfaden. Droben
aber auf der Zinne Jene Göttin, mit behenden Breiten Flügeln, zum
Gewinne Allerseits sich hinzuwenden. Rings umgibt sie Glanz und
Glorie, Leuchtend fern nach allen Seiten; Und sie nennet sich Viktorie,
Göttin aller Tätigkeiten.
ZOILO-THERSITES: Hu! Hu! da komm' ich eben recht, Ich schelt'
euch allzusammen schlecht! Doch was ich mir zum Ziel ersah, Ist oben
Frau Viktoria. Mit ihrem weißen Flügelpaar Sie dünkt sich wohl, sie sei
ein Aar, Und wo sie sich nur hingewandt, Gehör' ihr alles Volk und
Land; Doch, wo was Rühmliches gelingt, Es mich sogleich in Harnisch
bringt. Das Tiefe hoch, das Hohe tief, Das Schiefe grad, das Grade
schief, Das ganz allein macht mich gesund, So will ich's auf dem
Erdenrund.
HEROLD: So treffe dich, du Lumpenhund, Des frommen Stabes
Meisterstreich! Da krümm und winde dich sogleich!-- Wie sich die
Doppelzwerggestalt So schnell zum eklen Klumpen ballt!-- --Doch
Wunder!--Klumpen wird zum Ei, Das bläht sich auf und platzt entzwei.
Nun fällt ein Zwillingspaar heraus, Die Otter und die Fledermaus; Die
eine fort im Staube kriecht, Die andre schwarz zur Decke fliegt. Sie
eilen draußen zum Verein; Da möcht' ich nicht der dritte sein.

GEMURMEL: Frisch! dahinten tanzt man schon-- Nein! Ich wollt', ich
wär' davon-- Fühlst du, wie uns das umflicht, Das gespenstische
Gezücht?-- Saust es mir doch übers Haar-- Ward ich's doch am Fuß
gewahr-- Keiner ist von uns verletzt-- Alle doch in Furcht gesetzt--
Ganz verdorben ist der Spaß-- Und die Bestien wollten das.
HEROLD: Seit mir sind bei Maskeraden Heroldspflichten aufgeladen,
Wach' ich ernstlich an der Pforte, Daß euch hier am lustigen Orte
Nichts Verderbliches erschleiche, Weder wanke, weder weiche. Doch
ich fürchte, durch die Fenster Ziehen luftige Gespenster, Und von Spuk
und Zaubereien Wüßt' ich euch nicht zu befreien. Machte sich der
Zwerg verdächtig, Nun! dort hinten strömt es mächtig. Die Bedeutung
der Gestalten Möcht' ich amtsgemäß entfalten. Aber was nicht zu
begreifen, Wüßt' ich auch nicht zu erklären; Helfet alle mich
belehren!-- Seht ihr's durch die Menge schweifen? Vierbespannt ein
prächtiger Wagen Wird durch alles durchgetragen; Doch er teilet nicht
die Menge, Nirgend seh' ich ein Gedränge. Farbig glitzert's in der Ferne,
Irrend leuchten bunte Sterne Wie von magischer Laterne, Schnaubt
heran mit Sturmgewalt. Platz gemacht! Mich schaudert's! +
KNABE WAGENLENKER: Halt! Rosse, hemmet eure Flügel, Fühlet
den gewohnten Zügel, Meistert euch, wie
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