Fabeln und Erzählungen | Page 2

Christian Fürchtegott Gellert
Taler vorzuschie?en.?Der Reiche ging des Armen Bitten ein.?Denn gleich aufs erste Wort? Ach nein!?Er lie? ihm Zeit, erst Tr?nen zu vergie?en;?Er lie? ihn lange trostlos stehn,?Und oft um Gottes Willen flehn,?Und zweimal nach der Türe gehn.?Er warf ihm erst mit manchem harten Fluche?Die Armut vor, und schlug hierauf?Ihm in dem dicken Rechnungsbuche?Die Menge b?ser Schuldner auf,?Und fuhr ihn, denn dafür war er ein reicher Mann,?Bei jeder Post gebietrisch schnaubend an.?Dann fing er an sich zu entschlie?en,?Dem redlichen Amynt, der ihm die Handschrift gab,?Auf sechs Prozent zehn Taler vorzuschie?en,?Und dies Prozent zog er gleich ab.?Indem da? noch der Reiche z?hlte:?So trat sein Handwerksmann herein?Und bat, weils ihm an Gelde fehlte,?Er sollte doch so gütig sein?Und ihm den kleinen Rest bezahlen.?"Ihr kriegt itzt nichts!" fuhr ihn der Schuldherr an;?Allein der arme Handwerksmann?Bat ihn zu wiederholten Malen,?Ihm die paar Taler auszuzahlen.?Der Reiche, dem der Mann zu lange stehenblieb,?Fuhr endlich auf: "Geht fort, Ihr Schelm, Ihr Dieb!"?"Ein Schelm? Dies w?re mir nicht lieb.?Ich werde gehn und Sie verklagen;?Amynt dort hats geh?rt."--Und eilends ging der Mann.
"Amynt!" fing drauf der Wuchrer an,?"Wenn sie Euch vor Gerichte fragen:?So k?nnt Ihr ja mir zu Gefallen sagen,?Ihr h?ttet nichts geh?rt. Ich will auch dankbar sein;?Und Euch, statt zehn, gleich zwanzig Taler leihn.?Denn diesen Schimpf, den er von mir erlitten,?Ihm auf dem Rathaus abzubitten,?Dies würde mir ein ewger Vorwurf sein.?Kurz, wollet Ihr mich nicht, als ein Zeuge, kr?nken:?So will ich Euch die zwanzig Taler schenken:?So kommt Ihr gleich aus aller Eurer Not."
"Herr", sprach Amynt, "ich habe seit zween Tagen?Für meine Kinder nicht satt Brot.?Sie werden über Hunger klagen,?Sobald sie mich nur wiedersehn.?Es wird mir an die Seele gehn.?Die Schuldner werden mich aus meiner Hütte jagen;?Allein ich wills mit Gott ertragen.?Streicht Euer Geld, das Ihr mir bietet, ein,?Und lernt von mir die Pflicht, gewissenhaft zu sein."
Calliste
O Leser! stelle dir mit z?rtlichem Gemüte?Einmal die gr??te Sch?nheit vor,?Auf deren Stirn der Frühling l?chelnd blühte,?Um deren Herz sich l?ngst ein edelmütig Chor?Entzückter Jünglinge bemühte,?Die stell itzt deinem Geiste dar,?Und fühl es recht, wie sch?n sie war.?Die, deren Schicksal ich erz?hle,?Calliste, gro? durch ihren Stand,?Und edler noch durch ihre Seele,?Lie?, weil sie sich nicht wohl befand,?Und weil der Doktor ihr den Aderla? befohlen,?Des K?nigs ersten Wundarzt holen.
Er, dieser so berühmte Mann,?Der schmachtend ingeheim Callistens Reiz verehrte,?Weil ihm ihr hoher Stand ein gr??er Glück verwehrte,?Nahm die Gelegenheit mit tausend Freuden an.?Er kam. O w?r er nie gekommen!?Er nimmt den wei?en Arm, und streift ihn ?ngstlich auf,?Und forscht, von Lieb und Ahndung eingenommen,?Mit Zittern nach der Adern Lauf,?Und streift in trunkner Angst den Arm noch vielmal auf.
Callistens Freundin sieht ihn zagen,?Und sagts ihr (heimlich sagt sies ihr).?"O", spricht sie: "Lassen Sie den Herrn nur ruhig schlagen, Und schlüg er zweimal fehl: so werd ich doch nichts sagen,?Ich wei?, er meint es gut mit mir."?Der Arzt sprach noch: "Das wollen wir nicht hoffen!"?Und schlug, und rief: "O unglückselger Schlag!?Ich habe ja den Puls getroffen!"?Und taumelte, bis er daniederlag.
Sie, noch für den besorgt (kann man was Edlers denken?),?Der so gef?hrlich sie verletzt,?Verbot ihm oft, sich nicht um sie zu kr?nken,?Und blieb zween Tage lang bei allem Schmerz gesetzt.?Doch dies war nur geringes Leiden.?Die ?rzte sahn nunmehr die t?dliche Gefahr,?Und wurden grausam eins, den Arm ihr abzuschneiden,?Weil sonsten keine Rettung war.?Und ohne sich darüber zu beklagen,?Reicht sie den Arm, den sch?nen Arm, schon dar,?Und bittet nur, den ja um Rat zu fragen,?Der schuld an diesem Unglück war.
So ward der Sch?nen denn das Leben?Für den Verlust des Arms gegeben??So war das Leben denn für so viel Schmerz der Lohn??Sieh nur den Doktor an, sein Schrecken sagt dirs schon.?Er sieht den Brand, und spricht mit bangem Ton:?"Sie k?nnen l?nger nicht, als noch drei Tage leben!"
O Gott, wie kurz ist diese Frist!?Ihr ?rzte, helft ihr doch, wenn ihr zu helfen ist!
Auch hier blieb noch das gro?e Herz gelassen.?"So", sprach sie, "sterb ich denn? Wohlan! Er ist nicht schuld, Er würde gern für mich erblassen.?Gott hats verh?ngt; Gott ehr ich durch Geduld,?Und bin bereit, den Augenblick zu sterben"?(Der Wundarzt trat indem herein);?"Sie aber", fuhr sie fort, "setz ich hiemit zum Erben?Von allen meinen Gütern ein,?Sie m?chten sonst unglücklich sein."?Sie sprachs, und schlief gro?mütig ein.
Chloris
Aus Eifersucht des Lebens satt,?Warf Chloris sich betrübt auf ihre Lagerstatt;?Und ihren Buhler recht zu kr?nken,?Der einen Blick nach Sylvien getan,?Rief sie die Venus brünstig an,?Ihr einen leichten Tod zu schenken.?Vielleicht war dies Gebet so eifrig nicht gemeint.?Verliebt und jung zu sein, und um den Tod zu flehen,?Wem dies nicht widersprechend scheint,?Der mu? die Liebe schlecht verstehen.
Doch mitten in der gr??ten Pein?Sieht Chloris ihren Freund geputzt ins Zimmer treten,?Und pl?tzlich h?rt sie auf zu beten,?Und wünscht nicht mehr entseelt zu sein.?Er sagt ihr tausend Schmeicheleien,?Er seufzt, er fleht, er schw?rt, er kü?t.?O Chloris! la? dichs nicht gereuen,?Da? du noch nicht gestorben bist;?Dein Damon schw?rt, dich ewig treu zu lieben,?Wie k?nntest du ihn doch durch deinen Tod betrüben!
Der meisten Sch?nen Zorn gleicht
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