ihm au?er seiner dienstlichen Besch?ftigung noch viel Zeit, aber man fand ihn weder h?ufig lesend noch schreibend. Er sa? meistens zurückgelehnt in einem alten Erbstuhl des fünfzehnten Jahrhunderts, der vor seinem Schreibtisch stand, st?ubte die Bücher und die vielen kleinen Nippesgegenst?nde ab, rauchte, erhob sich wohl einmal, griff sich, wie um einen Schmerz zu bannen, an den Kopf, schaute in den blühenden Garten und grübelte weiter über etwas, was keiner zu ergründen vermochte.
Tibet war jeden Tag eine Stunde, oft l?nger bei ihm. Er legte Rechnungen vor, holte sich Anweisungen, empfing Geld, brachte solches, mu?te auch wohl Briefe schreiben, Telegramme besorgen und G?nge machen, über die er nie Auskunft gab. Tibet war alles in allem, auch bei dem Grafen, und niemandem begegnete dieser so h?flich wie seinem Kammerdiener, wenn er auch ihm gegenüber die Formen beiseite lie?.
Unter den Offizieren, die im Clairefortschen Hause verkehrten, befand sich ein Rittmeister mit Namen von Teut. Alle Welt war erstaunt, da? dieser allem Familienverkehr abholde, nur seinem Dienst, dem Pferdesport, der Jagd und starken Gelagen geneigte, keineswegs mehr junge Mann das Haus des Grafen aufgesucht hatte. Ange war die Veranlagung gewesen. Bei einem Diner, welches der Oberst gab, zwang sie ihn, sich mit ihr zu besch?ftigen, wies ihm scherzend nach, da? sie vom Urgro?vater her ein wenig verwandt seien, und fesselte ihn in solchem Ma?e, da? er beim Nachhausegehen gegen seine Umgebung in die Worte ausbrach: "Sch?n wie eine Rose, klug wie ein Pferd, naiv wie ein Kind, zudem eine Dame--ein vollendetes Gesch?pf!"
Von Teut war ein seltsamer, unberechenbarer Mensch im Verkehr, aber nach übereinstimmendem Urteil ein Kavalier vom Scheitel bis zur Sohle. Sein Reichtum erlaubte ihm die Ausübung der kostspieligsten Liebhabereien. Zu diesen geh?rten vor allem Jagd und Pferde. Und dieser Umstand genügte allein schon, sich Ange Clairefort zu n?hern.
Oft schlug er eine Kleinigkeit ab, war unduldsam gegen seine Umgebung, und dann, wenn ihn Laune oder Herzensdrang trieben, verschenkte er gro?e Summen. So hatte er einmal einem Kellner im Kasino, der sich selbst?ndig machen und heiraten wollte, ein nicht unbedeutendes Kapital darlehensweise überlassen, und als der erste kleine Weltbürger erschien und jener ihn als Pate einlud, sandte er ihm den quittierten Schuldschein und schrieb darunter:
"Axel von Teut sendet Axel Dorn diese Patengabe und hofft, da? er einst ein braver Bürger und--kommt Zeit und Anla?--auch ein treuer K?nigssoldat sein wird."
Als dies bekannt wurde, sah sich Teut mit Bittschriften überschüttet. Da las man eines Tages in der Zeitung:
"Fortan lasse ich alle Bitt- und Bettelbriefe uner?ffnet zurückgehen. Man spare sich die Mühe! Wer meint, ich s?h's ihnen nicht an, irrt sich. Eine solche übung, wie ich sie habe, macht erfahren.
Baron von Teut-Eder,
Rittmeister und Eskadronschef."
* * * * *
Beim Oberst war eine gro?e Fête angesagt. Ange begann auch heute mit ihrer Toilette zu einer Zeit, in der andere Frauen bereits die Handschuhe kn?pfen und das Kopftuch um das Haar schlingen. Das kannte Clairefort, seit ihm das sch?ne Fr?ulein von Butin das Jawort gegeben, und das ertrug er mit jener Resignation, die entweder einer starken Selbstbeherrschung entspringt oder die sich zuletzt in das Unvermeidliche machtlos fügen mu?.
"Ange, bist Du bereit? Schon seit einer viertel Stunde wartet der Wagen!" rief der Rittmeister und klopfte ungeduldig an die Thür.
"Gleich, gleich, bester Carlos!" schmeichelte Ange zurück, huschte freilich erst in diesem Augenblick aus ihrem Hauskleid und steckte, da sie das unruhige Auf und Ab ihres erzürnten Tyrannen h?rte, auf einen Augenblick das K?pfchen durch die ?ffnung, um ihn mit einem ihrer bezaubernden Blicke zu beruhigen.
Das Gemach, in welchem Ange ihre Toilette machte, glich bezüglich des hastigen und bunten Durcheinander dem Ankleidegemach einer Bühnenkünstlerin. Hier waren Schubladen ge?ffnet, in denen die Gegenst?nde wild durcheinander geworfen waren, dort lagen auf Diwan und Stühlen Ballkleider und Spitzenr?cke. Wenige Minuten hatten hingereicht, um hier und in die Garderobenschr?nke eine heillose Verwirrung zu bringen. Aber immer war diese lebhafte, unruhige und der Zeiteinteilungen spottende Frau in ihrer Erscheinung gleich reizend. Wo war der Künstler, um diesen feingeschnittenen Kopf mit dem tief auf die Schultern herabgefallenen Seidenhaar zu malen, diese zarte, in den Formen vollendete Fülle, dieses entzückende Wei? des Nackens, der Arme, der H?nde, vornehmlich aber diesen wahrhaft bezaubernden K?rperwuchs mit seinen vornehmen Linien?
Bei der Hast, mit der Ange selbst Hand an die Toilette legte oder ihre Umgebung anwies, r?teten sich ihre Wangen, die feinen Nasenflügel vibrierten und ihre Kinderh?nde zupften, zerrten und kn?pften an den durchsichtigen, spitzenbesetzten Gew?ndern umher, als ob tausend unruhige Funken aus ihren Fingern sprühten.
W?hrend ihr Haar geflochten ward, sa? sie vor dem Trumeau, ?ffnete den Mund, betrachtete mit kindlicher Neugier die untadelhaften Reihen ihrer unter dem Rosarot hervorschimmernden Z?hne und lachte in den Spiegel hinein oder neigte mit leisem Aufschrei das K?pfchen vor dem ungeschickten Strich des Kammes in dem widerspenstigen Haar. Und dabei erschienen auch Fü?chen, die einem Kinde anzugeh?ren schienen und die nun von der Jungfer mit seidenen Schuhen bekleidet wurden.
Als
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