Eine vornehme Frau | Page 5

Hermann Heiberg
Ange endlich auch in das kostbare pfirsichfarbene Kleid eingespannt war, als sie durch das Zimmer schritt und die einer K?nigin würdige Schleppe hinter ihr herrauschte, als endlich alle die Perlen und Diamanten in ihrem Haar und an ihrer Brust, die blitzenden Agraffen an dem Stoffe befestigt waren, sahen selbst die Dienerinnen mit einem Blick der Bewunderung auf das Kunstwerk, das unter ihren H?nden entstanden war.
"Sieht's gut aus? Sitzt die Taille?" fragte Ange naiv, und ein glückliches L?cheln flog über ihr Gesicht, als jene lebhaft best?tigten, was sie zu h?ren wünschte.
"Ange, Ange!" klopfte es nun abermals. "Die Uhr ist halb neun, und Du bist noch nicht--"
"Ich bin fertig, lange fertig, Carlos! Ich warte ja auf Dich!" rief sie, blinzelte den Frauen bei ihrer unschuldigen Lüge l?chelnd zu und ?ffnete die Thür.
Aber nun kamen noch die Kinder, die doch eigentlich im Bett liegen sollten. Jorinde weinte und Ben stand mürrisch da. Allerlei Wünsche wurden laut.
"Gewi?, gewi?, sei ruhig, mein Liebling! Ja, ja, Carlitos!--Ah, mein Riechfl?schchen und der F?cher, Maria!--Wie, was? Ja, gleich!"
Sie eilte fort und suchte in irgend einer Schublade nach den Bonbons und Leckereien, mit denen sie ihre ungeduldige Schar zu beruhigen pflegte.
"Nehmen Sie die Schleppe, Rosa!--Ich komme ja, ich komme, Carlos, geh nur voraus!"
Nun mu?ten die Kinder noch einmal umarmt und gekü?t werden. Ein Handschuhknopf war abgesprungen, auch eine Naht beim hastigen Anziehen gerissen. "Schnell ein anderes Paar! Im Schubfach links! Fleischfarbene, Maria, fleischfarbene! H?rst Du?"
Ange eilte hinab. "Endlich!" sagte Carlos. "Vorw?rts!"
Der Diener, die Hand am Hute, schlug den Wagen zu und schwang sich auf den Bock.
"Halt! halt--noch einen Augenblick!" rief Ange und klopfte ungestüm an die Scheiben. Die Jungfer kam atemlos mit den Handschuhen. "Zu Befehl, Frau Gr?fin!"
So, nun raste endlich der Wagen mit dem Grafen und Ange davon, und die Dienerschaft wandte sich ins Haus zurück. Auf dem Flur, auf der Treppe wehte noch der Duft ihrer Gew?nder. In allen Zimmern brannten die Kandelaber--überall die Spuren ihrer lebhaften Unruhe. Die Kinder schmollten, da? sie nun, weniger rücksichtsvoll angehalten als vorher, ins Bett getrieben wurden: und ins hei?e, schwüle, von Parfüm erfüllte Ankleidezimmer der Gebieterin, in dem ein halb Dutzend goldene und silberne Leuchter entzündet waren, in welchem die ge?ffneten Schmuckk?stchen mit all ihren zurückgebliebenen Herrlichkeiten achtlos umherstanden und in dem die Luft, die eine sch?ne, vornehme Frau ausatmet, wie ein unsichtbarer Hauch die Gegenst?nde zu umhüllen schien, traten die Frauen, um alles an seinen Platz zu bringen.--
Unwillkürlich verstummte das laute Gespr?ch in den S?len, unwillkürlich traten die Reihen der G?ste zurück und unwillkürlich mu?ten auch die eifersüchtigsten Frauen emporblicken, als die Gr?fin Ange von Clairefort an der Seite ihres Mannes die R?ume in dem Hause des Obersten betrat. Es giebt Frauen, deren Erscheinung in der Gesellschaft wirkt, als ob pl?tzlich ein Schwan mit lautem Flügelschlag vorüberrauscht.
Ange war nach wenigen Minuten umgeben und umschwirrt von der halben Gesellschaft. Nein, von der ganzen Gesellschaft! Denn diejenigen, die sich ihr nicht n?herten, fanden nur nicht den Mut, der sch?nen, strahlenden Frau auszudrücken was sie bei ihrem Anblick empfanden. Immer birgt die Gesellschaft Zaghafte; sie werden nie aussterben; sie bleiben und gleichen Kindern, welche nur nach wiederholter Ermunterung ein H?ndchen reichen.
Ange h?rte, da? man allein auf sie gewartet habe. Sie rief ein bedauerndes "O! o!" huschte zu der Frau des Obersten und stellte ihr durch die bezaubernde Art ihrer Abbitte rasch die gesunkene Gesellschaftslaune wieder her. Und da sie in der Zerstreuung den ersten Tanz nicht vergeben hatte und dies zu ihrer freudigen überraschung bemerkte, schlüpfte sie durch die sich dr?ngenden und sich arrangierenden Paare bis zum Gastgeber und legte sanft den Arm in den seinigen.
"Gn?dige Frau?!"
"Den ersten Tanz habe ich wohl ein dutzendmal abgeschlagen, Herr Oberst, da ich ihn für Sie bestimmt hatte. O, ich bitte, kein Refus! Es ist ja eine Polonaise." schmeichelte sie und zog den nur leise Widerstrebenden mit sich fort.
Selten mischte sich Ange in die Reihen der Tanzenden, ohne da? die pausierenden Paare ihr zuschauten. Man mu?te sie ansehen, denn eine Grazie schien sich unter die Menschen gemischt zu haben.
Nichts Anmutigeres konnte es geben, als sie einen Walzer tanzen zu sehen, wenn das ihr eigene, halb verlegene, halb glückliche L?cheln über die sanften Züge flog und sie das K?pfchen zur Seite neigte. Es lag in dieser Zurückhaltung gleichsam eine Andeutung, da? sie sich zwar jeder Laune ihres T?nzers füge, doch nur dem Zwange folgend, ihm erlaube, den schlanken Leib zu umfassen. Sobald sie sich aber aus dem Arm ihres Kavaliers gel?st hatte, verschwand diese fast m?dchenhafte Schüchternheit, und ihr lebhaftes Temperament ri? sie wieder fort. Sie schwatzte, lachte und zeigte ein schelmisches Gesicht, sie nickte und h?rte mit neugieriger Aufmerksamkeit zu.
Beim Souper richteten sich abermals aller Augen auf Ange. Eine feine Bl?sse war auf ihr Gesicht getreten. Der wunderbare Abstand der dunklen Augen und Augenbrauen gegen das Goldblond ihres Seidenhaares wirkte neben dem mattseidenen, an dem Ausschnitt
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