Eine vornehme Frau | Page 3

Hermann Heiberg
erschien sie fast noch grazi?ser. Eine Elfengestalt, dabei tr?umerisch, f��r sich, und mit jenem vorwurfsvoll-ernsten Ausblick, der z?gern l??t, sich solchen Kindern zu n?hern.
Nach vier Wochen redete man in C. von nichts anderem als von dem Grafen Clairefort und seiner sch?nen Gemahlin. Die b?sen Reden waren verstummt, nachdem man sie ein einiges Mal gesehen hatte. Der Graf entsprach dem Bilde, das man sich von ihm gemacht hatte. Er war nur noch zur��ckhaltender, als er geschildert ward. Man fand einen ?u?erst aristokratischen, wortkargen, aber im Verkehr mit den feinsten Manieren ausstatteten Mann, der es mit seinen milit?rischen Obliegenheiten so streng nahm, da? diese Strenge an H?rte streifte. Nat��rlich zerbrach sich auch alle Welt den Kopf, wie wohl zwei so verschieden geartete Menschen miteinander lebten. St?rkere Gegens?tze waren nicht denkbar. Er ein ernster, pedantischer, kr?nklicher Mann, dem sich zu n?hern, ��berwindung kostete, und der in seinen Gedanken, Anschauungen und Lebensgewohnheiten v?llig von dem Durchschnitt der Menschen abwich. Sie dagegen ein frisches, gesundes, liebensw��rdiges, ein naiv-kluges Gesch?pf, mit einem hinrei?enden Temperament und einer nicht minder hinrei?enden, ja gef?hrlichen Sch?nheit; dazu sorglos, ganz von dem Eindruck des Augenblicks beherrscht und oft spottend allen Regeln der eingeb��rgerten Sitte.
Wenn sie etwas besonders anregte oder besch?ftigte, wenn sie zum Beispiel ausreiten wollte, verga? sie alles. Da gab's keine Innehaltung einer Zusage oder Verabredung. Da schwiegen alle gew?hnlichen h?uslichen Pflichten, da verfingen nicht die strengen Mienen des Grafen. Sie flog ihm an den Hals und herzte ihn.--"La?, la?, Schatz!--Sei gut, gieb mir meinen Willen.--Du wei?t ja doch, da? Du mir nichts abschl?gst.--Weshalb mich qu?len?--Nein?--Du versagst mir die kleine Freude?--Dann k��sse ich Dich niemals mehr auf Deine treuen H?nde, auf Deinen verschwiegenen Mund!"--Und ehe er sich's versah, ehe er es hindern konnte, schlang sie sich zu ihm empor und liebkoste seine Wange.
Oft mu?ten die Kinder helfen, diese wilden, zarten, sanftm��tigen Gesch?pfe in ihrem seltsamen Gemisch. Und sie thaten alles, was sie w��nschte; immer nahmen sie f��r ihre Mama Partei und umringten den bleichen ernsten Mann, bis sich zuletzt ein L?cheln um den geschlossenen Mund stahl. Und dieses L?cheln war Zustimmung.
"Wenn Du w��?test, wie sch?n Du bist, wenn Du l?chelst," sagte Ange oft: "warum bist Du doch immer so ernst, so b?rbei?ig, Lieber! Bin ich nicht um Dich, Ange Clairefort, geborene Butin, Herrin auf Schwarzensee und D��renfort?" Dazu lachte sie und stolzierte, ihm Ku?h?nde zuwerfend und hinter sich schauend, als ob sie ihre Schleppe betrachte, von dannen. Er neigte dann schwerm��tig das Haupt und zog sich in seine Gem?cher zur��ck. Oft war's, als ob der strenge Soldat sich vor dem Kinderl?rm und der ausgelassenen Unart seiner Umgebung fl��chte, als ob jeder Nerv in ihm zucke, ihm Ruhe und Einsamkeit allein wohlthue.
In der That hatten Claireforts schon viel Herzeleid erfahren. Sie verloren beide fr��h ihre Eltern und standen ohne Verwandte in der Welt. Des Rittmeisters Stammvorfahr, ein Franzose, war nach Deutschland ��bergesiedelt, um seiner Gemahlin, einer Rheinl?nderin, zu folgen, und die Butins, wenn auch seit Menschengedenken in deutschen Gauen ans?ssig, stammten ebenfalls aus franz?sischem Blut. Gerade als Clairefort um die alleinstehende, blutjunge Baronin von Butin anhielt, starb ihr bisheriger Vormund, und dies veranla?te die sp?ter M��ndigwerdende, die Gutsbesitzungen zu ver?u?ern; den Erl?s brachte sie ihrem Manne als Mitgift in die Ehe.
Claireforts hatten ihre Besuche gemacht und empfingen solche. Es nahm sehr f��r sie ein, da? sie ihre Visiten nicht auf den vornehmeren und engeren Kreis beschr?nkten, in welchem die ��brigen Familien verkehrten; sie gaben auch ihre Karten bei den angesehenen Einwohnern der Stadt ab und entz��ckten durch ihre Liebensw��rdigkeit alle Welt, mit der sie in Ber��hrung traten. Besonders lebhaft aber entwickelte sich der Verkehr zwischen den unverheirateten Offizieren der Garnison und den Neuangekommenen. Nach wenigen Wochen waren diese fast t?gliche G?ste der Villa, in der stets ein Fr��hst��ckstisch bereit stand und in der man--auch unangemeldet--immer eine vortreffliche Tafel mit auserlesenen Weinen fand. Es vollzog sich dort alles wie durch Zauberhand geschaffen, und doch war Ange die denkbar schlechteste Hausfrau.
Aber Ernst Tibet, der Kammerdiener, sorgte f��r alles. Dieser Haushofmeister war ein Mustermensch. So unruhig und wenig umsichtig, so ungleich und lebendig die Gr?fin, ebenso ernst, besonnen und zuverl?ssig war Tibet, ein Mann mit angeborener W��rde und h?flicher Zuvorkommenheit zugleich.
"Tibet, bester, goldener Tibet, was beginnen wir? Eben haben sich zehn Personen angesagt! Die Uhr ist zwei! Um f��nf wollen wir speisen!"
"Es wird alles nach Ihren W��nschen sein, Frau Gr?fin," erwidert Tibet, verbeugt sich und geht seiner Arbeit nach.
Und wenn Tibet das sagt, dann kann wohl eine kleine Welt einst��rzen, aber wenn sie nicht einst��rzt, ist alles auf die Minute, wie er versprochen.
Seltsamerweise bek��mmerte sich auch der Graf nicht um das Haus, wenig auch um die Kinder, ebensowenig um seine sch?ne Ange. Man fragte sich oft, was eigentlich ihn besch?ftige, wof��r er sich interessiere, welche Gedanken hinter seiner hohen Stirn auf- und abwandern m?chten. Niemand vermochte darauf eine zutreffende Antwort zu geben. Es blieb
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