Eingeschneit | Page 5

Emil Frommel
stand:
Fehlgetroffen![8-3] Nichts von Bl?ue, Weder Aug' noch sonst etwas! Unter'm Hut ein altes Fr?ulein! Sagt, Ihr[8-4] Herr'n, gefiel[8-5] Euch das?
Wieder ward der Schleier von den dreien gefangen, der Zettel abgenommen und bald flatterte wieder ein neuer Vers hinüber:
Auch ein altes, graues Fr?ulein Ist uns lieb und ehrenwert-- Ist[8-6] nur unter'm blauen Schleier Ihr ein junges Herz beschert!--
Noch zweimal ging der Schleier hin und her; den[8-7] Studenten ging aber allm?hlich die Poesie aus, und sie zogen die Liederbücher hervor und fingen an zu singen. Im ganzen Stellwagen ward's still, als die frischen Studentenlieder[8-8] so hinaus in die Luft schmetterten.
Als man in Lend ausstieg, wo sich der Weg teilt nach der Gastein[9-1] durch die finstere Klamm, und nach Zell[9-2] am See dem Pinzgau[9-3] zu--trafen die Studenten mit ihren Korrespondentinnen zusammen. Der zweite Tenor schritt auf die ?Vorsteherin? zu[9-4] und entschuldigte sich in wohlgesetzten Ausdrücken über[9-5] die Freiheit, die sie sich erlaubt. ?Sie haben sich nicht zu entschuldigen, Sie haben uns durch Ihre Verse und Ihren Gesang die Fahrt versch?nert. Hier in der herrlichen Natur ist auch dem Menschen mehr gestattet als in den dumpfen St?dten,? antwortete das Fr?ulein. Die drei jungen M?dchen kicherten sich[9-6] wieder an, als sie die flotten Poeten sahen und gaben verlegen Antwort auf ihre Fragen. Nach einer Stunde trennte man sich.[9-7] Die Studenten zogen dem Pinzgau zu, das Fr?ulein mit ihrem Anhang hinauf nach Gastein. Man wünschte sich[9-8] allerseits eine glückliche Reise. Die Studenten sangen am Postwagen noch eins[9-9] von den blauen Augen:
Meiner Liebsten blaue Augen Sind dem sch?nsten Azur gleich, Und ein Blick in diese Augen Ist ein Blick ins Himmelreich ...
Die blauen Schleier nickten dankend und fuhren hinauf den steilen Weg.--
* * * * *
Auf dem Pasterzengletscher,[9-10] der sich hinter dem Fuscherthal[9-11] hinaufdehnt, schritt eine hagere Gestalt in verwittertem[9-12] Lodenkittel, grünen, hohen Strümpfen und spitzem Hut einem etwas beh?bigen Herrn voran, der ?fters stehen blieb und sich[10-1] den Schwei? von der Stirn wischte. So sicher der Alte trotz des schweren Ranzens und dicken Plaids einherstieg, immer schweigend und ruhig voran, so keuchend kam der zweite hinterher. Das Alpensteigen schien ihm ein ungewohntes Gesch?ft und Vergnügen zu sein, und er machte ein so verzweifeltes Gesicht, als wollte[10-2] er zu sich selber sagen: ?Das war wieder einmal ein mordsdummer Streich von dir, da? du dich hast da hinauf locken lassen,[10-3] du h?ttest[10-4] auch die Berge von unten ansehen k?nnen.? Aber jetzt war[10-5] nichts mehr zu machen, zurück war der Weg noch mühsamer als hinauf, darum vorw?rts über den Schnee und die Eisschrunden!
?Geben's fein Obacht, da?[10-6] nit fall'n und nit z' lang stehen bleiben! D?s thut koan gut,? mahnte der alte Führer.
?Ja, Ihr[10-7] habt gut reden,? keuchte der Hintermann. ?Ihr seid die Sach' gewohnt, aber unsereins,[10-8] was alleweil in der Stuben sitzt, br?cht's[10-9] halt nit fertig.?
Der geneigte Leser merkt, wen er vor sich hat. Es ist unser Landgerichtsassessor, der so keucht und spricht. Hundertmal hat er schon den Pasterzengletscher und alle anderen Gletscher in der Welt verwünscht und an seine Lena gedacht, die es jetzt so gut habe,[10-10] weil ihr Herr fort sei, und er hatte sich doch[10-11] so auf die Sommerfrische gefreut und sich einmal recht ?auslaufen? wollen. Jetzt that ihm jeder Knochen weh, und nur eins tr?stete ihn: eine Rast im Tauernhause,[10-12] die ihm in baldige Aussicht gestellt wurde.
Sie[11-1] sollte ihm eher, als er dachte, zu teil werden.
Der alte Führer stand n?mlich pl?tzlich still, schaute nach allen Seiten hin und witterte wie ein Gemsbock in die Luft hinaus. Er beobachtete genau den Zug der Wolken, den Schnee unter den Fü?en und die einzelnen Bergspitzen. Der Landgerichtsassessor spitzte auch die Ohren so hoch wie sein spitziger Tyrolerhut, aber er merkte trotz allen Spitzens[11-2] nichts. Endlich brach der Alte das Schweigen und sagte: ?Gn?diger[11-3] Herr! K?nnen's Ihnen nit a bissel anstrengen? Es ist so a Schneetreiben im Anzug und gut w?r's schon, wenn m'r unterkimmet!? Das fuhr dem Assessor in die Glieder, denn er hatte in Geschichten schauriges vom Schneetreiben gelesen. ?'s ist doch[11-4] nicht gef?hrlich?? sagte er halblaut.
?Ha, g'f?hrlich is[11-5] rechtschaffen schon, wenn wir noch auf'm Eis sind. Aber so schnell kommt's grad nit.?
Der Assessor verga? seine Blasen und seine nassen Fü?e und trieb zur Eile. Der Alte verbi? sich das Lachen über seinen Trabanten. Sie stiegen rüstig zu. Ringsumher ward es immer finsterer, die Bergspitzen gingen in leichtes Grau über, und dem Assessor jagten schon einzelne spitzige, eisharte K?rner ins Gesicht. ?Das ist der Anfang vom Schneetreiben,? sagte er vor sich hin,[11-6] und vor seinem Geiste stand die behagliche Amtsstube in Buchau, wo im Winter der Buchklotz knallte und der Amtsdiener fragte: ?'s wird[11-7] dem Herrn Assessor doch nicht zu kalt sein??--Nach stundenlangem Marsche, auf welchem jeder so seine eigenen Gedanken hatte, w?hrend der Schnee immer dichter fiel, zeigte sich in der Ferne ein Haus.
?D?s ist das Tauernhaus, gn?diger Herr, do k?nnen's Ihna ausruhen.?
?Wie weit ist's noch
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