Ein Mann | Page 4

Joachim Nettelbeck
Jahre sein, als Pate Lorenz Runge mir unter anderen Weihnachtsbescherungen auch eine Anweisung zur Steuermannskunst in holl?ndischer Sprache verehrte. Dies Buch machte meine Phantasie so rege, da? ich Tag und Nacht f��r mich selbst darin studierte, bis mein Vater ein Einsehen hatte und mir bei einem hiesigen Schiffer, namens Neymann, zwei w?chentliche Unterrichtstage in jener edlen Kunst ausmachte. Dagegen blieben die anderen vier Tage noch zum Schreiben und Rechnen bei einem anderen geschickten Lehrer, namens Sch��tz, bestimmt. Ein Jahr sp?ter aber ward die Steuermannskunst die Hauptsache und alles andere in die Neben- und Privatstunden verwiesen.
Mein Eifer f��r diese Sache ging so weit, da? ich im Winter oftmals bei strenger K?lte, wenn des Nachts klarer Himmel war, und wenn meine Eltern glaubten, da? ich im warmen Bette steckte, heimlich auf den Wall und ?Die hohe Katze? ging, mit meinen Instrumenten die Entfernung der mir bekannten Sterne vom Horizont oder vom Zenit ma? und danach die Polh?he berechnete. Dann, wenn ich des Morgens erfroren nach Hause kam, verwunderte sich alles ��ber mich und erkl?rte mich f��r einen ��berstudierten Narren. Schlimmer aber war es, da? man mich nun des Abends sorgf?ltiger bewachte und mich nicht aus dem Hause lie?. Dennoch suchte und fand ich oftmals Gelegenheit, bei Nacht wieder auf meine Sternwarte zu kommen, was mir aber, wenn ich mich morgens wieder einstellte, von meinem Vater manche schwere Ohrfeige einbrachte.
?hnlicher Lohn ward mir auch sonst noch f��r ?hnlichen Eifer! Zu oft hatte ich geh?rt, da? ein Seemann vor allen Dingen lernen m��sse, gut klettern, um die Masten bei Tag und Nacht zu besteigen, als da? ich nicht h?tte begierig werden sollen, mich darin beizeiten zu ��ben. Hierzu fand sich eine erw��nschte Gelegenheit durch die n?here Bekanntschaft mit dem Sohne des damaligen Gl?ckners. Er war in meinen Jahren, hie? David, und wollte auch Schiffer werden. Mit diesem machte ich mich, au?er der Schulzeit, auf den Boden der gro?en Kirche in das Sparrwerk und die Balkenverbindungen bis hoch unter das kupferne Dach hinauf. Hier stiegen und krochen wir ��berall herum, da? wir uns in der gewaltigen Verzimmerung dieses gro?en Geb?udes oftmals dergestalt verirrten, da? einer vom andern nichts wu?te. Kamen wir dann wieder zusammen, so konnten wir nicht genug erz?hlen, wo wir gewesen waren und was wir gesehen hatten.
Bald ging es nun zu einem Wagest��ck weiter. Auch in die Spitze des Turmes krochen wir in dem inwendigen Holzverbande hinauf -- so hoch, bis wir uns in dem beengten Raume nicht weiter r��hren konnten. Aber eben diese Gewandtheit und Ortskenntnis kam mir in der Folge recht gut zu statten, um hier in der ?u?ersten Spitze, wo ein Wetterstrahl am 28. April 1777 gez��ndet hatte, das Feuer l?schen zu k?nnen; wie ich zu seiner Zeit weiter unten erz?hlen werde.
Und nunmehr gen��gte es uns nicht, blo? innerhalb uns von Balken zu Balken zu schwingen: es sollte auch au?erhalb des Geb?udes geklettert werden! So machten wir uns denn auf das kupferne Dach; stiegen bei den Glocken aus den Luken auf das Ger��st; von da auf den First des kupfernen Kirchendaches, und indem wir darauf wie auf einem Pferde ritten, rutschten wir l?ngshin vom Turme bis an den Giebel und auf gleiche Weise wieder zur��ck. Ein paar Hundert Zuschauer gafften drunten, zu unserer gro?en Freude, nach uns beiden jungen Wagh?lsen in die H?he. Auch mein Vater war, ohne da? ich es wu?te, unter dem Haufen gewesen, und so konnte es nicht fehlen, da? mich, bei meiner Heimkunft, f��r diese Heldentat eine derbe Tracht Schl?ge erwartete.
Aber die Lust zu einem wiederholten Versuche war mir dennoch nicht ausgetrieben worden! Ich lauerte es nur ab, da? mein Vater verreist war, und an einem sch?nen Sommertage, nachmittags um vier Uhr, als ich der Zucht des Herrn Sch��tz entlaufen war, konnte ich nicht umhin, meinen lieben Turm wieder zu besuchen. Ein Schulkamerad, David Sp?rke, eines hiesigen Schiffers Sohn, leistete mir Gesellschaft. Diesen beredete ich, den Ritt auf dem Kirchendache mitzumachen. Zuerst stieg ich aus der Luke auf das Ger��st und von da auf den First des Daches. David Sp?rke kam mir zuversichtlich nach, da er mich so flink und sicher darauf hantieren sah.
Allein kaum war er mir sechs oder acht Fu? nachgeritten, so ��berfiel ihn pl?tzlich eine Angst, da? er erb?rmlich zu schreien begann, sich zu beiden Seiten an den kupfernen Reifen festklammerte und nicht vor- nicht r��ckw?rts kommen konnte. Ich kehrte mich nach ihm um, kam dicht zu ihm heran; und hier sa?en wir nun beide, sahen uns betr��bt ins Gesicht und wu?ten nicht, wo aus noch ein. Er wagte es nicht, sich umzudrehen, ich konnte an ihm nicht vorbeikommen. Dabei h?rte er nicht auf, in seiner Seelenangst aus vollem Halse zu schreien. Auf der Stra?e gab es einen Zusammenlauf und bald auch Hilfe. Denn der alte Gl?ckner mit seinem Sohne und mehreren anderen kamen auf den Turm und zogen meinen Freund David mit
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 177
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.