Eine vornehme Frau | Page 2

Hermann Heiberg
Sendung, der nicht h?tte als ein Musterst��ck gelten k?nnen. Aber--und das erf��llte den Handwerksmeister mit gerechtem Erstaunen--fast nichts war heil und ganz, mit Ausnahme der ohne Zweifel dem Gebrauch des Grafen dienenden M?bel. Eine solche Besch?digung konnte nicht durch den Umzug entstanden sein, sie war sicher das Ergebnis einer grenzenlosen Unordnung und Vernachl?ssigung.
Auf geschehene Meldung und Anfrage erfolgte keine Antwort, wohl aber erschien nach einigen Tagen der Haushofmeister, ein hagerer, ernst dreinblickender Mann, der erkl?rte, da? die gr?fliche Familie ihm auf dem Fu?e folge und jetzt keine Zeit mehr f��r Reparaturen vorhanden sei. Diese m��?ten sp?ter vorgenommen werden.
An einem Maitage des Jahres 1867 traf die Familie ein. In ihrem Gefolge befand sich eine gro?e Dienerschaft und neben zahlreichen edlen Pferden, auch ein paar herrliche Hunde, die beim Abladen der schier unz?hligen Koffer einen gewaltigen L?rm anstimmten und von der grazi?sen Frau, die mit sechs schlanken Kindern dem Wagen entstieg, wie nach langer Trennung geh?tschelt und geliebkost wurden. Sie verga? dar��ber das Haus und den Eintritt, bis sie die Augen aufschlug und bei dem Anblick der Villa und des Parkes ihrer frohen ��berraschung in lebhafter Weise Ausdruck verlieh. Dabei redete sie auch ihre Dienerschaft an und ermunterte diese, in ihre Bewunderung einzustimmen.
W?hrenddessen war der Rittmeister in das Haus getreten und rief aus einem Fenster des Hochparterre ungeduldig und streng:
"Ange, komm nun doch und k��mmere Dich um die Kinder!"
Etwas Eigenartigeres als diese konnte man nicht sehen. Eins war sch?ner als das andere. Alle waren blond, aber das Haar hatte jenen goldig schimmernden Anhauch und die K?rperhaut jene unnachahmliche Farbe, welche wir an den Menschen des Nordens im Gegensatz zu den Bewohnern des S��dens bewundern. Wie schon ein Sonnenstrahl seine Spuren auf dem Milchwei? der Blonden zur��ckl??t, so flammt auch sichtbarer, und durch den rosenfarbenen Schimmer reizvoller, das Blut durch die Wangen dieser von der Natur bevorzugten Gesch?pfe.
Wenn Mutter und Kinder beisammen standen, konnte man sie f��r Geschwister halten. Frau von Clairefort glich einem menschgewordenen Engel; sie trug mit Recht ihren Namen. Und sie ging auch mit ihren Kindern um, als sei sie selbst noch ein unselbst?ndiges Wesen. Sie blickte sie erstaunt und in ein pl?tzliches l?cheln ausbrechend an, sie tummele sich mit ihnen und lag spielend auf dem Teppich, auf welchem auch die Hunde umhersprangen. Fehlte dies oder das, so ri? sie wohl ein T��chelchen von ihrem vornehm gebauten Hals, statt das fehlende Garderobest��ck herbeizuholen; und wenn die Kinder sie k��?ten und um Freiheit bettelten, statt nach der Anweisung der Gouvernante an die Schularbeiten zu gehen, lief sie gar mit ihnen fort und versteckte sich und jene vor den drohenden Stirnfalten der Erzieherin.
Morgens ruhte sie mit der ganzen herbeigeeilten Schar in einem spitzenbedeckten Bett und lie? sich umhalsen und h?tscheln. Es war, als ob der eben erwachte Fr��hling seine Kinder um sich versammelt habe. Was so bezaubernd wirkte, war der naive, unbewu?te Liebreiz aller dieser zartgearteten Menschen, und doch war die Gr?fin Ange so st?hlern abgeh?rtet, ward so wenig beeinflu?t von jedweder Anstrengung, da? sie den Schlaf fast wie eine ��berfl��ssige Gewohnheit an sich herantreten lie?.
Wo sie erschien, ward alles hell, denn ihr s��?es Gesicht, ihre klugen Augen, ihre anmutigen Geb?rden, ihr silberhelles Lachen und ihre durch keine K��nstelei beeinflu?te lebhafte Fr?hlichkeit ri? die Umgebung fort. Und doch war's niemals eine n?rrische Laune, von der sie sich leiten lie?, und ihr nicht erst durch Gr��beln geweckter Verstand kleidete jeden Gedanken in eine grazi?se Form. Ihr Ernst war so tiefsinnig und ihr Urteil ��ber Menschen und Dinge oft so zutreffend, da? man es nicht f��r m?glich hielt, dieselbe Frau habe eben mit kindlich-hilfloser Naivet?t die tausend Unarten ihrer kleinen Schar ertragen, sich zuletzt machtlos in einen Winkel vergraben und bitterlich ausgeweint.
"Bitte, bitte, sei artig, Carlitos," flehte sie, und trotzig warf Carlitos den stolzen Kopf in den Nacken und beging dieselbe Unart. Aber zornig gegen ihre Engelschar konnte sie ��berhaupt nicht werden, viel weniger hatte sich ihre Hand jemals zum Schlage gegen diese erhoben, obgleich Ange mit ihrem starken, gest?hlten Handgelenk das wildeste Pferd zu z?hmen imstande war. Reiten und Fahren war Ange Claireforts Leidenschaft. Sie hatte den edelsten Renner im Stall, und nicht minder z?rtlich klopfte sie den Hals von "Blitz", ihrem Lieblingspferd, als die schlanken Glieder ihrer beiden Windhunde.--
Carlitos, der ?lteste, war ein wilder, schlanker Bursche mit vielen impertinenten Sommersprossen auf der feingeschnittenen Nase und mit dunklem, gleichsam boshaft leuchtendem Haar in rotem Schimmer. Dann kamen Zwillinge, zwei M?dchen von einer solchen sanften Sch?nheit und so m?dchenhaft in der Erscheinung, da? die Menschen auf der Gasse stillstanden, um ihnen nachzuschauen.
Diesen folgten wieder zwei Knaben. Sie hatten lange, in der Mitte gescheitelte goldblonde Haare, waren tannenschlank gewachsen, lebhaft, ausgelassen, aber doch voll Herzensg��te und sch��chtern gegen Fremde. Wenn sie bisweilen mit ihren vornehmen Gesichtern so scheu dreinblickten, ward man unwillk��rlich an die S?hne Eduards erinnert.
Die kleine Ange war das Ebenbild der Mutter, nur
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