Fabeln und Erzählungen | Page 6

Christian Fürchtegott Gellert
meinetwegen hier?
Der Fremde hofft, es soll ihm noch gelingen,?Und wagt es bei dem Glase Wein,?Das Wort für seinen Freund noch einmal anzubringen.?"Mein Herr!" fiel ihm der Vater ein,?"O denken Sie doch nicht, da? ich zu hart verfahre:?Mein Kind kann wirklich noch nicht frein,?Sie ist zu jung, sie ist erst vierzehn Jahre."
Indem er dies noch sprach, trat Fickchen selbst herein,?Und trug ein Essen auf. "Was?" fing sie an zu schrein,?"Was sagten Sie, Papa? Sie haben sich versprochen.?Ich sollt erst vierzehn Jahre sein??Nein, vierzehn Jahr und sieben Wochen."?Lie? sie der Vater denn nicht frein??Das wei? ich nicht; doch nein, ich wills nur sagen;?Denn unter denen, die mich fragen,?Da k?nnten wohl selbst junge M?dchen sein;?Die zu beruhigen, will ichs aufrichtig sagen:?Der Vater sch?mte sich und lie? die Tochter frein.
Das Kartenhaus
Das Kind greift nach den bunten Karten,?Ein Haus zu bauen, f?llt ihm ein.?Es baut, und kann es kaum erwarten,?Bis dieses Haus wird fertig sein.?Nun steht der Bau. O welche Freude!?Doch ach! ein ungef?hrer Sto??Erschüttert pl?tzlich das Geb?ude,?Und alle B?nder rei?en los.
Die Mutter kann im Lomberspielen,?Wenn sie den letzten Satz verspielt,?Kaum so viel banges Schrecken fühlen,?Als ihr bestürztes Kind itzt fühlt.
Doch wer wird gleich den Mut verlieren??Das Kind entschlie?t sich sehnsuchtsvoll,?Ein neues Lustschlo? aufzuführen,?Das dem zerst?rten gleichen soll.
Die Sehnsucht mu? den Schmerz besiegen,?Das erste Haus steht wieder da.?Wie lebhaft war des Kinds Vergnügen,?Als es sein Haus von neuem sah!
Nun will ich mich wohl besser hüten,?Damit mein Haus nicht mehr zerbricht.?"Tisch!" ruft das Kind, "la? dir gebieten,?Und stehe fest, und wackle nicht!"
Das Haus bleibt unerschüttert stehen,?Das Kind h?rt auf, sich zu erfreun;?Es wünscht, es wieder neu zu sehen,?Und rei?t es bald mit Willen ein.

Schilt nicht den Unbestand der Güter,?Du siehst dein eigen Herz nicht ein;?Ver?nderlich sind die Gemüter,?So mu?ten auch die Dinge sein.?Bei Gütern, die wir stets genie?en,?Wird das Vergnügen endlich matt;?Und würden sie uns nicht entrissen,?Wo f?nd ein neu Vergnügen statt?
Das Kutschpferd
Ein Kutschpferd sah den Gaul den Pflug im Acker ziehn,?Und wieherte mit Stolz auf ihn.?"Wenn", sprach es, und fing an, die Schenkel sch?n zu heben, "Wenn kannst du dir ein solches Ansehn geben??Und wenn bewundert dich die Welt?"?"Schweig", rief der Gaul, "und la? mich ruhig pflügen,?Denn baute nicht mein Flei? das Feld,?Wo würdest du den Haber kriegen,?Der deiner Schenkel Stolz erh?lt?"

Die ihr die Niedern so verachtet,?Vornehme Mü?igg?nger, wi?t,?Da? selbst der Stolz, mit dem ihr sie betrachtet,?Da? euer Vorzug selbst, aus dem ihr sie verachtet,?Auf ihren Flei? gegründet ist.?Ist der, der sich und euch durch seine Hand ern?hrt,?Nichts Bessers als Verachtung wert??Gesetzt, du h?ttest be?re Sitten:?So ist der Vorzug doch nicht dein.?Denn stammtest du aus ihren Hütten:?So h?ttest du auch ihre Sitten.?Und was du bist, und mehr, das würden sie auch sein,?Wenn sie wie du erzogen w?ren.?Dich kann die Welt sehr leicht, ihn aber nicht entbehren.
Das Land der Hinkenden
Vorzeiten gabs ein kleines Land,?Worin man keinen Menschen fand,?Der nicht gestottert, wenn er redte,?Nicht, wenn er ging, gehinket h?tte;?Denn beides hielt man für galant.?Ein Fremder sah den übelstand;?Hier, dacht er, wird man dich im Gehn bewundern müssen;?Und ging einher mit steifen Fü?en.?Er ging, ein jeder sah ihn an,?Und alle lachten, die ihn sahn,?Und jeder blieb vor Lachen stehen,?Und schrie: Lehrt doch den Fremden gehen!?Der Fremde hielts für seine Pflicht,?Den Vorwurf von sich abzulehnen.?Ihr, rief er, hinkt; ich aber nicht;?Den Gang mü?t ihr euch abgew?hnen!?Der L?rmen wird noch mehr vermehrt,?Da man den Fremden sprechen h?rt.?Er stammelt nicht; genug zur Schande!?Man spottet sein im ganzen Lande.

Gewohnheit macht den Fehler sch?n,?Den wir von Jugend auf gesehn.?Vergebens wirds ein Kluger wagen,?Und, da? wir t?richt sind, uns sagen.?Wir selber halten ihn dafür,?Blo?, weil er klüger ist, als wir.
Das neue Ehepaar
Nach so viel bittern Hindernissen,?Nach so viel ?ngstlicher Gefahr,?Als jemals noch ein z?rtlich Paar?Hat dulden und beweinen müssen,?Lie? endlich doch die Zeit mein Paar das Glück genie?en,?Das, wenns ein Lohn der Tugend ist,?Sie durch Best?ndigkeit zehnfach verdienet hatten.?Sie, die sich, hart bedroht, als Liebende gekü?t,?Die kü?ten sich nunmehr erlaubt als Ehegatten,?Nachdem sie neidscher Freunde List?Und strenger Eltern Zorn liebreich bes?nftigt hatten.?Wer war, nach langer Jahre Müh,?Nun glücklicher als er und sie??Denn, was man liebt, geliebt besitzen k?nnen;?In einem treuen Arm sich seines Lebens freun,?Ist, Menschen, dies kein Glück zu nennen:?So mu? gar keins auf Erden sein.?Hier wett ich wohl, da? mancher heimlich spricht:?Der gute Mensch versteht es nicht.?Denn w?r die Lieb ein Glück, was k?nnte mir denn fehlen,?Da ein erlesnes Weib in meinen Armen liegt??Ist sie nicht reich und sch?n? Doch bin ich nicht vergnügt, Ich glaub es, lieber Freund; allein sich so verm?hlen,?Wie viele tun, das hei?t nicht lieben, nein.?Das hei?t, mit weit getrennten Seelen?Ein Leib in einem Hause sein.
Ein unverhofftes Glück begegnet unsern beiden.?Wie weinen sie vor Z?rtlichkeit!?Der arme Mann soll itzt auf kurze Zeit?Von seiner teuren Gattin scheiden,?Weil ihn ein naher Freund in einer fernen Stadt?Zum Erben eingesetzet hat.
Von hei?en Lippen losgerissen,?Und doch entbrannt, sich l?nger noch zu küssen,?Sprach eines, was das andre sprach,?Dem andern immer stammelnd nach,?Ein Lebewohl, ein
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 38
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.