Faust: Der Tragoedie, part 1 | Page 9

Johann Wolfgang von Goethe
an der Erde Brust
Sind wir zum
Leide da.
Ließ er die Seinen
Schmachtend uns hier zurück;
Ach!
wir beweinen,
Meister, dein Glück!
CHOR DER ENGEL:
Christ ist erstanden,
Aus der Verwesung
Schoß.
Reißet von Banden
Freudig euch los!
Tätig ihn preisenden,

Liebe beweisenden,
Brüderlich speisenden,
Predigend reisenden,

Wonne verheißenden
Euch ist der Meister nah,
Euch ist er da!
Vor dem Tor
Spaziergänger aller Art ziehen hinaus.
EINIGE HANDWERKSBURSCHE:
Warum denn dort hinaus?
ANDRE:
Wir gehn hinaus aufs Jägerhaus.
DIE ERSTEN:
Wir aber wollen nach der Mühle wandern.
EIN HANDWERKSBURSCH:
Ich rat euch, nach dem Wasserhof
zu gehn.
ZWEITER:
Der Weg dahin ist gar nicht schön.
DIE ZWEITEN:
Was tust denn du?
EIN DRITTER:
Ich gehe mit den andern.
VIERTER:
Nach Burgdorf kommt herauf, gewiß dort findet ihr


Die schönsten Mädchen und das beste Bier,
Und Händel von der
ersten Sorte.
FÜNFTER:
Du überlustiger Gesell,
Juckt dich zum drittenmal das
Fell?
Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte.
DIENSTMÄDCHEN:
Nein, nein! ich gehe nach der Stadt zurück.
ANDRE:
Wir finden ihn gewiß bei jenen Pappeln stehen.
ERSTE:
Das ist für mich kein großes Glück;
Er wird an deiner
Seite gehen,
Mit dir nur tanzt er auf dem Plan.
Was gehn mich
deine Freuden an!
ANDRE:
Heut ist er sicher nicht allein,
Der Krauskopf, sagt er,
würde bei ihm sein.
SCHÜLER:
Blitz, wie die wackern Dirnen schreiten!
Herr Bruder,
komm! wir müssen sie begleiten.
Ein starkes Bier, ein beizender
Toback,
Und eine Magd im Putz, das ist nun mein Geschmack.
BÜRGERMÄDCHEN:
Da sieh mir nur die schönen Knaben!
Es
ist wahrhaftig eine Schmach:
Gesellschaft könnten sie die allerbeste
haben,
Und laufen diesen Mägden nach!
ZWEITER SCHÜLER
(zum ersten):
Nicht so geschwind! dort hinten kommen zwei,
Sie
sind gar niedlich angezogen,
's ist meine Nachbarin dabei;
Ich bin
dem Mädchen sehr gewogen.
Sie gehen ihren stillen Schritt
Und
nehmen uns doch auch am Ende mit.
ERSTER:
Herr Bruder, nein! Ich bin nicht gern geniert.

Geschwind! daß wir das Wildbret nicht verlieren.
Die Hand, die
samstags ihren Besen führt
Wird sonntags dich am besten
karessieren.
BÜRGER:
Nein, er gefällt mir nicht, der neue Burgemeister!
Nun,

da er's ist, wird er nur täglich dreister.
Und für die Stadt was tut denn
er?
Wird es nicht alle Tage schlimmer?
Gehorchen soll man mehr
als immer,
Und zahlen mehr als je vorher.
BETTLER (singt):
Ihr guten Herrn, ihr schönen Frauen,
So
wohlgeputzt und backenrot,
Belieb es euch, mich anzuschauen,
Und
seht und mildert meine Not!
Laßt hier mich nicht vergebens leiern!

Nur der ist froh, der geben mag.
Ein Tag, den alle Menschen feiern,

Er sei für mich ein Erntetag.
ANDRER BÜRGER:
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und
Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn
hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man
steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab
die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,

Und segnet Fried und Friedenszeiten.
DRITTER BÜRGER:
Herr Nachbar, ja! so laß ich's auch geschehn:

Sie mögen sich die Köpfe spalten,
Mag alles durcheinander gehn;

Doch nur zu Hause bleib's beim alten.
ALTE (zu den
Bürgermädchen):
Ei! wie geputzt! das schöne junge Blut!
Wer soll
sich nicht in euch vergaffen?-
Nur nicht so stolz! es ist schon gut!

Und was ihr wünscht, das wüßt ich wohl zu schaffen.
BÜRGERMÄDCHEN:
Agathe, fort! ich nehme mich in acht,
Mit
solchen Hexen öffentlich zu gehen;
Sie ließ mich zwar in Sankt
Andreas' Nacht
Den künft'gen Liebsten leiblich sehenDIE
ANDRE:

Mir zeigte sie ihn im Kristall,
Soldatenhaft, mit mehreren
Verwegnen;
Ich seh mich um, ich such ihn überall,
Allein mir will
er nicht begegnen.
SOLDATEN:
Burgen mit hohen
Mauern und Zinnen,

Mädchen
mit stolzen
Höhnenden Sinnen
Möcht ich gewinnen!
Kühn ist das
Mühen,
Herrlich der Lohn!

Und die Trompete
Lassen wir werben,
Wie zu der Freude,
So
zum Verderben.
Das ist ein Stürmen!
Das ist ein Leben!
Mädchen
und Burgen
Müssen sich geben.
Kühn ist das Mühen,
Herrlich der
Lohn!
Und die Soldaten
Ziehen davon.
Faust und Wagner.
FAUST:
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des
Frühlings holden, belebenden Blick;
Im Tale grünet Hoffnungsglück;

Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge
zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer
kornigen Eises
In Streifen über die grünende Flur;
Aber die Sonne
duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles
will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlt's im Revier
Sie
nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen

Nach der Stadt zurückzusehen.
Aus dem hohlen finstern Tor

Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.

Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber
auferstanden,
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus
Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und
Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen
ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh!
wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,

Wie der Fluß, in Breit und Länge
So manchen lustigen Nachen
bewegt,

Und bis zum Sinken überladen
Entfernt sich dieser letzte
Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige
Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes
wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich
Mensch, hier darf ich's sein!
WAGNER:
Mit Euch, Herr Doktor, zu spazieren
Ist ehrenvoll und
ist Gewinn;
Doch würd ich nicht allein mich her verlieren,
Weil ich
ein Feind von allem Rohen bin.
Das Fiedeln, Schreien,
Kegelschieben
Ist mir ein gar verhaßter Klang;
Sie toben wie vom

bösen Geist getrieben
Und nennen's Freude. nennen's Gesang.
Bauern unter der Linde. Tanz und Gesang.
Der Schäfer putzte sich zum Tanz,
Mit bunter Jacke, Band und Kranz,

Schmuck war er angezogen.
Schon um die Linde
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